"In Posen umgesetzt, was zwischen den Menschen abläuft"

Von Sven Ricklefs |
Berühmt ist er für seine Filme, doch seine künstlerische Karriere begann 1967 im Theater. Zum 30. Todestag Rainer Werner Fassbinders widmet sich das Deutsche Theatermuseum München der Bühnenarbeit des Regisseurs, der einen ganz eigenen Stil der Posen und Manierismen entwickelte.
"Sie ist übrigens heute in Bremen."
"Oh, du bist ja ausgezeichnet informiert, Liebste, wirklich!"
"Tja."

Nichts theatraler als ein Film von Rainer Werner Fassbinder, nichts theatraler als eine Margit Carstensen etwa als die Designerin Petra von Kant mit ihren bitteren Tränen, wartend auf die ehemalige Geliebte, hingestreckt auf dem Flokati, mit blonder Perücke, grünem Rüschenkleid und roter Rosenhalskrause.

Seit er 12 ist und heimlich ins nahegelegene Kino entwischt, will Rainer Werner Fassbinder Filme machen und auch wenn er auf der Filmhochschule abgelehnt wird, hat er, der Autodidakt diese Filme schließlich gemacht und ist mit ihnen berühmt geworden. Doch die Gesten, die Posen, das zelebriert Gesprochene, immer wirkt das eigentlich ideal für das Theater und zu groß für einen Film. Trotzdem macht gerade das den Reiz aus dieser einzigartigen Kunstwerke.

Er habe im Film so inszeniert wie im Theater, und umgekehrt, hat Fassbinder einmal zu Protokoll gegeben. Tatsächlich beginnt Fassbinder seine künstlerische Karriere im Theater, das dem nach Ausdruck hungrigen 22-Jährigen 1967 in Gestalt des berüchtigten Münchner Action Theaters seine Tore öffnet. Schon bald geht aus diesem das Anti-Theater hervor, das seinen anarchischen Gestus gleich in seinem Namen festschreibt, und schon bald ist Fassbinder der Kopf der - eigentlich als Kommune gedachten Gruppe.

Als Regisseur und als Autor von Stücken wie "Katzelmacher", "Preparadise", "Sorry now" oder "Anarchie in Bayern" kommt er gerade richtig in einer Zeit, in der eine ganze Generation ihren Aufruhr formuliert und Gruppen wie das New Yorker Living Theatre mit exzessivem Körpereinsatz und Happenings das Theater auch in Deutschland beeindruckt. Auf diese Zeit stimmt jetzt auch das Deutsche Theatermuseum in München unter der Leitung von Claudia Blank mit seiner Ausstellung ein, die das zu Unrecht kaum beleuchtete Theaterschaffen von RWF im Fokus hat:

"Das Actiontheater hatte eine sehr starke Körperlichkeit im Spiel, hat ohne Rampe gespielt, also im direkten Kontakt mit dem Zuschauerraum. Die Inhalte waren sozialkritisch, auch mal politischer Natur, aber eher so auf assoziativer Ebene. Und das sind auch die Merkmale des danach gegründeten Antitheaters, die aber Fassbinder in eine geregeltere Formensprache übersetzt hat.""

In Bremen trifft Rainer Werner Fassbinder eingeladen von Erfolgsintendant Kurt Hübner Anfang der 70er-Jahre auf den Bühnenbildner Wilfried Minks, dessen Ästhetik den sogenannten Bremer Stil geprägt hat. Minks baut auch für Fassbinder seine Popenvironments, ein auf Blut und bürgerlichem Möbelmüll schwimmendes Kreuz etwa für sein eigenes Stück "Bremer Freiheit" über die Giftmischerin Gesche Gottfried. Und in diesen starken Bildern kann Fassbinder vor allem mit seinen starken Frauen wie Hanna Schygulla, Irm Herrmann oder Margit Carstensen sein starkes Theater der Posen, der Stellungen, der Manierismen umsetzen.

""Also Fassbinder im Theater war nicht der Regisseur der psychologisch in die Tiefe gegangen ist. Das war nicht sein Ziel. Sondern er hat durchaus eher choreografisch inszeniert und hat in Posen umgesetzt, was zwischen den Menschen jeweils abläuft."

Mit ihrem reichen Audio und Videomaterial zeigt die Münchner Ausstellung sehr anschaulich Fassbinders überaus eigenwilligen Theaterstil, auch auf seinen weiteren Stationen als Gast bei Peter Zadek in Bochum oder als Intendant des Theater am Turm in Frankfurt 1976. Diese Intendanz scheitert auch daran, dass Fassbinder, die dominante Persönlichkeit eigentlich von der totalen Mitbestimmung im Theaterbetrieb träumt und doch alle unterwirft, ebenso wie sie sich ihm alle unterwerfen. Schnell schmeißt Fassbinder hin und macht von da an bis zu seinem frühen Tod 1982 fast ausschließlich nur noch das Eine: große theatrale Filme.
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