"In Gottes Augen sind alle Menschen legal"
Die katholische Kirche in den USA setzt sich für Regelungen ein, die Immigranten den Weg zur Staatsbürgerschaft ebnen sollen. Kardinal Roger Mahony aus Los Angeles steht an der Spitze dieser Bewegung, ist aber nicht unumstritten.
In den USA leben mehr als elf Millionen illegale Einwanderer. Seit Jahren wird über eine umfassende Reform der US-Immigrationspolitik diskutiert, doch die Politiker in Washington können sich bei dem kontroversen Thema nicht auf einen Kompromiss einigen. Die katholische Kirche in den USA setzt sich für eine Reform ein, die Immigranten den Weg zur Staatsbürgerschaft ermöglicht.
Einer ihrer Wortführer kommt aus Los Angeles: Kardinal Roger Mahony. Der Leiter der größten Erzdiözese der USA ist wegen seiner Rolle im Kindesmissbrauchskandal der katholischen Kirche unter Druck geraten. Beim Einsatz für Einwanderer findet er dagegen große Unterstützung in seiner Gemeinde und nutzt viele Wege, um seine Position deutlich zu machen.
Kardinal Roger Mahony wendet sich gerne direkt an die hispanischen Mitglieder seiner Gemeinde. Auf der Internetseite der Erzdiözese von Los Angeles forderte er sie beispielsweise auf Spanisch zur Teilnahme an der Volkszählung auf. Pressekonferenzen hält der 74-jährige Kardinal meistens zweisprachig und regelmäßig meldet er sich bei Demonstrationen für eine umfassende Reform der Einwanderungspolitik auf Englisch und Spanisch zu Wort:
"In Gottes Augen sind alle Menschen legal. Wir sind vereint im Kampf um Rechte für die, die keine Papiere haben. Wir werden für ein gerechtes Gesetz kämpfen, das alle aus dem Schatten der Illegalität holt und ihnen die Möglichkeit gibt, legale Staatsbürger zu werden."
Kardinal Mahony leitet seit 25 Jahren die größte Erzdiözese der USA mit rund fünf Millionen aktiven Mitgliedern. Fast drei Viertel von ihnen sind lateinamerikanischer Herkunft. Mahony bestreitet aber, sich nur aus taktischem Kalkül für die Einwanderer ohne US-Aufenthaltsgenehmigung zu engagieren, die für die katholische Kirche in den USA so wichtig sind. Nein, sagt er, er habe seit seiner Jugend in einer von Landwirtschaft geprägten Region nördlich von Los Angeles Position für die Einwanderer bezogen.
Roger Mahony hatte als 12-jähriger in der Geflügelfabrik seines Vaters entsetzt mit angesehen, wie bei eine Razzia der Immigrationsbehörden mehrere langjährige Mitarbeiter festgenommen und später abgeschoben wurden, weil sie keine Papiere hatten. In den sechziger Jahren demonstrierte der junge Geistliche mit Gewerkschaften für mehr Rechte und bessere Bezahlung von Hilfsarbeitern in der Landwirtschaft.
Im 21. Jahrhundert setzt Kardinal Mahony in seinem Kampf um eine humane Reform der Einwanderungspolitik auch neue Medien ein. Regelmäßig schreibt er einen Blog und hat eine eigene Internetseite geschaffen - "Facesofimmigrants.org" - übersetzt: "Gesichter von Immigranten":
"Ich freue mich sehr darüber, Ihnen heute einige der Geschichten unserer migrantischen Brüder und Schwestern, die Immigranten sind, vorzustellen. Sie sind Menschen wie Du und ich. Ich lade Sie ein, ihnen sorgfältig zuzuhören, denn ich glaube, dass Sie viele Parallelen zwischen ihrem Leben und dem Leben, den Geschichten unserer Familien finden werden."
Auf der Seite werden drei typische Schicksale von Einwanderern ohne Aufenthaltsgenehmigung in den USA vorgestellt: Da ist der 23-jährige Raoul, der als Baby von seinen Eltern illegal über die Grenze gebracht wurde. Ohne Papiere findet er trotz guten Schulabschlusses keine angemessene Arbeit, kann den Führerschein nicht machen, nicht wählen, nicht reisen und lebt mit der Angst, abgeschoben zu werden.
Juan und Maria erzählen, warum ihre Eltern aus Guatemala beschlossen, in den USA nach Arbeit zu suchen und eine bessere Zukunft für ihre Familie zu schaffen.
Gabbys Vater wurde vor ein paar Jahren abgeschoben. Mitarbeiter der Einwanderungsbehörde holten ihn eines Morgens ab, als sich die 16-Jährige auf den Weg zur Schule machte:
"Wenn meine Mutter unterwegs ist, passe ich auf meine Geschwister auf. Ich hoffe immer, dass ihr nichts passiert. Ich habe Angst, dass sie eines Tages verschwindet wie mein Vater, habe Angst, dass sie sie mitnehmen. Sie ist die einzige, die weiß, was wir brauchen. Wenn sie eine Stunde zu spät dran ist, warte ich mit meinen jüngeren Brüdern neben der Haustür darauf dass sie nach Hause kommt."
Der Vorsitzende der Erzdiözese von Los Angeles wird von der US-Bischofskonferenz in seinem Einsatz zur Verbesserung der Lage für Einwanderer ohne Aufenthaltsgenehmigung unterstützt. Bischoff John Wester, Vorsitzender der Bischofskommission für Immigrationsfragen:
"Einwanderer sind keine Kriminellen. Sie sind unsere Schwestern und Brüder in Christus. Sie kommen, um zu arbeiten und ihre Familien zu unterstützen, nicht um uns Schaden zuzufügen. Wir müssen daran denken, dass sie Menschen sind, die dieselben Werte und Sehnsüchte haben wie wir, die Teil der US-Gesellschaft sein und sich an unsere Regeln halten wollen."
Der Einsatz des Kardinals für soziale Gerechtigkeit und eine Reform der US-Einwanderungspolitik mit der Möglichkeit zur Staatsbürgerschaft wird überschattet von Vorwürfen gegen Mahony im Zusammenhang mit dem Kindesmissbrauchskandal in der katholischen Kirche. In den 80er- und 90er-Jahren reagierte Mahony auf Missbrauchsvorwürfe gegen Geistliche aus seinem Zuständigkeitsbereich mit Versetzungen und Verschleierungen. Im Juli 2007 einigte sich die Erzdiözese von Los Angeles mit mehr als 500 Klägern, die Geistlichen Missbrauch vorwarfen, außergerichtlich auf eine Entschädigungssumme von 660 Millionen Dollar. Die höchste Summe, die bisher im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche gezahlt wurde.
Mahony entschuldigte sich bei Missbrauchsopfern für sein Handeln. Fragen nach seiner Rolle im Missbrauchsskandal weicht er aber konsequent aus. Er spricht lieber über seine Position zur Einwanderungspolitik. Doch der Kardinal bot auch in seinem Einsatz für illegale Immigranten eine Angriffsfläche: In seinem Blog verglich er das Gesetze über verschärfte Personenkontrollen zur Bekämpfung von illegaler Einwanderung in Arizona mit den Anfängen der Judenverfolgung durch das Nazi-Regime. Diese Äußerungen riefen in den USA scharfe Kritik hervor.
Jüdische Organisationen forderten von Mahony eine Klarstellung seiner Position. Vereinigungen, die sich für die Rechte von Einwanderern einsetzen, gingen auf Distanz. Clarissa Martinez, Vorsitzende der Organisation ‚La Raza’:
"Wir können die beschämenden Vorgänge in Arizona nicht mit dem systematischen Massenmord an Juden in den von Nazis besetzten Gebieten vergleichen. Wir müssen unsere Stimmen gegen die Vorgänge in Arizona erheben, aber wir dürfen nicht eines der dunkelsten Kapitel unserer Geschichte trivialisieren."
Ein Gericht stoppte inzwischen vorläufig die schärfsten Regelungen des Gesetzes von Arizona, nachdem das Bundesjustizministerium und mehrere US-Menschenrechtsorganisationen dagegen Klage einreichten. Doch mehrere US-Bundesstaaten arbeiten an Varianten des Gesetzes, das laut einer Umfrage fast 60 Prozent der US-Bevölkerung befürworten. Für Kardinal Mahony ist das Grund genug, um weiter für eine umfassende Reform der Einwanderungspolitik zu kämpfen. In der Kathedrale von Los Angeles, auf der Straße mit Demonstranten und auf seiner Internetseite:
"Das alles ist Teil der Gesellschaftslehre unserer Kirche, es geht zurück auf das alte Testament und später auf Jesus, der uns im Evangelium sagte, die Fremden in unserer Mitte willkommen zu heißen."
Einer ihrer Wortführer kommt aus Los Angeles: Kardinal Roger Mahony. Der Leiter der größten Erzdiözese der USA ist wegen seiner Rolle im Kindesmissbrauchskandal der katholischen Kirche unter Druck geraten. Beim Einsatz für Einwanderer findet er dagegen große Unterstützung in seiner Gemeinde und nutzt viele Wege, um seine Position deutlich zu machen.
Kardinal Roger Mahony wendet sich gerne direkt an die hispanischen Mitglieder seiner Gemeinde. Auf der Internetseite der Erzdiözese von Los Angeles forderte er sie beispielsweise auf Spanisch zur Teilnahme an der Volkszählung auf. Pressekonferenzen hält der 74-jährige Kardinal meistens zweisprachig und regelmäßig meldet er sich bei Demonstrationen für eine umfassende Reform der Einwanderungspolitik auf Englisch und Spanisch zu Wort:
"In Gottes Augen sind alle Menschen legal. Wir sind vereint im Kampf um Rechte für die, die keine Papiere haben. Wir werden für ein gerechtes Gesetz kämpfen, das alle aus dem Schatten der Illegalität holt und ihnen die Möglichkeit gibt, legale Staatsbürger zu werden."
Kardinal Mahony leitet seit 25 Jahren die größte Erzdiözese der USA mit rund fünf Millionen aktiven Mitgliedern. Fast drei Viertel von ihnen sind lateinamerikanischer Herkunft. Mahony bestreitet aber, sich nur aus taktischem Kalkül für die Einwanderer ohne US-Aufenthaltsgenehmigung zu engagieren, die für die katholische Kirche in den USA so wichtig sind. Nein, sagt er, er habe seit seiner Jugend in einer von Landwirtschaft geprägten Region nördlich von Los Angeles Position für die Einwanderer bezogen.
Roger Mahony hatte als 12-jähriger in der Geflügelfabrik seines Vaters entsetzt mit angesehen, wie bei eine Razzia der Immigrationsbehörden mehrere langjährige Mitarbeiter festgenommen und später abgeschoben wurden, weil sie keine Papiere hatten. In den sechziger Jahren demonstrierte der junge Geistliche mit Gewerkschaften für mehr Rechte und bessere Bezahlung von Hilfsarbeitern in der Landwirtschaft.
Im 21. Jahrhundert setzt Kardinal Mahony in seinem Kampf um eine humane Reform der Einwanderungspolitik auch neue Medien ein. Regelmäßig schreibt er einen Blog und hat eine eigene Internetseite geschaffen - "Facesofimmigrants.org" - übersetzt: "Gesichter von Immigranten":
"Ich freue mich sehr darüber, Ihnen heute einige der Geschichten unserer migrantischen Brüder und Schwestern, die Immigranten sind, vorzustellen. Sie sind Menschen wie Du und ich. Ich lade Sie ein, ihnen sorgfältig zuzuhören, denn ich glaube, dass Sie viele Parallelen zwischen ihrem Leben und dem Leben, den Geschichten unserer Familien finden werden."
Auf der Seite werden drei typische Schicksale von Einwanderern ohne Aufenthaltsgenehmigung in den USA vorgestellt: Da ist der 23-jährige Raoul, der als Baby von seinen Eltern illegal über die Grenze gebracht wurde. Ohne Papiere findet er trotz guten Schulabschlusses keine angemessene Arbeit, kann den Führerschein nicht machen, nicht wählen, nicht reisen und lebt mit der Angst, abgeschoben zu werden.
Juan und Maria erzählen, warum ihre Eltern aus Guatemala beschlossen, in den USA nach Arbeit zu suchen und eine bessere Zukunft für ihre Familie zu schaffen.
Gabbys Vater wurde vor ein paar Jahren abgeschoben. Mitarbeiter der Einwanderungsbehörde holten ihn eines Morgens ab, als sich die 16-Jährige auf den Weg zur Schule machte:
"Wenn meine Mutter unterwegs ist, passe ich auf meine Geschwister auf. Ich hoffe immer, dass ihr nichts passiert. Ich habe Angst, dass sie eines Tages verschwindet wie mein Vater, habe Angst, dass sie sie mitnehmen. Sie ist die einzige, die weiß, was wir brauchen. Wenn sie eine Stunde zu spät dran ist, warte ich mit meinen jüngeren Brüdern neben der Haustür darauf dass sie nach Hause kommt."
Der Vorsitzende der Erzdiözese von Los Angeles wird von der US-Bischofskonferenz in seinem Einsatz zur Verbesserung der Lage für Einwanderer ohne Aufenthaltsgenehmigung unterstützt. Bischoff John Wester, Vorsitzender der Bischofskommission für Immigrationsfragen:
"Einwanderer sind keine Kriminellen. Sie sind unsere Schwestern und Brüder in Christus. Sie kommen, um zu arbeiten und ihre Familien zu unterstützen, nicht um uns Schaden zuzufügen. Wir müssen daran denken, dass sie Menschen sind, die dieselben Werte und Sehnsüchte haben wie wir, die Teil der US-Gesellschaft sein und sich an unsere Regeln halten wollen."
Der Einsatz des Kardinals für soziale Gerechtigkeit und eine Reform der US-Einwanderungspolitik mit der Möglichkeit zur Staatsbürgerschaft wird überschattet von Vorwürfen gegen Mahony im Zusammenhang mit dem Kindesmissbrauchskandal in der katholischen Kirche. In den 80er- und 90er-Jahren reagierte Mahony auf Missbrauchsvorwürfe gegen Geistliche aus seinem Zuständigkeitsbereich mit Versetzungen und Verschleierungen. Im Juli 2007 einigte sich die Erzdiözese von Los Angeles mit mehr als 500 Klägern, die Geistlichen Missbrauch vorwarfen, außergerichtlich auf eine Entschädigungssumme von 660 Millionen Dollar. Die höchste Summe, die bisher im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche gezahlt wurde.
Mahony entschuldigte sich bei Missbrauchsopfern für sein Handeln. Fragen nach seiner Rolle im Missbrauchsskandal weicht er aber konsequent aus. Er spricht lieber über seine Position zur Einwanderungspolitik. Doch der Kardinal bot auch in seinem Einsatz für illegale Immigranten eine Angriffsfläche: In seinem Blog verglich er das Gesetze über verschärfte Personenkontrollen zur Bekämpfung von illegaler Einwanderung in Arizona mit den Anfängen der Judenverfolgung durch das Nazi-Regime. Diese Äußerungen riefen in den USA scharfe Kritik hervor.
Jüdische Organisationen forderten von Mahony eine Klarstellung seiner Position. Vereinigungen, die sich für die Rechte von Einwanderern einsetzen, gingen auf Distanz. Clarissa Martinez, Vorsitzende der Organisation ‚La Raza’:
"Wir können die beschämenden Vorgänge in Arizona nicht mit dem systematischen Massenmord an Juden in den von Nazis besetzten Gebieten vergleichen. Wir müssen unsere Stimmen gegen die Vorgänge in Arizona erheben, aber wir dürfen nicht eines der dunkelsten Kapitel unserer Geschichte trivialisieren."
Ein Gericht stoppte inzwischen vorläufig die schärfsten Regelungen des Gesetzes von Arizona, nachdem das Bundesjustizministerium und mehrere US-Menschenrechtsorganisationen dagegen Klage einreichten. Doch mehrere US-Bundesstaaten arbeiten an Varianten des Gesetzes, das laut einer Umfrage fast 60 Prozent der US-Bevölkerung befürworten. Für Kardinal Mahony ist das Grund genug, um weiter für eine umfassende Reform der Einwanderungspolitik zu kämpfen. In der Kathedrale von Los Angeles, auf der Straße mit Demonstranten und auf seiner Internetseite:
"Das alles ist Teil der Gesellschaftslehre unserer Kirche, es geht zurück auf das alte Testament und später auf Jesus, der uns im Evangelium sagte, die Fremden in unserer Mitte willkommen zu heißen."