In Schönheit sterben

Von Johannes Halder |
Mit rund 400 kostbaren Leihgaben bedient das Badische Landesmuseum die Sehnsucht des Publikums nach Schätzen aus den Pharaonengräbern. Die Schau "Schönheit im Alten Ägypten", zuvor in Hildesheim zu sehen, besticht in Karlsruhe durch eine umfangreiche Zugabe, die der Ägyptenrezeption in der modernen Kunst gewidmet ist.
Sterben ist nicht schön, auch nicht im alten Ägypten. Doch gegen Fäulnis und Verwesung hatten die Pharaonen ihre Mittelchen. Wir stehen in einer nachgebauten Grabkammer in der Ausstellung. Da liegt der Deckel eines Sarkophags aus Kalkstein, der einst den Leichnam eines Mannes namens Nacht-Neb-Ef geborgen hatte. Um 350 vor Chr. hatte man seine sterbliche Hülle gereinigt, ausgeweidet und getrocknet, die Innereien sorgsam in Kanopen verstaut, den Ekel des sich zersetzenden Fleisches mit duftendem Balsam vertrieben und den konservierten Körper schließlich zur Mumie gebündelt. Und so blieb auch der Tod am Ende eine saubere Sache.

"Schönheit für die Ewigkeit" heißt das Kapitel am Schluss der Schau, denn in Schönheit zu sterben war das Lebensziel der Ägypter. Schön, das hieß athletisch, jung und unversehrt. Und so passieren wir zunächst eine zeitlos schöne Galerie von Königen und Gottheiten aus Bronze, Stein und Holz.

Auch Konkubinen rekeln sich auf ihren Lotterbetten, und wie sie sich in Form hielten, erfahren wir im Folgenden. Wir sehen Haarnadeln und Kämme, Rasiermesser und Pinzetten, Toilettengeräte und Tiegel, Salblöffel und Schalen, Schminkpaletten und Spiegel bis hin zu kompletten Kosmetikköfferchen.

Die Ägypter pflegten sich mit System: Sie kauten Kräuter gegen Mundgeruch, schmierten sich Anti-Falten-Salben ins Gesicht, und für die typische Augenschminke hatten auch die Männer ein medizinisches Alibi: Denn der schwarze Aufstrich mit dem dicken Rand milderte den Einfall des starken Sonnenlichts. Kuratorin Anna Hoffmann:

"Wir zeigen auch im Bild, dass bei festlichen Veranstaltungen die Damen und auch manchmal die Herren so genannte Salbkegel auf dem Kopf trugen, die im Laufe des Festes dann schmolzen. Die waren mit Myrrhe aromatisiert und das waren auch Fette; über das Haar und die Kopfhaut ist das gelaufen und hat dadurch auch Kopf und Haar gepflegt."

Auch damals galt: Wer schön sein will, muss leiden. Unter Pharao Echnaton kamen künstlich gelängte Hinterköpfe im Nofretete-Look in Mode - vermutlich quetschte man die Schädel der vornehmen Mädchen während des Wachstums in entsprechende Knebel.

Absolute Attraktion der Schau aber ist das so genannte "Goldhaus", ein begehbares, völlig mit Blattgold überzogenes Gehäuse im Zentrum. In Vitrinen liegt hier kostbarster Prinzessinenschmuck aus purem Gold und Lapislazuli, Ringe, Haarspangen und Armreifen oder Ketten aus Karneol und Almandin.

Einen Schönheitsfehler freilich hat die ganze Pracht. Viele der Exponate hat man in früheren Ägypten-Ausstellungen schon gesehen - in einem anderen Kontext eben. Deshalb sind wir dankbar, dass sich in einem Anhang der Schau, der sich mit der Ägyptenrezeption in der Kunst der Moderne beschäftigt, neue Aspekte eröffnen.

Ägyptische Motive, also Obelisken, Pyramiden oder Sphingen, waren seit jeher in Mode. Doch erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts bezogen sich solche Adaptionen auch auf das Ägyptische als Stil. Was damit gemeint ist, erläutert Museumschef Harald Siebenmorgen mit einer Anekdote. Der Zöllner Rousseau soll im Jahr 1908 zu seinem Freund Picasso gesagt haben: "Wir beide sind die bedeutendsten Maler unserer Epoche. Und zwar Du, Picasso, im ägyptischen Stil, und ich, Rousseau, im modernen Stil."

Harald Siebenmorgen: "Was meinte Rousseau mit dem ägyptischen Stil? Den beginnenden Kubismus von Picasso. In dem sah man auch eine Form der Kubisierung, der Stilisierung, der Stereometrisierung und damit eben auch der Vereinfachung der Form."

Vereinfachung der Form, hieratische Stilisierung, tektonische Strenge - vor allem die Kubisten pflegten dieses Vokabular. Doch es gibt einen verblüffenden Vorläufer, einen Benediktinerpater namens Peter Lenz, der im Kloster Beuron im schwäbischen Donautal die Beuroner Kunstschule gründete.

"Dieser Peter Lenz hat schon 1864 durch das Studium altägyptischer Kunst die Vision gehabt, dass er mit der Anlehnung seiner Architektur- und Skulpturensprache ans Altägyptische die Kunst hin zur Abstraktion führen könne."

Lenz schuf, wie man hier sieht, unter anderem ein bizarres Altarensemble im altägyptischen Stil: Eine zehnteilige Serie lebensgroßer, stilisierter Engel; Christus als Osiris, die Madonna als Isis, einen ägyptisierenden Tabernakel, eine Pietà - eine ganze Kapelle hatte er damals im ägyptischen Stil ausgestaltet.

Natürlich eckte er damit an, man hielt seinen Versuch, die christliche Kunst durch ägyptisierende Abstraktion zu erneuern, für Häresie. Kaum 30 Jahre später freilich waren die Visionen des geschmähten Malermönchs Allgemeingut der Avantgarde. "Die Wahrheit, das ist die primitive Kunst. Das ist Ägypten.", erkannte Paul Gauguin, und die Schau verfolgt den Einfluss des ägyptischen Vokabulars exemplarisch bis in die jüngste Moderne.

Werke von Picasso oder Jacques Lipchitz sind da zu sehen, aber auch von Jürgen Brodwolf, der ausgedrückte Farbtuben und Tücher zu mumienhaften Torsi wickelt. Ägyptische Ansätze zeigt auch A.R. Penck, der sich mit seinen Piktogrammen und Zeichen bekanntlich auf Hieroglyphen bezieht.

Ägyptisches auch bei Gerhard Richter, der 1966 die Schemen einer Pyramide auf die Leinwand sprühte, oder bei Hansjörg Voth, dem Spurensucher, der 1978 ein riesiges, auf ein Floß gebahrtes Mumienbündel den Rhein hinunter auf eine spektakuläre "Reise ins Meer" schickte.

Da landen wir nicht zuletzt bei Giacometti, der mit seinen strengen, stelenhaften Figuren ebenfalls dem ägyptischen Formenkanon huldigte. "Giacometti, der Ägypter" heißt gar ein Vortrag, den der Ägyptologe Dietrich Wildung auf einem Symposium während Schau halten wird. Man darf gespannt sein, mit welchen Argumenten Giacometti, der Asket, dort in eine Ahnenreihe mit den Ägyptern gestellt wird.

Service:
Die Ausstellung "Schönheit im Alten Ägypten - Sehnsucht nach Vollkommenheit" ist im Badischen Landesmuseum im Karlsruher Schloss bis zum 27. Januar 2008 geöffnet.