In Schönheit sterben
Eine Wohlfühl-Inszenierung von "I Capuleti e i Montecchi" bietet einen schönen Abend, an dem sich zwei hypersensible Jugendliche in den Tod singen. Der berechtigte und einhellige Jubel schloss auch das frankophone Bühnenteam ein.
"Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen", schrieb Vincenzo Bellini ein Jahr vor seinem frühen Tod. Dementsprechend hat er komponiert und ist als Fixstern des klassischen Belcanto in die Musikgeschichte eingegangen: Hoffnung und Liebe, Verstrickung und Leid, Hass und Tod äußern sich in harmonisch wohligen, weich schwingenden, meist lyrisch elegischen Melodiebögen. Ein Hauch von Melancholie, von leiser Trauer und träumerischer Entrücktheit durchzieht die Werke – so auch Bellinis eigene Fassung des Romeo-und-Julia-Stoffes als "I Capuleti e i Montecchi".
Anders als bei Shakespeare, der zu Bellinis Lebzeiten in Italien noch nicht recht bekannt war oder geschätzt wurde, hat Librettist Felice Romani den Familienkonflikt auch um den politisch-kriegerischen Großkonflikt zwischen Ghibellinen und Guelfen, also fast "Staufer gegen Welfen", erweitert. Doch das ist dramaturgisch nicht recht gelungen, bleibt Folie, wird nicht wirklich Motor der Handlung. So sind zwei junge Liebende zu erleben, die in der Realität nicht zueinander kommen, erst in einer vor-wagnerianischen Form des Liebestodes: sich gemeinsam in den Tod zu singen.
Das war schön zu sehen und zu hören: Mit dem Romeo von Tara Erraught und der Giulietta von Eri Nakamura standen zwei hübsche, junge, äußerlich auch "kindlich" wirkende, vokal aber sehr gute Protagonisten auf der Bühne. Beiden glaubte man die sanft schwärmerischen Emotionen, die Sehnsuchtsbögen und emotionale Todesbereitschaft. Dass Tara Erraught die Rolle binnen weniger Tage vom erkrankten Star Vesselina Kasarova übernommen hat, brachte ihr zu Recht Zusatzjubel ein. Als eifer- und rachsüchtiger Verlobter Giuliettas beeindruckte Dimitri Pittas mit mal markig auftrumpfendem, mal ins leidvolle Piano zurückgenommenem Tenor. Carlo Gigni als vermittelnder Lorenzo und Steven Humes als kriegerischer Vater Capulet steuerten klangschöne Bass-Töne bei. Sie alle samt Staatsorchester und Chor führte Dirigent Yves Abel mit klarer Zeichengebung zu einem zweieinhalbstündigen Bad in Wohlklang. Erfreulicherweise wählte er straffe Tempi, so dass Bellinis Komposition nie in Süßlichkeit ertrank.
Der berechtigte und einhellige Jubel schloss auch das frankophone Bühnenteam ein. Vincent Boussards Inszenierung versuchte erst gar nicht, die Konflikte einsichtig zu machen oder allem Schönklang durch fein differenzierte Personenregie auch anrührende Tiefe zu geben. Dass Giulietta zur ersten großen Liebesklage ein aus der Wand ragendes weißes Porzellanwaschbecken als "Ausflucht" besteigt, war Boussards herausragender "Regie-Einfall". Dass die Kriegergesellschaft durch 28 in der Luft hängende Reitsättel gekennzeichnet wurde, die die sonst biedermeierlich gekleideten Herren dann auch mal eine Treppe hochtragen durften, wirkte nur abseitig.
Bühnenbildner Vincent Lemaire stellte alles in einen großen dunklen Bilderrahmen. Die dahinter perspektivisch oder asymmetrisch sichtbaren Wände wirkten mal wie nur malerisch grundiert, mal waren sie mit Projektionen vage bebildert. Darin spielte Guido Levi mit farbigem Licht, ohne dass dies dramaturgisch schlüssig wurde. Die Damenherzen im Premierenpublikum schlugen gleichsam erlöst höher, als Kostüm-Designer Christian Lacroix für den Damenchor in die Vollen ging: opulente, mal schrille, mal edle Roben feinster Machart… Münchens Maximilianstraße hielt Einzug auf der Bühne. Damit das alles aber irgendwie "künstlerisch" wirkte, trugen die Damen auch noch eine aus ihrem Dekolletee aufragende Stoff-Blume – nur ausgerechnet vor dem Mund.
Das alles störte nicht, bot einfach einen schönen Abend, an dem sich halt zwei hypersensible Jugendliche in den Tod singen und am Ende im strahlenden Licht nach vorne aus der Bühne heraustreten. Eine Wohlfühl-Inszenierung, die perfekt in die koproduzierende San Francisco Opera passt.
Informationen der Bayerischen Staatsoper zu "I Capuleti e i Montecchi" in München
Anders als bei Shakespeare, der zu Bellinis Lebzeiten in Italien noch nicht recht bekannt war oder geschätzt wurde, hat Librettist Felice Romani den Familienkonflikt auch um den politisch-kriegerischen Großkonflikt zwischen Ghibellinen und Guelfen, also fast "Staufer gegen Welfen", erweitert. Doch das ist dramaturgisch nicht recht gelungen, bleibt Folie, wird nicht wirklich Motor der Handlung. So sind zwei junge Liebende zu erleben, die in der Realität nicht zueinander kommen, erst in einer vor-wagnerianischen Form des Liebestodes: sich gemeinsam in den Tod zu singen.
Das war schön zu sehen und zu hören: Mit dem Romeo von Tara Erraught und der Giulietta von Eri Nakamura standen zwei hübsche, junge, äußerlich auch "kindlich" wirkende, vokal aber sehr gute Protagonisten auf der Bühne. Beiden glaubte man die sanft schwärmerischen Emotionen, die Sehnsuchtsbögen und emotionale Todesbereitschaft. Dass Tara Erraught die Rolle binnen weniger Tage vom erkrankten Star Vesselina Kasarova übernommen hat, brachte ihr zu Recht Zusatzjubel ein. Als eifer- und rachsüchtiger Verlobter Giuliettas beeindruckte Dimitri Pittas mit mal markig auftrumpfendem, mal ins leidvolle Piano zurückgenommenem Tenor. Carlo Gigni als vermittelnder Lorenzo und Steven Humes als kriegerischer Vater Capulet steuerten klangschöne Bass-Töne bei. Sie alle samt Staatsorchester und Chor führte Dirigent Yves Abel mit klarer Zeichengebung zu einem zweieinhalbstündigen Bad in Wohlklang. Erfreulicherweise wählte er straffe Tempi, so dass Bellinis Komposition nie in Süßlichkeit ertrank.
Der berechtigte und einhellige Jubel schloss auch das frankophone Bühnenteam ein. Vincent Boussards Inszenierung versuchte erst gar nicht, die Konflikte einsichtig zu machen oder allem Schönklang durch fein differenzierte Personenregie auch anrührende Tiefe zu geben. Dass Giulietta zur ersten großen Liebesklage ein aus der Wand ragendes weißes Porzellanwaschbecken als "Ausflucht" besteigt, war Boussards herausragender "Regie-Einfall". Dass die Kriegergesellschaft durch 28 in der Luft hängende Reitsättel gekennzeichnet wurde, die die sonst biedermeierlich gekleideten Herren dann auch mal eine Treppe hochtragen durften, wirkte nur abseitig.
Bühnenbildner Vincent Lemaire stellte alles in einen großen dunklen Bilderrahmen. Die dahinter perspektivisch oder asymmetrisch sichtbaren Wände wirkten mal wie nur malerisch grundiert, mal waren sie mit Projektionen vage bebildert. Darin spielte Guido Levi mit farbigem Licht, ohne dass dies dramaturgisch schlüssig wurde. Die Damenherzen im Premierenpublikum schlugen gleichsam erlöst höher, als Kostüm-Designer Christian Lacroix für den Damenchor in die Vollen ging: opulente, mal schrille, mal edle Roben feinster Machart… Münchens Maximilianstraße hielt Einzug auf der Bühne. Damit das alles aber irgendwie "künstlerisch" wirkte, trugen die Damen auch noch eine aus ihrem Dekolletee aufragende Stoff-Blume – nur ausgerechnet vor dem Mund.
Das alles störte nicht, bot einfach einen schönen Abend, an dem sich halt zwei hypersensible Jugendliche in den Tod singen und am Ende im strahlenden Licht nach vorne aus der Bühne heraustreten. Eine Wohlfühl-Inszenierung, die perfekt in die koproduzierende San Francisco Opera passt.
Informationen der Bayerischen Staatsoper zu "I Capuleti e i Montecchi" in München