"In Amerika schwirren so viele Absurditäten herum"
Der Regisseur und Maler David Lynch hält die USA für ein "Theater des Absurden". "Menschen sagen Dinge, die vollkommen abwegig sind. Ich sehe so viel Verwirrung, so viel falsches, zerstörerisches Denken, etwas, was ich sogar Barbecue-Mentalität nennen möchte."
Ulrike Timm: Christian Bernd über den Regisseur, Maler, Zeichner und Fotografen David Lynch. Und wie sich all das in einem Menschen vereinigt, das konnte meine Kollegin Alexandra Mangel bei einem Gespräch mit David Lynch erleben – aufgenommen im Max Ernst Museum in Brühl kurz vor der Eröffnung seiner Ausstellung. Und zu Beginn des Gesprächs mit David Lynch ging es um eine Farbe, die keine ist: um das Schwarze, Düstere, das sich nicht nur in seinen Filmen, sondern auch auf seinen Leinwänden findet.
David Lynch: Schwarz ist irgendwie das Unbekannte. Weiß könnte ebenfalls für das Unbekannte stehen. Aber das Schwarz entfaltet eine Sogwirkung. Man fühlt sich hineingezogen und fragt sich dann: Was ist darin? Ein schwarzer Rahmen lässt einen also träumen und vielleicht sogar eintreten.
Alexandra Mangel: Ihr Werk "Pete goes to his girlfriend’s house - Pete geht zum Haus seiner Freundin" zeigt Pete als grob auf den Malgrund geworfene, wild vorwärtsstürmende Figur mit gefletschten Zähnen, Revolver und Messer im Anschlag. Ist Pete so was wie der All American Guy, der amerikanische Junge von nebenan, der Amok läuft?
Lynch: Viele Amerikaner haben Gemeinsamkeiten mit Pete, aber weltweit sieht man, wie Liebe zu Hass werden kann, dieses merkwürdige Geschehen in uns, das uns zu gewalttätigen Ausbrüchen treibt und das dazu führt, dass wir uns gegen die wenden, die wir doch eigentlich lieben sollten.
Mangel: Sie haben gesagt: "love is gone bad", die Liebe, die schlecht wird, böse wird – was meinen Sie damit?
Lynch: Wenn die Liebe nicht erwidert wird, dann wenden wir uns oft gegen diejenigen, die wir eigentlich lieben – beherrscht von Düsternis, Verwirrung und Unwissenheit. Ich mag aber Pete und seine Freundin wirklich, und ich hoffe, dass es letztlich alles zum Guten hinausgeht.
Mangel: Sie haben mal gesagt, das Leben in Amerika sei surreal, das sei gelebter Surrealismus - woran haben Sie da gedacht?
Lynch: Absurditäten. In Amerika schwirren so viele Absurditäten herum, Menschen sagen Dinge, die vollkommen abwegig sind. Ich sehe so viel Verwirrung, so viel falsches, zerstörerisches Denken, etwas, was ich sogar Barbecue-Mentalität nennen möchte.
Mangel: Was heißt das?
Lynch: Na ja, ich liebe diese amerikanischen Grillpartys, diese Barbecues, aber es ist schon auch verstörend. Da gibt es diese Bierwerbung, da heißt es: Du lebst nur einmal, also nimm dir, was du brauchst. Und diese Art Mitnahmementalität, die meine ich. Vieles von dem, was in Amerika vor sich geht, ist im Grunde dieses Theater des Absurden. Dem zuzuschauen, das macht schon Spaß.
Mangel: Sehen Sie viele seltsame Dinge, wenn Sie durch Ihre Nachbarschaft in Los Angeles gehen?
Lynch: Man geht in Los Angeles nicht zu Fuß, man fährt. Aber noch seltsamere Dinge sieht man in Philadelphia, das wird ja die Stadt der brüderlichen Liebe genannt. Als ich in Philadelphia lebte, habe ich gemerkt, das ist das genaue Gegenteil – so viel Krankheit, so viel Verderbtheit, so viel Gewalt, so viel Angst, die ganze Atmosphäre ist geschwängert mit Angst. Selbst wenn man in einem gemauerten Haus lebte, hatte man damals das Gefühl, dass die Wände aus Papier wären, und man hatte das Gefühl, jederzeit könnten irgendwelche Dinge durch die Wände fliegen, die Wände einreißen und auf einen stürzen.
Mangel: Selbst wenn Sie schmelzende Schneemänner in menschenleeren amerikanischen Kleinstadtvorgärten fotografieren – und auch die Serie kann man hier sehen –, man kann nicht anders, man stellt sich hinter diesen amerikanischen Hausfassaden das namenlose Grauen vor. Tun Sie das auch?
Lynch: Ja. Oft fährt man mit dem Auto oder man geht zu Fuß und sieht irgendwo ein Haus stehen. Und weil wir nicht hineinsehen können, fangen wir an uns vorzustellen oder zu träumen, was könnte darin geschehen. Es wäre natürlich schön, wenn da Glückliches oder auch Inspirierendes vor sich ginge. Aber ganz oft ist schon die Fassade ein erster Hinweis darauf, dass etwas in diesem Haus nicht stimmt.
Mangel: Ein Grund für die Warnung der Kuratoren, keine Kinder und Jugendlichen mit in die Ausstellung zu nehmen, ist Ihre Fotoserie "Distorted Nudes", von Ihnen digital manipulierte Aktfotografien. Da sieht man verstümmelte, verzerrte, groteske Frauenkörper, und bei vielen sieht es aus, als wären "The Beauty and the Beast" in einer Figur vereint. Geht es Ihnen darum?
Lynch: Ich liebe es aus irgendwelchen Gründen, wenn die menschliche Gestalt verzerrt ist, das lässt einen Dinge anders wahrnehmen, es bringt einen zum Denken, zum Träumen. Diese verzerrten Gestalten sind für mich schön, sie sind nicht grotesk, überhaupt nicht.
Mangel: Sie haben da mit Photoshop, also mit digitaler Bildbearbeitung gearbeitet?
Lynch: Ja, ich habe mit Photoshop gearbeitet. Das ist eine großartige Erfindung. Ich möchte öffentlich dem Menschen danken, der Photoshop erfunden hat. Die digitale Welt ist groß. Es gilt: Wenn du es denken kannst, dann kannst du es auch tun.
Mangel: Sie haben sich selbst einen guten schlechten Maler, a good bad painter genannt. Was heißt das?
Lynch: Na, vielleicht hätte ich sagen sollen, ich bin ein mittelmäßiger schlechter Maler. Aber wissen Sie, ich bin nun einmal hingerissen von dem Kindischen, dem Kindhaften. Kinder sind frei. Man braucht auch ein gewisses Maß an Freiheit, um neue Wege zu erkunden und um auch Durcheinander und Zerstörung anzurichten.
Aus dieser Zerstörung kann sich dann wie der Vogel Phönix etwas Neues entwickeln. Ich mag keine hübschen, flachen Bilder. Ich mag die Zerstörung, ich mag die Wunden, ich mag Rauch und ich mag Ölflecken. Aus all dem kann Leben entstehen, das kann Dinge heraufbeschwören.
Mangel: Thank you so much!
Lynch: Thank you very much!
Timm: Ein Gespräch mit dem amerikanischen Filmregisseur David Lynch. Die Ausstellung seiner Bilder ist noch bis zum 21. März im Max Ernst Museum in Brühl zu sehen - für alle über 18.
David Lynch: Schwarz ist irgendwie das Unbekannte. Weiß könnte ebenfalls für das Unbekannte stehen. Aber das Schwarz entfaltet eine Sogwirkung. Man fühlt sich hineingezogen und fragt sich dann: Was ist darin? Ein schwarzer Rahmen lässt einen also träumen und vielleicht sogar eintreten.
Alexandra Mangel: Ihr Werk "Pete goes to his girlfriend’s house - Pete geht zum Haus seiner Freundin" zeigt Pete als grob auf den Malgrund geworfene, wild vorwärtsstürmende Figur mit gefletschten Zähnen, Revolver und Messer im Anschlag. Ist Pete so was wie der All American Guy, der amerikanische Junge von nebenan, der Amok läuft?
Lynch: Viele Amerikaner haben Gemeinsamkeiten mit Pete, aber weltweit sieht man, wie Liebe zu Hass werden kann, dieses merkwürdige Geschehen in uns, das uns zu gewalttätigen Ausbrüchen treibt und das dazu führt, dass wir uns gegen die wenden, die wir doch eigentlich lieben sollten.
Mangel: Sie haben gesagt: "love is gone bad", die Liebe, die schlecht wird, böse wird – was meinen Sie damit?
Lynch: Wenn die Liebe nicht erwidert wird, dann wenden wir uns oft gegen diejenigen, die wir eigentlich lieben – beherrscht von Düsternis, Verwirrung und Unwissenheit. Ich mag aber Pete und seine Freundin wirklich, und ich hoffe, dass es letztlich alles zum Guten hinausgeht.
Mangel: Sie haben mal gesagt, das Leben in Amerika sei surreal, das sei gelebter Surrealismus - woran haben Sie da gedacht?
Lynch: Absurditäten. In Amerika schwirren so viele Absurditäten herum, Menschen sagen Dinge, die vollkommen abwegig sind. Ich sehe so viel Verwirrung, so viel falsches, zerstörerisches Denken, etwas, was ich sogar Barbecue-Mentalität nennen möchte.
Mangel: Was heißt das?
Lynch: Na ja, ich liebe diese amerikanischen Grillpartys, diese Barbecues, aber es ist schon auch verstörend. Da gibt es diese Bierwerbung, da heißt es: Du lebst nur einmal, also nimm dir, was du brauchst. Und diese Art Mitnahmementalität, die meine ich. Vieles von dem, was in Amerika vor sich geht, ist im Grunde dieses Theater des Absurden. Dem zuzuschauen, das macht schon Spaß.
Mangel: Sehen Sie viele seltsame Dinge, wenn Sie durch Ihre Nachbarschaft in Los Angeles gehen?
Lynch: Man geht in Los Angeles nicht zu Fuß, man fährt. Aber noch seltsamere Dinge sieht man in Philadelphia, das wird ja die Stadt der brüderlichen Liebe genannt. Als ich in Philadelphia lebte, habe ich gemerkt, das ist das genaue Gegenteil – so viel Krankheit, so viel Verderbtheit, so viel Gewalt, so viel Angst, die ganze Atmosphäre ist geschwängert mit Angst. Selbst wenn man in einem gemauerten Haus lebte, hatte man damals das Gefühl, dass die Wände aus Papier wären, und man hatte das Gefühl, jederzeit könnten irgendwelche Dinge durch die Wände fliegen, die Wände einreißen und auf einen stürzen.
Mangel: Selbst wenn Sie schmelzende Schneemänner in menschenleeren amerikanischen Kleinstadtvorgärten fotografieren – und auch die Serie kann man hier sehen –, man kann nicht anders, man stellt sich hinter diesen amerikanischen Hausfassaden das namenlose Grauen vor. Tun Sie das auch?
Lynch: Ja. Oft fährt man mit dem Auto oder man geht zu Fuß und sieht irgendwo ein Haus stehen. Und weil wir nicht hineinsehen können, fangen wir an uns vorzustellen oder zu träumen, was könnte darin geschehen. Es wäre natürlich schön, wenn da Glückliches oder auch Inspirierendes vor sich ginge. Aber ganz oft ist schon die Fassade ein erster Hinweis darauf, dass etwas in diesem Haus nicht stimmt.
Mangel: Ein Grund für die Warnung der Kuratoren, keine Kinder und Jugendlichen mit in die Ausstellung zu nehmen, ist Ihre Fotoserie "Distorted Nudes", von Ihnen digital manipulierte Aktfotografien. Da sieht man verstümmelte, verzerrte, groteske Frauenkörper, und bei vielen sieht es aus, als wären "The Beauty and the Beast" in einer Figur vereint. Geht es Ihnen darum?
Lynch: Ich liebe es aus irgendwelchen Gründen, wenn die menschliche Gestalt verzerrt ist, das lässt einen Dinge anders wahrnehmen, es bringt einen zum Denken, zum Träumen. Diese verzerrten Gestalten sind für mich schön, sie sind nicht grotesk, überhaupt nicht.
Mangel: Sie haben da mit Photoshop, also mit digitaler Bildbearbeitung gearbeitet?
Lynch: Ja, ich habe mit Photoshop gearbeitet. Das ist eine großartige Erfindung. Ich möchte öffentlich dem Menschen danken, der Photoshop erfunden hat. Die digitale Welt ist groß. Es gilt: Wenn du es denken kannst, dann kannst du es auch tun.
Mangel: Sie haben sich selbst einen guten schlechten Maler, a good bad painter genannt. Was heißt das?
Lynch: Na, vielleicht hätte ich sagen sollen, ich bin ein mittelmäßiger schlechter Maler. Aber wissen Sie, ich bin nun einmal hingerissen von dem Kindischen, dem Kindhaften. Kinder sind frei. Man braucht auch ein gewisses Maß an Freiheit, um neue Wege zu erkunden und um auch Durcheinander und Zerstörung anzurichten.
Aus dieser Zerstörung kann sich dann wie der Vogel Phönix etwas Neues entwickeln. Ich mag keine hübschen, flachen Bilder. Ich mag die Zerstörung, ich mag die Wunden, ich mag Rauch und ich mag Ölflecken. Aus all dem kann Leben entstehen, das kann Dinge heraufbeschwören.
Mangel: Thank you so much!
Lynch: Thank you very much!
Timm: Ein Gespräch mit dem amerikanischen Filmregisseur David Lynch. Die Ausstellung seiner Bilder ist noch bis zum 21. März im Max Ernst Museum in Brühl zu sehen - für alle über 18.