In sechzig Jahren um die Welt

Von Johannes Halder |
Seit über sechs Jahrzehnten kauft das Institut für Auslandsbeziehungen Werke deutscher Künstlerinnen und Künstler und lässt sie als kulturelle Botschafter um den Globus reisen. Das Karlsruher ZKM, Museum für Neue Kunst, zeigt erstmals eine repräsentative Auswahl der hierzulande fast unbekannten Bestände.
Mehr als 23.000 Werke deutscher Künstler hält das Institut für Auslandsbeziehungen in seinem Besitz. Man könnte damit ein riesiges Nationalmuseum füllen, doch die Kollektion ist praktisch heimatlos. Ein großer Teil der Werke tourt beständig um die Welt, an 80 Stationen pro Jahr, in Europa, Korea und Georgien, in Neuseeland, im westafrikanischen Lagos oder im südamerikanischen Bogotá.

Klar, dass das nur mit Werken geht, die man auch selbst besitzt, sagt Nina Bingel, eine der Projektleiterinnen:

"Unsere Tourneen gehen oft 10 bis 15 Jahre, und so lange würden wir keine Leihgaben von Museen bekommen."

Jahrzehnte unterwegs
40 Jahre lang waren Blätter von Käthe Kollwitz unterwegs, 30 Jahre lang Grafiken von Max Ernst, und der Nagelkünstler Günther Uecker ließ es sich 20 Jahre lang nicht nehmen, meist selbst vor Ort zu sein, wenn seine Schau in einem von 35 Ländern eröffnet wurde: Der Mann nahm die Mission persönlich.

"Auffällig ist, dass deutsche Kunst sehr positiv zum Bild Deutschlands im Ausland beiträgt. Und das, obwohl die meisten Künstler, wenn man sie fragen würde, selber sagen: Mir geht's um die Kunst und ich bin nicht Stellvertreter Deutschlands."

Das sagt Matthias Winzen, einer der Kuratoren der Karlsruher Schau, der die Praxis, Künstler quasi als Botschafter deutscher Kultur einzusetzen, ein "produktives Missverständnis" nennt. Doch kein Künstler, beschwichtigt Nina Bingel, müsse sich bei diesem Kulturexport politisch einspannen lassen.

"Natürlich ist unser Auftrag auch, mit ein positives Deutschlandbild im Ausland zu vermitteln, aber wir sind in den Vorgaben wirklich frei vom Auswärtigen Amt."

Es geht allein um die Kunst. Was gekauft und dann monographisch oder thematisch gezeigt wird, entscheiden wechselnde Fachleute aus der Kunstszene. Der gute Ruf der deutschen Kunst ist für das Auswärtige Amt relativ preiswert zu haben, meint Nina Bingel:

"Für den ganzen Bereich Tourneeausstellungen stehen meist so um die zwei Millionen zur Verfügung im Jahr."

Das ist nicht viel für Kunsterwerb, Transport und Kataloge. Das Problem sind die neuerdings absurd hohen Kunstmarktpreise. Vieles läuft nur über Sonderkonditionen. Allein zehn Arbeiten von Gerhard Richter hat das ifa im Bestand, das geht nicht über den normalen Markt.

Freilich, die Formate müssen reisetauglich sein. Schwere Skulpturen sind deshalb selten, und versichert sind die Werke nicht - das wäre unbezahlbar. Doch das Risiko, dass die Kunstwerke von ihren strapaziösen Tourneen ramponiert zurückkommen, ist selbst bei Tropenländern bemerkenswert gering.

Matthias Winzen, der gemeinsam mit dem Dresdner Kurator Matthias Flügge alle Werke gesichtet hat, hält den Sammlungsbestand des ifa im doppelten Sinne für repräsentativ:

"Wir haben über die Jahrzehnte im ifa-Sammlungsbestand eine sehr geistesgegenwärtige Mitschrift, sozusagen: Was war über die Jahrzehnte los. 60 Jahre deutsche Kunst, die die ganze Zeit im Ausland gezeigt wurde, und Matthias Flügge und ich versuchen einfach, diesen im Ausland regelrecht berühmten Schatz, in Deutschland unbekannten Fundus, sozusagen zu heben, zu strukturieren und zu zeigen."

Gang durch über 60 Jahre deutsche Kunstgeschichte
Sehr deutlich und sehr früh hat man im Ausland Kunst von Frauen präsentiert. Auch die DDR übrigens hatte mit ihrem "Zentrum für Kunstausstellungen" (ZfK) ein ähnliches kulturpolitisches Steuerungsinstrument, das die sozialistischen Bruderländer mit systemkonformer Kunst versorgte. Die Kunstbestände beider Systeme, ifa und ZfK, wurden nach 1989 zusammengelegt, doch die Schau macht kein Thema daraus. Da, wo sie politisch werden könnten, geben sich die Kuratoren diplomatisch, als habe es nur eine deutsche Kunst gegeben:

Matthias Winzen: "Dieses Ost-West-Schema, das durchbrechen wir in dieser Ausstellung. Es gibt ganz viele untergründige Verbindungen: Carlfriedrich Claus - Joseph Beuys, also die Anliegen sind manchmal sehr im Gleichklang. Es gibt ganz viele künstlerische Anliegen, die miteinander zu tun haben. Also, die politische Geschichte ist für die Beschreibung der Kunstgeschichte langweilig."

Natürlich lässt sich das Material entsprechen hinsortieren. Dabei gibt es durchaus überraschende Aspekte.
"Im Osten ist das Interessante: Fotografie war dort unterschätzt, es wurde gar nicht als Kunst betrachtet und deshalb auch nicht verfolgt. Also eigentlich die freieste Kunst war die Fotografie im Osten."

Die Schau ist so oder so ein spannend strukturierter Gang durch über 60 Jahre deutsche Kunstgeschichte, und schließlich darf man sich die Frage stellen, ob die bisherige Ankaufs- und Ausstellungspraxis in einer mittlerweile total vernetzten Welt auch in Zukunft noch sinnvoll ist.

Immerhin ist man dabei, den riesigen Kunstbestand über eine Datenbank auch anderweitig nutzbar zu machen, für Leihgaben an Museen etwa. Denn bisher endete die Weltreise für manches Werk entweder im Depot oder an der Wand einer deutschen Botschaft.