In der Burn-Out-Falle

Von Mechthild Klein |
Burn-Out – innerlich ausgebrannt sein – ist eine Stress-Erkrankung mit immer mehr Betroffenen. Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands hat in der Broschüre "Stay wild statt burn out – Leben im Gleichgewicht" erarbeitet, wie man sich davor schützen kann. Das Buch will sensibilisieren und Grenzen der eigenen Kraft vor Augen führen, um Überforderung abzuwenden.
Sozialpädagogin in Burn-Out-Krise:

"Also ich hatte sonst fast alles, was man so haben kann: Also ich hatte Schlafstörungen, das war das Extremste. Ich hatte jeden Morgen Durchfall, ich hab Essstörungen gehabt, ich konnte nicht mehr richtig essen. Was hatte ich denn noch alles? Ich hab mich ständig gestresst gefühlt und hab immer an die Arbeit gedacht und war nach ganz kurzer Zeit, wenn ich Urlaub hatte, schon wieder urlaubsreif. Also dieses Gefühl, sich immerzu getrieben zu fühlen, das hatte ich ganz doll."

Burn-Out kennt viele Symptome. Aber immer fühlen sich die Menschen bei dieser Erkrankung überlastet. Der Weg in die Stresserkrankung beginnt schleichend. Anke, Anfang 40, arbeitete als Sozialpädagogin. Ihr Aufgabenbereich war anfangs überschaubar, aber dann kamen immer mehr Gebiete hinzu. Sie nahm Arbeit mit nach Hause, erledigte auch am Wochenende Aufgaben, bis sie eines Tages völlig erschöpft und depressiv ihren Dienst quittierte. Eine typische Entwicklung. Sie endet oft in einer Erschöpfungsdepression.

"Ja es war immer so, dass ich gesagt habe, ich schaff das nicht und dann wurde mir gesagt: Du musst! Na ja mit Perspektive, dann und dann wird das noch geändert oder die Gruppen werden zusammengelegt und dann wird das weniger. Und das war aber nie so. Es wurde nie weniger, sondern es kam dann immer das nächste Projekt und die nächste Gruppe, die dann noch aufgebaut werden musste."

Auch ihr Protest gegen die dauernde Mehrarbeit nützte nichts. Immer mehr Kollegen wurden krank und ihr voller Einsatz war verlangt.

"Das hat mich dann auch nicht mehr losgelassen. Es wurde immer mehr Druck und gerade am Ende hab ich meine Arbeit ja auch nicht mehr gut gemacht."

Lothar Mischke: "Wir wollen keine Ratschläge geben, sondern zunächst mal sensibilisieren, die Wahrnehmung schärfen, die Möglichkeit mal zur Selbsthilfe schaffen, vor allem dann, wenn Burn-Out noch nicht, äh, wenn man noch nicht verbrannt ist. Wenn man aber verbrannt ist, dann den dringenden Hinweis: das geht nicht mehr ohne professionelle Hilfe. Also dann braucht’s die Psychotherapie, dann braucht’s wohlmöglich ein Antidepressivum. Das ist ja schon das schwerste Stadium des Burn-Out."

Lothar Mischke aus Braunschweig ist Pfarrer mit einer psychoanalytischen Ausbildung und Co-Autor einer Broschüre zum Thema Burn-Out, herausgegeben von der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands. Wer in einer Burn-Out-Falle steckt, kommt nicht von alleine aus der Stress-Spirale heraus. Der braucht einen Anstoß von außen, sagt Mischke - zum Beispiel durch Supervision.

Lothar Mischke: "Das ist eine arbeitsbezogene psychologische Beratung. Weil man hört da noch mal ’ne andere Meinung, setzt sich damit auseinander und findet wohlmöglich noch einmal andere Wege des Verhaltens und Denkens und Fühlens, als man von alleine drauf kommt. Also von alleine kommt man auf Vieles eben nicht."

Das Buch gibt viele Beispiele von Menschen aus der Bibel oder von Kirchenlehrern, die trotz Bedrängnis versuchten, ihr Leben ins Gleichgewicht zu bringen. Von Bernhard von Clairvaux – dem mittelalterlichen Mystiker des Zisterzienser-Ordens – ist folgende Erkenntnis überliefert. "Gönne Dich Dir selbst. …Sei wie für alle anderen auch für Dich selbst da". Mit anderen Worten: Schenke dem Ich mehr Raum.

Lothar Mischke: "Dem Ich mehr Raum geben, heißt wahrzunehmen, was ich für mein Leben brauche; dass ich das Recht habe, auch Grenzen zu setzen; dass ich Recht habe, abzuschließen. Natürlich kann ich nicht bloß Grenzen setzen und abschließen, ich muss mich auch öffnen. Ich muss auf mich gucken, was ist mir gemäß, was ist meinem Charakter gemäß, meiner eigenen Biographie gemäß und genau darum geht es beim Thema Burn-Out."

Das will erst einmal erkannt werden. Die Burn-Out-Erkrankten kämpfen nämlich gegen den Druck von allen Seiten. Gegen die Vorgesetzten, die die Arbeit verteilen. Gegen die Freunde, die sich beklagen, weil für sie keine Zeit mehr da ist. Gegen vernachlässigte Partner und Kinder. Der so Überlastete läuft in seinem Hamsterrad immer weiter, obwohl er längst erkannt hat, in welchem Dilemma er sich befindet. Er versucht die Defizite durch Mehrarbeit in den Griff zu bekommen.

Charly: "Und das hab ich bei Anke auch gesehen, dass diese Grenzen lange überschritten waren. Und das sah ich dann, wenn sie nachts nicht schlafen konnte. Wenn sie morgens aus dem Bett kam und total fertig war. Und sie tat mir einerseits leid. Auf der anderen Seite war ich auch sauer darüber. Weil sie einfach nicht Schluss macht, also an dieser Stelle."

Der Partner fühlt sich oft genauso hilflos neben dem Burn-Out-Opfer. Denn
Appelle, mehr Pausen zu machen oder weniger zu arbeiten, helfen einfach nicht weiter. Forderungen verstärken nur noch mehr das schlechte Gewissen, sagt Pastor Lothar Mischke. Es wächst zu einem Schuldgefühl heran. Auch mit professioneller Hilfe braucht es dann Zeit, neue Einsichten zu gewinnen und neue Erfahrungen damit zu machen. Im Buch wird die biblische Geschichte von Elia erzählt und gedeutet. Der Prophet kam in eine tiefe Krise, nachdem er ein Gemetzel unter den Gläubigen des konkurrierenden Baal-Kultes angerichtet hatte. Erschöpft und sinnentleert ging er in die Wüste und wollte sterben. Nach der biblischen Erzählung schickte ihm Gott einen Engel, er ihn versorgte und später offenbarte sich ihm Gott. Elias Krise hat Ähnlichkeit mit dem Erschöpfungssyndrom des Burn-Out.

Lothar Mischke: "Die Krise signalisiert den Punkt, wo es dann entweder schlechter wird oder wieder zum Guten kommt. Das heißt, dass sich am Krisenpunkt möglicherweise etwas in mir verändert und mir neue Stärkung von Lebensgewissheit gibt. Und das ist in diesem Falle geschehen. Aber man muss wirklich erstmal zur Ruhe kommen. Der Elia war so am Ende, dass er ja gesagt hat: Ich will nicht mehr! Das heißt, ich will sterben. Ich bin absolut müde. Und es braucht die Zeit zur Regeneration und auch neue Lebensideen oder neue Bilder von sich – dass er eben nicht der ist, der nur dazu da ist, mit Schwert und Power durch diese Welt zu gehen und für seinen Gott zu kämpfen. Das ist überhaupt nicht nötig. Das will dieser Gott gar nicht."

So halfen Elia nicht Forderungen aus der Krise, sagt der Pastoralpsychologe Mischke, sondern eine fürsorgliche Zuwendung Gottes.

Lothar Mischke: "Aber was auch dazu gehört, ist, dass ich mich nicht nur über die Leistung definiere, sondern dass ich darum weiß, die evangelische Theologie betont die Würde des Menschen unabhängig von seiner Leistung. Und das ist ja ein großer Schatz, dem man sich da auch nähern kann."

Susanne Breit Keßler, Norbert Dennerlein: Stay wild statt burn out – Leben im Gleichgewicht
Gütersloher Verlagshaus
124 Seiten, 6,95 Euro
Burn-Out-Broschüre - Kostenloser Download