Film "In einem Land, das es nicht mehr gibt"

Als Mannequin in der DDR

10:46 Minuten
Marlene Burow steht im Filmstill in einem champagnerfarbenen Seidenkleid in einer Fabrik vor drei Frauen in Arbeitsanzügen.
In der Straßenbahn auf dem Weg zu ihrer Bewährungsarbeit in der Fabrik wird Susi von einem Fotografen entdeckt. "In einem Land, das es nicht mehr gibt" erzählt von einer Modelkarriere in der DDR. © Tobis Film GmbH & Co. KG
Aelrun Goette im Gespräch mit Susanne Burg |
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"In einem Land, das es nicht mehr gibt" schildert die unverhoffte Mannequin-Karriere von Suzie. Regisseurin Aelrun Goette hat Teile der Geschichte selbst erlebt. Im Gespräch erzählt sie, welche Hindernisse sie für den Film aus dem Weg räumen musste.
Seit kurzem läuft „In einem Land, das es nicht mehr gibt“ in unseren Kinos. Er wirft einen Blick auf die Modewelt der DDR – mit all ihren schillernden Figuren. Im Zentrum steht Suzie, die kurz vor dem Abitur im Ost-Berlin des Jahres 1989 von der Schule fliegt und anfängt, im Kabelwerk Oberspree zu arbeiten.
Auf dem Weg zur Arbeit wird sie in der Straßenbahn fotografiert. Dieses Foto öffnet ihr die Tür zur Welt der Mode von VHB Exquisit, dem Luxusmodeunternehmen der DDR. Sie wird zum Covergirl und taucht ein in die schillernde Kultur des Ostberliner Undergrounds. All das erzählt Drehbuchautorin und Regisseurin Aelrun Goette in ihrem Film.
 Der Film basiert in einigen Teilen auf ihrer eigenen Geschichte. Sie ist in den 80er-Jahren auf der Straße in Ostberlin als „Mannequin“ entdeckt worden und hat dann gemodelt.

Das Klischeebild vom Osten ist schwarz-weiß

Vor etwa 14 Jahren habe sie angefangen, die Geschichte aufzuschreiben, erzählt sie. Den Durchbruch, das zu verfilmen, habe sie jedoch zunächst nicht erreicht. „Irgendwann merkte ich, dass sich über den Blick auf den Osten eine Schablone gelegt hat, der dieser Film widerspricht", sagt sie.

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Von einer jungen Bonner Historikerin habe sie gelernt, dass in Bezug auf den Osten die "totalitarismustheoretische Lesart" dominiere: Aus dem Osten kenne man hauptsächlich Täter, Opfer oder Zeitzeugen.

Ich habe gemerkt, dass die Vielfalt der Menschen, denen ich im Osten begegnet bin und mit denen ich befreundet war, diese ganzen Nischen, dieses ganze Bunte einer Vorstellung von diesem Land, von dieser Diktatur widerspricht.

Regisseurin Aelrun Goette

Dazu komme, dass sich zunächst niemand Mode, Glamour und Osten zusammen habe vorstellen können.

Unverhoffte Nischen und Freiräume

Irgendwann habe sie in einem Lookbook die ganze ehemalige DDR-Mode in einem Buch zusammengefasst. „Das hat dann die Leute überzeugt.“ Nun habe sich jeder vorstellen können, wie glamourös, außergewöhnlich und gegen alle Vorstellungen es in der DDR gewesen sei.

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Im Schreibprozess habe sie festgestellt, dass sie diese Schablone auch für sich erst einmal habe wegräumen müssen. Ihre dicke Stasi-Akte habe den Blick auf die DDR verändert. Sie habe sich daher erst wieder in die Leichtigkeit hineinbegeben müsse, die sie damals auch gespürt habe.
Diese Leichtigkeit habe auch mit dem Alter zu tun. „Mit 18 ist man ja immer noch revolutionär.“ Das sei sie natürlich auch gewesen: Dieses unbändige Freiheitsgefühl in einer Zeit, Ende der 1980er, als sich die DDR bereits im Zusammenbruch befand.  
„Und das ist ja nicht untypisch für untergehende Gesellschaften, dass sich da Nischen, Freiräume, dass Bruchstellen sich bilden, in denen Dinge möglich sind, die in den 60ern oder 70ern noch nicht möglich waren."

Die Umstände zwingen sie zum Handeln

Sie habe sehr viel recherchiert, um den Zuschauenden einen genauen Blick anbieten zu können, sei es die Mode oder die Details am Set.
Ihre Hauptfigur kommt – wie Regisseurin Goette selbst – aus einem bürgerlichen Umfeld. In sofern habe ihre Zukunft relativ genau vor ihr gelegen: Sie würde Abitur machen, Literatur studieren, ein fröhliches Studentenleben haben – „so stellt sie sich das vor“.
Als ihre Filmfigur mit einem Roman – "1984" von George Orwell – erwischt wird, wenden sich die Umstände gegen sie. „Und da wird sie erst Mal hin- und hergeworfen, ehe sie dann reift und selber aus den Umständen heraus aktiv wird.“ Das sei aber weniger typisch für die DDR, sondern eher für junge Menschen überhaupt.

Der Traum von der Freiheit

Die dramaturgische Herausforderung für sie als Drehbuchauchtorin und Regissurin war zunächst: Die Hauptfigur möchte gar nicht Mannequin werden. „Der Traum, von dem sie noch gar nicht weiß, dass sie ihn hat, ist frei zu sein", sagt Goette.
Sie werde durch die Umstände aus der Bahn geworfen, finde etwas, das sie gar nicht gesucht habe und entdecke darin einen Platz, an dem sie gerne sein wolle.
Claudia Michelsen und Sabin Tambrea stehen im Filmstill hinter dem Schreibtisch einer Moderedaktion. Michaelsen hält eine Ausgabe der "Sibylle" in der Hand.
Regisseurin Aelrun Goette modelte früher selbst für die "Sibylle".© Tobis Film GmbH & Co. KG
Die Figuren seien alle sehr ambivalent: Sie arbeiten mit dem System zusammen, weil sie es müssen. „Gleichzeitig sehen wir aber, wie sie das System unterwandern.“ Diese Ambivalenz sei ganz typisch für Menschen in totalitären Systemen: "Sie müssen irgendwie innerhalb des Systems aktiv werden, und gleichzeitig lehnen sie es aber ab."
Dieses Spannungsfeld habe sie erzählen wollen. „Sehr häufig werden wir mit Bildern konfrontiert, die sehr Schwarz-weiß sind. Und so habe ich die DDR nicht erlebt.“

Ein aufrechtes, starkes, selbstbewusstes Frauenbild

Ute Mahler, Fotografin unter anderem der Agentur Ostkreuz, fotografierte seinerzeit Aelrun Goette für den VHB Exquisit. Für den Film hat Mahler die Modestrecken fotografiert. Mahler sei in ihren Augen eine Gesellschaftsfotografin gewesen, sagt Goette.
Jede Fotografin habe „ihre“ Models gehabt, die sie interessant oder toll fand. „Ute Mahler hatte so ein aufrechtes, starkes, ernsthaftes, selbstbewusstes Frauenbild“, erinnert sich Regisseurin Goette. Ihr frauliches Selbstbewusstsein mit 18 sei nicht sehr ausgeprägt gewesen.
Umso mehr sei sie erstaunt gewesen, als sie die eigenen Fotos in der "Sibylle" gesehen habe: „Das bin ich, aber das bin ich auch überhaupt nicht.“ So sei ein Dialog mit den Fotos entstanden: „So, wie Ute mich gesehen hat, wär ich gern. Und in das will ich hineinwachsen.“
(ros)
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