"In gegenseitigem Einvernehmen"

Moderation: Dieter Kassel |
Der Gründungsdirektor des Zentrums für Türkeistudien (ZfT), Faruk Sen, war in die Kritik geraten, weil er die Situation der in Europa lebenden Türken mit der Lage der Juden während der NS-Zeit verglichen hatte. Hintergrund für die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses seien nach Ansicht des Publizisten Eberhard Seidel allerdings vor allem Konflikte im ZfT gewesen, die nicht offen ausgetragen wurden.
Das Anstellungsverhältnis des umstrittenen Direktors des Essener Zentrums für Türkeistudien (ZfT), Faruk Sen, wird in gegenseitigem Einvernehmen zum 31. Dezember gelöst, teilte das nordrhein-westfälische Integrationsministerium in Düsseldorf mit. Zunächst werde Sen freigestellt, um die Aufbauarbeit für die geplante deutsch-türkische Universität in Izmir zu leisten.

Über das Ende der Arbeit des Gründungsdirektors des ZfT nach 23 Jahren sprach Deutschlandradio Kultur mit dem Publizisten und Integrationsexperten Eberhard Seidel. Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Gespräch:

Dieter Kassel: Das überrascht ein bisschen, wo doch Faruk Sen noch vor wenigen Tagen sagte, er werde diesen Posten nicht freiwillig räumen. Er fühle sich im Recht. Ist das nun eine Art Schuldeingeständnis von Faruk Sen?

Eberhard Seidel: Ich glaube nicht, dass es ein Schuldeingeständnis ist. Wofür sollte er die Schuld eingestehen – antisemitisch zu sein? Ich glaube nicht, dass es darum geht. Der Mann ist beschädigt auf Grund der Diskussion in den letzten Wochen. Und es ist sicher für alle Beteiligten besser, wenn jetzt eine einvernehmliche Lösung gefunden wird, dass er in Zukunft beim Aufbau der deutsch-türkischen Universität in Izmir ein neues Betätigungsfeld haben wird. Ich denke, es gab hinter dieser Diskussion und um seinen Vergleich des Schicksals der Juden und der Türken in Europa sicherlich Konfliktlagen im Zentrum für Türkeistudien, die nicht offen ausgetragen worden sind. Und es scheint das Ende einer langen Leidensgeschichte innerhalb des Zentrums zu sein, jetzt an diesem Punkt zu sagen, wir trennen uns einvernehmlich, ohne das Ganze noch vor dem Arbeitsgericht eskalieren zu lassen.

(…)

Kassel: Was sind die Hintergründe für die Rangeleien am Institut?

Seidel: Kenner der Szenerie und auch der Migrationsforschung werfen Faruk Sen seit langem vor, dass seine Studien alles andere als immer seriös sind, dass er Schnellschüsse der wissenschaftlichen Forschung präsentiert. Dass es durchaus Kritik an seiner Qualifikation als Wissenschaftler gibt oder an bestimmten Untersuchungen, ich denke, dass da ein Konflikt zu suchen ist und möglicherweise auch in seinem Führungsstil innerhalb des Zentrums für Türkeistudien. Also er ist König in einem Königreich gewesen und unhinterfragter Herrscher und Bestimmer dessen, was dort passiert. Und da gab es mit Sicherheit, wie das häufiger ist in Institutionen, Versuche, eine in die Kritik geratene Führungsperson loszuwerden.

Sie können das vollständige Gespräch mindestens bis zum 15.12.08 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.