Indien

Brücken schlagen mit Elektro-Beats

Der Schallplattenspieler eines Diskjockeys.
Sanaya Ardeshir trifft sie regelmäßig DJs aus Europa, Karatchi, Colombo oder Bangladesch © picture-alliance/dpa- ZB / Andreas Lander
Von Gerd Brendel |
In den Clubs von Delhi und Mumbai legen mittlerweile DJs auf, die genausogut in London oder Berlin arbeiten könnten. Zu ihnen gehört Sanaya Ardeshir, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen "Sandunes" - eine der bekanntesten Elektro-Musikerinnen Indiens.
Ein Club in Bandra, dem Ausgehviertel von Mumbai. Am DJ-Pult steht eine Frau um die 30 im schlichten Trägerkleid und dreht konzentriert an den Reglern. "Sandunes" Die meisten Gäste sind gekommen, um heute Abend nach ihrer Musik zu tanzen.
"The tradition of electronic music is really new in India."
Es wird eine lange Nacht, und auch noch lange nach eins, der gesetzlichen Sperrstunde, ist die Tanzfläche voll:
"In Bombay einen Club zu betreiben ist vermutlich eine der größten Herausforderungen, vor allem weil einem dauernd die Behörden Schwierigkeiten machen und eine Menge Leute ihre Taschen aufhalten."
Ein paar Tage nach der Party sitzen wir in Sandunes kleiner Zwei-Zimmer Wohnung, die gleichzeitig als Studio fungiert.
Aus der Minderheit der Parsen
"Sandunes" oder Sanaya Ardeshir, wie sie mit bürgerlichem Namen heißt, lebt allein. Und das in einer Gesellschaft, wo 90 Prozent ihrer Altersgenossen bis zur Heirat bei den Eltern leben. Das Gefühl, irgendwie anders zu sein, kennt Sanaya seit ihrer Schulzeit:
"Als Erstes wurde ich immer gefragt: Und was bist Du? Du bist so hellhäutig! Erst habe ich die Frage nicht verstanden, aber dann hab ich kapiert, dass meine Mitschülerin wissen wollten, ob ich Hindu, Moslem, Christin oder eben was anderes bin. Na ja, und als ich ihnen erzählte, dass ich Parsi bin, hatten viele noch nie was von Parsen gehört, weil wir so wenige sind."
Die Ardeshirs gehören zur Minderheit der Parsen, deren Nachfahren vor Hunderten von Jahren aus dem Iran nach Indien emigrierten, und die bis heute der monotheistischen Lehre des Zarathustra anhängen. In Parsi-Familien genießen Bildung und Hausmusik einen hohen Stellenwert:
"The children must learn how to play piano."
Und natürlich bekam auch Sanaya Klavierunterricht, aber sie spielte nicht gerne vom Blatt:
"Ich fand das langweilig, also brachte ich meinen Klavierlehrer dazu, mir die Stücke von Mozart und Beethoven vorzuspielen, und ich hab das dann einfach nachgespielt, aber irgendwann hat er das gemerkt, weil ich beim Vorspielen die Seite nicht umgeschlagen hab."
Später begeisterte sich Sanaya für die Jazz-Platten aus dem elterlichen Plattenschrank:
"Meine Eltern haben mich von Anfang an unterstützt, als sie merkten, dass ich mich für Musik interessierte. Später auf dem St. Xavier´s College in Mumbai habe ich dann angefangen, in Bands zu spielen."
Zum Studium nach London
Ihr erstes Geld verdiente Sanaya in Bombay oder Mumbai, wie es offiziell heißt, mit ihrer Band wie alle jungen Musiker in Indien auf Hochzeiten. Aber irgendwann hatte sie genug davon, immer wieder die neusten Bollywood-Hits nachzuspielen. Sie ging nach London und studierte an einem kleinen College Musikproduktion und tauchte ein in die britische Musikszene bis:
"Mein Visa auslief und ich wieder zurückmusste nach Bombay."
Doch schnell merkte Sanaya, dass sie zur richtigen Zeit an den richtigen Ort zurückgekehrt war:
"Auch hier hatten sich die Dinge weiterentwickelt: Die Szene war bereit für neue Sachen."
Aus Sanaya Ardeshir wurde die DJane und Musikproduzentin Sandunes. Noch verdient sie ihr Geld mit Aufträgen für Fernseh-Jingles und Reklamespots. Aber in der Elektro-Szene hat sich Sanaya mittlerweile einen Namen gemacht.
Ihre Musik ist global, gibt es trotzdem etwas typisch Indisches in ihren Tracks?
"Ich glaube Musik aus dem Westen ist härter, nicht so melodisch."
In London hat sie mit Musikern aus dem Nachbarland Pakistan gespielt. Als Teil der Plattform "Bordermovements" trifft sie regelmäßig DJs aus Europa, Karatchi, Colombo oder Bangladesch. Längst hat Sanaya entdeckt, dass zu ihrer musikalischen Heimat der ganze indische Subkontinent gehört:
"Das war total spannend, Leute zu treffen, die ganz ähnlich fühlen und sprechen wie ich, aber nicht aus demselben Land kommen."
Zurzeit arbeitet Sanaya daran, mit elektronischer Tanzmusik die Grenzen zwischen Indern und Pakistanis durchlässiger zu machen oder zu umgehen:
"Gerade bemühen wir uns um Unterstützung für ein Treffen in Nepal oder Sri Lanka, wo wir Musiker aus Indien und Pakistan ohne Visaprobleme einreisen können."
"Ever bridge" heißt Sanayas aktuelles Album und Brücken schlagen wird die Künstlerin mit ihrer Musik auch in Zukunft.
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