In Europa wächst die Angst vor Deutschlands Dominanz
Führung und Überwachung? Besonders bei den kleineren Ländern Europas herrscht die Angst, man könnte von allzu rigiden Vorgaben aus Berlin gesellschaftlich und sozial erdrückt werden. Deutschland sollte seinen Partnern stattdessen Hoffnung und Motivation geben, meint Thomas Mayer.
Was für eine erfolgreiche Woche für Deutschland und seine Kanzlerin!
Zuerst startete Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in Paris in den Wahlkampf. Dabei kündigt er an, dass es ein Wirtschaftsprogramm à la française nicht geben könne. Nein, ganz so wie die Deutschen es gemacht haben, wolle er das Land und sein Budget nun reformieren.
Am Montag dann der EU-Gipfel in Brüssel: Dabei wird der sogenannte Fiskalpakt vereinbart, eine verschärfte Variante des geltenden Stabilitätspaktes für noch mehr Haushaltsdisziplin.
Daneben gibt es die Einigung, dass der permanente Euro-Rettungsfonds um ein Jahr vorgezogen bzw. ganz nach den harten Regeln des Internationalen Währungsfonds nachgebaut wird. Auch das hat Deutschland sich von Anfang an so gewünscht, als ab Anfang 2010 zuerst Griechenland, dann Irland, dann Portugal, dann Italien Richtung Zahlungsunfähigkeit rutschten.
Kaum wieder in Berlin gelandet, durfte Angela Merkel sich dann über eine Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit freuen: nur 3,1 Millionen Arbeitslose in Deutschland, so wenige wie seit 20 Jahren nicht mehr.
Aber schon ist die Kanzlerin auf dem Weg nach China zu Premier Wen Jiabao. Ihm erklärt sie, wie Europa jetzt noch mehr zusammenwachsen werde, nach ihrer Handschrift. Wen sagt zu, dass sein Land eine Beteiligung an den Euro-Hilfen erwäge. Das wäre dringend nötig. Es braucht viele hundert Milliarden an Krediten, um die Eurozone gegen Spekulation zu schützen. Im Besonderen gilt das für Griechenland.
Als die Kanzlerin Freitag von China nach Hause zurückflog, schien auch in Athen endlich etwas weiterzugehen. Private Gläubiger, also Banken und Versicherungen, sollten sich mit der Regierung am Wochenende über einen Schuldenschnitt von 100 Milliarden Euro einigen.
Für die Griechen, den Euro und Deutschland wäre das eine wichtige Etappe, um das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen. Und das alles wäre dann vor allem ein Erfolg für die deutsche Kanzlerin.
Also, alles paletti, tous va bien, alles wird gut in Europa, durch und mit Deutschland? Leider Nein. Das Misstrauen gegenüber Deutschland und seiner Dominanz wächst: atmosphärisch und politisch.
Es gibt die Angst, man könnte von allzu rigiden Vorgaben aus Berlin gesellschaftlich und sozial erdrückt werden. Insbesondere die kleinen Länder klagen über mangelnde Mitsprache. Sarkozy wird von seinen Gegnern in Frankreich inzwischen als "kleiner Gerhard Schröder" verhöhnt. Sein chancenreicher Gegner, der Sozialist Francois Hollande, hat schon angekündigt, den Fiskalpakt neu verhandeln zu wollen, sollte er Präsident werden.
Aber nichts brachte die Verunsicherung beim EU-Gipfel stärker zum Ausdruck als der abgeschmetterte Vorschlag, man müsse Griechenland einen eigenen Sparkommissar von außen vor die Nase setzen, der alle Vollmachten bekomme.
Dass die Griechen darüber kollektiv empört waren, überraschte nicht. Aber es fiel doch auf, wie stark sonst enge Verbündete der Kanzlerin rhetorisch auf Distanz gingen: "Unakzeptabel" sei das, sagte Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker. Man müsse seine Partner, denen man ohnehin viel abverlange, nicht auch noch beleidigen, befand der österreichische Kanzler Werner Faymann.
Hinter vorgehaltener Hand fallen die Kommentare noch deftiger aus. Vor allem die Gemeinschaftsinstitutionen, wie die Kommission und das Europaparlament, fühlen sich durch die forschen Durchgriffe aus Berlin zunehmend düpiert.
Das müsste eine deutsche Kanzlerin schön langsam mit einer gewissen Sorge erfüllen. Ihre Regierung ist in der Eurokrise unschlagbar im Druckausüben. Deutschland ist wirtschaftlich reich, aber es gibt einen Überschuss an kaltem technisch-ökonomischem Vokabular. Im Gegenzug mangelt es an Sensibilität für die realen Nöte und Bedürfnisse in den EU-Partnernationen, die nicht so tüchtig und erfolgreich waren wie Deutschland. So bröckelt der Zusammenhalt.
Mit Druck allein lässt sich Europa nicht zu einer immer engeren Gemeinschaft zusammenbauen. Dafür braucht es im entscheidenden Moment vor allem Vertrauen zwischen den handelnden Personen, ja sogar Großzügigkeit. Das hat die Europäische Union in den vergangenen Jahrzehnten groß, und Deutschland mitten im Kontinent reich gemacht. Man kann Partnern nicht ständig nur sagen, sie brauchten jetzt "Führung und Überwachung", wie Vizekanzler Philipp Rösler sich ausdrückte. Irgendwann muss man – auch den eigenen Mitbürgern – Hoffnung und Motivation geben und sagen: "Gemeinsam packen wir das!"
Zuerst startete Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in Paris in den Wahlkampf. Dabei kündigt er an, dass es ein Wirtschaftsprogramm à la française nicht geben könne. Nein, ganz so wie die Deutschen es gemacht haben, wolle er das Land und sein Budget nun reformieren.
Am Montag dann der EU-Gipfel in Brüssel: Dabei wird der sogenannte Fiskalpakt vereinbart, eine verschärfte Variante des geltenden Stabilitätspaktes für noch mehr Haushaltsdisziplin.
Daneben gibt es die Einigung, dass der permanente Euro-Rettungsfonds um ein Jahr vorgezogen bzw. ganz nach den harten Regeln des Internationalen Währungsfonds nachgebaut wird. Auch das hat Deutschland sich von Anfang an so gewünscht, als ab Anfang 2010 zuerst Griechenland, dann Irland, dann Portugal, dann Italien Richtung Zahlungsunfähigkeit rutschten.
Kaum wieder in Berlin gelandet, durfte Angela Merkel sich dann über eine Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit freuen: nur 3,1 Millionen Arbeitslose in Deutschland, so wenige wie seit 20 Jahren nicht mehr.
Aber schon ist die Kanzlerin auf dem Weg nach China zu Premier Wen Jiabao. Ihm erklärt sie, wie Europa jetzt noch mehr zusammenwachsen werde, nach ihrer Handschrift. Wen sagt zu, dass sein Land eine Beteiligung an den Euro-Hilfen erwäge. Das wäre dringend nötig. Es braucht viele hundert Milliarden an Krediten, um die Eurozone gegen Spekulation zu schützen. Im Besonderen gilt das für Griechenland.
Als die Kanzlerin Freitag von China nach Hause zurückflog, schien auch in Athen endlich etwas weiterzugehen. Private Gläubiger, also Banken und Versicherungen, sollten sich mit der Regierung am Wochenende über einen Schuldenschnitt von 100 Milliarden Euro einigen.
Für die Griechen, den Euro und Deutschland wäre das eine wichtige Etappe, um das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen. Und das alles wäre dann vor allem ein Erfolg für die deutsche Kanzlerin.
Also, alles paletti, tous va bien, alles wird gut in Europa, durch und mit Deutschland? Leider Nein. Das Misstrauen gegenüber Deutschland und seiner Dominanz wächst: atmosphärisch und politisch.
Es gibt die Angst, man könnte von allzu rigiden Vorgaben aus Berlin gesellschaftlich und sozial erdrückt werden. Insbesondere die kleinen Länder klagen über mangelnde Mitsprache. Sarkozy wird von seinen Gegnern in Frankreich inzwischen als "kleiner Gerhard Schröder" verhöhnt. Sein chancenreicher Gegner, der Sozialist Francois Hollande, hat schon angekündigt, den Fiskalpakt neu verhandeln zu wollen, sollte er Präsident werden.
Aber nichts brachte die Verunsicherung beim EU-Gipfel stärker zum Ausdruck als der abgeschmetterte Vorschlag, man müsse Griechenland einen eigenen Sparkommissar von außen vor die Nase setzen, der alle Vollmachten bekomme.
Dass die Griechen darüber kollektiv empört waren, überraschte nicht. Aber es fiel doch auf, wie stark sonst enge Verbündete der Kanzlerin rhetorisch auf Distanz gingen: "Unakzeptabel" sei das, sagte Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker. Man müsse seine Partner, denen man ohnehin viel abverlange, nicht auch noch beleidigen, befand der österreichische Kanzler Werner Faymann.
Hinter vorgehaltener Hand fallen die Kommentare noch deftiger aus. Vor allem die Gemeinschaftsinstitutionen, wie die Kommission und das Europaparlament, fühlen sich durch die forschen Durchgriffe aus Berlin zunehmend düpiert.
Das müsste eine deutsche Kanzlerin schön langsam mit einer gewissen Sorge erfüllen. Ihre Regierung ist in der Eurokrise unschlagbar im Druckausüben. Deutschland ist wirtschaftlich reich, aber es gibt einen Überschuss an kaltem technisch-ökonomischem Vokabular. Im Gegenzug mangelt es an Sensibilität für die realen Nöte und Bedürfnisse in den EU-Partnernationen, die nicht so tüchtig und erfolgreich waren wie Deutschland. So bröckelt der Zusammenhalt.
Mit Druck allein lässt sich Europa nicht zu einer immer engeren Gemeinschaft zusammenbauen. Dafür braucht es im entscheidenden Moment vor allem Vertrauen zwischen den handelnden Personen, ja sogar Großzügigkeit. Das hat die Europäische Union in den vergangenen Jahrzehnten groß, und Deutschland mitten im Kontinent reich gemacht. Man kann Partnern nicht ständig nur sagen, sie brauchten jetzt "Führung und Überwachung", wie Vizekanzler Philipp Rösler sich ausdrückte. Irgendwann muss man – auch den eigenen Mitbürgern – Hoffnung und Motivation geben und sagen: "Gemeinsam packen wir das!"