Der Fluch der Garnelen
22:23 Minuten
Im Osten Indiens boomt das Geschäft mit Garnelen. Doch reich werden davon nur wenige. Die Zuchtmethoden gefährden die Menschen und eine riesige Meeresregion, zerstören Mangrovenwälder und den Fischbestand. Umweltschützer versuchen gegenzusteuern.
Sanatan Mandal läuft über einen schmalen Deich. Der Wind, der vom Fluss herüberweht, zerrt an seinen Kleidern. Der Ende 50-Jährige trägt einen Lungi um die Hüften, ein kariertes Tuch, typisch für die Bauern und Fischer in dieser Gegend in Ostindien. Um den Kopf hat er ein weiteres Tuch gewickelt, das ihn vor der brennenden Sonne schützt. Rechts und links der Deiche sind Teiche angelegt. Behände überquert Mandal eine wackelige Brücke aus Bambusrohren und bleibt vor einem der Teiche stehen. Dort züchtet er Riesengarnelen von der Sorte Black Tiger.
"Ich konzentriere mich vor allem auf diese Art von Garnelen, denn die bringen bessere Preise", sagt er. "Sie sind größer als andere und die Nachfrage ist höher. Ich habe hier 30.0000 Garnelenlarven eingesetzt und hoffe, dass sie sich alle entwickeln. Aber das kann man nicht wissen."
Vier bis neun Euro für ein Kilo Garnelen
Damit kann Mandal sehr gutes Geld verdienen: Ein Kilogramm bringt 300 bis 700 Rupien je nach Größe und Qualität. Das sind rund vier bis neun Euro. Die Garnelenzucht ist viel lukrativer als der Anbau von Reis und Gemüse. Das wächst in dieser Gegend ohnehin nur dort, wo kein Salzwasser hingelangt. Hunderte kleiner und großer Flussarme zerfurchen das Land und zerteilen es in unzählige Inseln und Sandbänke.
Die Gegend, in der Mandal lebt, ist dicht besiedelt, und zwischen den Häusern, Feldern und Teichen bleibt nur Raum für enge Straßen sowie für Pfade, auf denen keine zwei Fahrzeuge aneinander vorbei passen. Es scheint kaum einen Zentimeter zu geben, der nicht genutzt wird. Wer Zugang zu einem der Flüsse und Zuflüsse hat, der züchtet hier Garnelen.
Ein Gitter aus Bambusstreben trennt Mandals Teich von einem schmalen Kanal, der wiederum mit dem Flusssystem verbunden ist. Zweimal am Tag, wenn die Flut Wasser in das Flusssystem drückt, öffnet Mandal das Gitter, damit frisches Wasser in den Teich strömt – die Garnelen brauchen diesen Wasseraustausch. Dieses System wird hier seit Generationen angewendet, erklärt er.
"Die Black-Tiger-Garnelen brauchen ungefähr zweieinhalb bis drei Monate, bis sie so groß sind, dass man sie verkaufen kann."
Massensterben binnen weniger Tage
Vor jedem Zuchtzyklus muss Mandal den Teich vorbereiten. Er nutzt dafür Kalk und Phosphat. Das Phosphat soll das Wachstum von Biomasse anregen, die den Garnelen als Futter dient. Die Mineralien im Kalkpulver regulieren den pH-Wert, denn die Garnelen reagieren sehr empfindlich darauf, wenn er zu sauer ist oder zu stark schwankt. Auch Veränderungen der Wassertemperatur vertragen sie schlecht, ebenso wie Abbauprodukte, die bei einer Überdüngung der Teiche entstehen. Mandal muss sehr viel von den beiden Mitteln verwenden:
"Ich benutze ungefähr 200 Kilogramm Phosphat und etwa 50 Kilogramm Kalk, um den Teich für die Zucht vorzubereiten. Das mache ich zweimal im Jahr."
So halten es die meisten Garnelenzüchter hier. Und das bringt viele Probleme: Das Düngemittel Phosphat gelangt mit dem Wasseraustausch in das Flusssystem. Große Mengen davon bringen das Ökosystem durcheinander. So kann es etwa zu einer starken Algenblüte kommen. Wenn diese abfaulen, entziehen sie dem Wasser Sauerstoff und es entstehen giftige Stoffe, die den wild lebenden Fischen, Krebsen und Garnelen schaden. Dieser Prozess kann auch einen Garnelenzuchtteich selbst betreffen. Und weil in den Garnelenfarmen so viele Tiere auf engem Raum leben, können sich Krankheiten schnell ausbreiten. Besonders gefürchtet ist das Weißfleckensyndrom. Das hoch ansteckende Virus kann binnen weniger Tage eine komplette Zucht töten.
"Letztes Mal ist das Virus im Februar ausgebrochen. Die ganze Gegend war betroffen. All meine Garnelen sind eingegangen und die der anderen Züchter auch. Wir mussten ganz von vorn anfangen. Wenn ich die Kosten der Larven und der Mittel, die ich verwendet habe, zusammenzähle, dann habe ich ungefähr 40.000 Rupien Verlust gemacht."
Züchter sind auf giftige und ätzende Chemikalien angewiesen
Das sind rund 500 Euro. Für Mandal bedeutet das etwa ein Drittel seines Jahreseinkommens. Neben dem Weißfleckensyndrom listet das staatliche Institut für Brackwasseraquakultur rund ein Dutzend weiterer Krankheiten auf, die die Garnelen befallen können. Um den Ausbruch solcher Krankheiten zu verhindern, nutzt Mandal ein Pulver – eine Medizin, wie er es nennt. Das Mittel trägt den Handelsnamen Cure-in.
"Wenn das Wasser schlecht wird oder die Garnelen nicht genug zu fressen finden, dann werden sie rot und die Antennen schwellen an von dem Virus", sagt Mandal. "Ich muss das Mittel ungefähr dreimal im Jahr anwenden, zwischen dem Ende des Winters bis zum Sommeranfang. Wenn die Regenzeit anfängt, wird es besser."
Denn mit dem Regen verbessert sich die Wasserqualität. Das Mittel soll den pH-Wert im Wasser regulieren, Krankheitserreger abtöten und zu starkes Algenwachstum eindämmen. Auf der Tüte steht eine lange Liste von Inhaltsstoffen, darunter drei, die nach der EU-Chemikalienverordnung als Gefahrenstoffe klassifiziert werden: Kupfersulfat und Mangan-II-Sulfat sowie Kaliumpermanganat, das auch zum Bleichen von Jeans verwendet wird und die Haut verätzen kann, gelten als stark wassergefährdend. Das heißt sie sind giftig für im Wasser lebende Organismen. Die europäische Chemikalienagentur stuft Kaliumpermanganat zudem als fortpflanzungsgefährdend ein.
Mandal ist kein gebildeter Mann, er weiß nicht viel über die negativen Konsequenzen der Chemikalien für die Umwelt und auch die Gefahren für seine eigene Gesundheit:
"Davon hat mir noch nie jemand etwas gesagt."
Ohne Mangroven kein Schutz vor Sturm und Flut
Garnelen und Fische werden in den Sunderbans bereits seit Generationen gezüchtet, aber der Boom an Garnelenfarmen begann etwa ab den 80er-Jahren, als die Nachfrage in den lukrativen Absatzmärkten in Europa und den USA stieg. Große Teile der Mangrovenwälder wurden damals in Zuchtteiche umgewandelt. Die Abholzung der Mangrovenwälder hat zahlreiche negative Folgen für die Umwelt. Die Mangroven dienen normalerweise als Puffer gegen Wirbelstürme und Überflutungen. 2009 traf der Zyklon Aila die Sunderbans. Mehr als 300 Menschen starben, rund eine Million verloren ihre Häuser. Weil an vielen Orten die Mangroven den Garnelenteichen hatten weichen müssen, traf der Sturm sie mit größerer Wucht.
Auch Urmila Halder verlor damals ihr ganzes Hab und Gut. Die energische 55-Jährige trägt einen orangefarbenen Sari, einen großen Nasenschmuck. Ihr Haar ist leicht grau durchzogen und wenn sie lächelt, präsentiert sie eine Zahnlücke zwischen den Schneidezähnen. Sie sitzt im Hof ihres Hauses auf einem Plastikstuhl. Das Haus ist nicht aus Lehm gebaut wie die meisten in dieser Gegend, sondern aus Beton und macht einen sehr stabilen Eindruck.
"Aila hatte mein Haus komplett zerstört, ich konnte nirgendwo hin", sagt Halder. "Uns wurde Hilfe versprochen, aber die kam nie. Also habe ich ein Stück von meinem Land verkauft und ein Haus für mich und meine Familie gebaut, das stabiler ist als das alte."
Wohlhabend ist die Familie trotz des schönen Hauses jedoch nicht. Halders Mann kann keine Feldarbeit mehr machen, er hat sich mit jahrelanger Schlepperei schwerer Reisbündel den Rücken ruiniert und braucht häufig Medikamente. Halders Sohn sucht Arbeit, aber hat bisher nur Gelegenheitsjobs im weit entfernten Kalkutta gefunden. Also muss Urmila Halder selbst die Familienkasse aufbessern.
Larvenfischen als schlecht bezahlte Frauenarbeit
Sie wohnt einen kurzen Fußmarsch vom Madla-Fluss entfernt, einem der größeren Flüsse der Sunderbans. Dort sammelt sie, genau wie viele andere Frauen in der Gegend Garnelenlarven, die sie über Mittelsmänner an die Züchter verkauft.
Mit einem mannshohen Holzrahmen über der Schulter, an den ein feinmaschiges Netz gespannt ist, geht sie jeden Tag, wenn die Flut kommt, zum Flussufer. Sie beginnt den Rahmen mit dem Netz durchs Wasser zu ziehen, während sie etwa zwei-, dreihundert Meter am Ufer entlang schreitet. Rund ein halbes Dutzend anderer Frauen sind mit ihr im Wasser und tun dasselbe.
Das Larvenfischen ist nicht nur anstrengend, sondern auch gefährlich. Der Fluss hat eine starke Strömung und die meisten Menschen hier können nicht schwimmen. Und es lauern weitere Gefahren.
"Es gibt hier Krokodile. Wenn ich eines sehe oder das Gefühl habe, da ist eins in der Nähe, dann komme ich sofort an Land", sagt Halder. "Wir fürchten uns zu Tode vor ihnen. Krokodile kommen vor allem während der Monsunzeit hierher. Wir müssen sehr achtsam bleiben."
Die Sunderbans sind Heimat des Salzwasserkrokodils, das bis zu sechs Meter lang werden kann und sehr aggressiv reagiert, wenn es sich oder seine Brut bedroht fühlt. Zur Angst vor Krokodilen kommt die Verletzungsgefahr auf dem schlammigen Boden. Halder ist schon oft ausgerutscht und hat sich einmal sogar den Arm gebrochen. Der Arztbesuch hat so viel gekostet, wie sie in drei Monaten mit den Larven verdienen kann:
"Ich sammle vielleicht vier-, fünfhundert Larven am Tag. Für 1000 Stück gibt es 150 Rupien, also verdiene ich etwa 75 Rupien am Tag."
Viel ist das ohnehin nicht – etwa ein Euro täglich. Vor rund 20 Jahren bekam sie noch etwa sechsmal soviel, eine Rupie pro Larve. Der Preis ist so eingebrochen, weil es inzwischen professionelle Züchter für Larven gibt. Doch Halder braucht jedes bisschen Geld, das sie verdienen kann:
"Davon kann ich nichts zurücklegen. Ich gebe das alles für Lebensmittel aus und für Öl und Salz und sowas. Mein Geld geht nur so dahin!"
Wer mit der Fähre den Fluss hinauf fährt, sieht während der Flut überall an den Ufern Frauen und gelegentlich auch Männer, die nach Larven fischen.
Wenn sie mit dem Fischen fertig sind, setzen sie sich ans Ufer, gießen die Brühe mit den Larven in eine Schale, fischen die Larven der Riesengarnelen mit einer Muschel oder einem Löffel heraus und geben sie in einen Krug aus Aluminium. Den Rest, also Larven von Fischen, Krebstieren und Garnelenarten, die keinen Wert haben, kippen sie mit dem Wasser aus der Schale in den Uferschlamm. Viele der Larven bleiben darin hängen und erreichen nicht mehr das Wasser.
Die größten Mangrovenwälder der Welt - noch
Rund vier Autostunden entfernt von Urmila Halders Haus, liegt Kalkutta, die Metropole Ostindiens. Hier engagiert sich die Umweltorganisation "NEWS" für den Schutz der Mangroven und eine nachhaltige Garnelenzucht in den Sunderbans. NEWS steht für Nature, Environmental and Wildlife Society.
Ajanta Dey, eine ruhige, freundliche Mittfünfzigerin, leitet die Organisation. Sie trägt eine geblümte Bluse und eine schwarze ovale Hornbrille. Ihr Büro liegt im Erdgeschoss eines imposanten Kolonialbaus, wie es noch viele hier in Kalkutta gibt. Dey spricht über den Beifang der Larvenfischerinnen. Dadurch seien die Fischbestände gesunken:
"Das wurde mal untersucht, als das alles anfing. Ich erinnere mich an eine Zahl: Mit einmal Netz auswerfen endeten damals durchschnittlich 342 andere Larven als Beifang. Heute findet man von vorneherein gar nicht mehr so viele Larven. Der Bestand ist zurückgegangen."
Noch beheimaten die Sunderbans die größten zusammenhängenden Mangrovenwälder der Welt. Sie sind ökologisch äußerst wichtig für die gesamte Meeresregion um den Golf von Bengalen und darüber hinaus. Sie gelten als Kinderstube für Fische und Krebstiere. Diese verbringen ihr Larvenstadium dort, sie finden genug Nahrung und zwischen den über den Boden ragenden Wurzeln der Mangroven auch Schutz vor Fressfeinden. Wenn jedoch die Larvenfischerinnen jeden Tag stundenlang mit ihren Netzen dort entlangwaten, schadet das den Uferzonen:
"Neue Mangrovenschösslinge treiben auf dem Wasser, bevor sie erneut irgendwo Wurzeln schlagen. Wenn sie mit ihren Netzen dort entlangziehen, dann werden diese neuen Schösslinge entwurzelt."
Nachhaltige Garnelenzucht ist möglich
Die Organisation NEWS versucht die Garnelenzüchter dazu zu bringen, nachhaltige Methoden anzuwenden, und sie arbeitet mit den Larvenfischerinnen, um ihnen eine Alternative zu ermöglichen, erklärt Deys Kollege Milon Sinha. Mit seiner halb umrandeten Brille und seinem weißen Hemd sieht Sinha aus, als würde er normalerweise im Büro sitzen, aber das tut er mitnichten. Meist ist er im Feld unterwegs. Er wirkt etwas nervös.
"Wir haben schon 200 Larvenfischerinnen ein anderes Einkommen ermöglicht. Sie halten jetzt Hühner und Enten und bewirtschaften gemeinsam mit der Familie ein Stück Land. Von den Garnelenfarmern in Indien wirtschaften ungefähr 20 bis 25 Prozent nachhaltig. Aber die Mehrheit arbeitet immer noch auf diese umweltschädliche Weise mit viel Chemieeinsatz."
Einer, der sich hat überzeugen lassen, ist Harihar Choudhury, ein kleiner, ruhiger Mann, der bedächtig spricht und sich für einen einfachen Bauern sehr gut auszudrücken weiß.
Er checkt den Deich seines Garnelenteichs auf Bruchstellen. Nur etwa 100 Meter entfernt fließt ein größerer Seitenarm des Madla-Flusses. Von dort lässt Choudhury während der Flut Wasser in seinen Garnelenteich fließen. Er lebt in einem Dorf rund zwei Kilometer entfernt, wo seine Familie zusätzlich Reis und Gemüse anbaut. Doch er hat eine provisorische Hütte aus Lehm neben den langgezogenen Teich gebaut, denn häufig muss er nachts raus, wenn die Flut in diese Zeit fällt.
Bereits Choudhurys Vater züchtete hier einst Garnelen, aber musste dies vor etwa zehn Jahren aufgeben.
"Unsere Vorfahren haben hier vor langer Zeit Fisch und Garnelen gezüchtet", sagt Choudhury. "Früher lag dieses Land tiefer und so floss das Wasser über einen Kanal leicht hier hinein. Unser Teich war voller unterschiedlicher Fische und Garnelen, die mit den Gezeiten hier landeten. Sie brachten ein gutes Einkommen, aber mit der Zeit lagerte sich zu viel Sediment ab, das den Wasserspiegel erhöhte und der Fluss selbst begann auszutrocknen. Weil nicht mehr genug Wasser in den Teich floss und auch wegen der starken Hitze im Sommer konnten die Fische und Garnelen hier nicht überleben."
Natürlicher Kreislauf ermöglicht Zucht ohne künstliche Zusätze
Choudhury und sein Vater versuchten zehn Jahre lang, auf diesem Land Reis anzubauen, aber wegen des hohen Salzgehalts im Boden durch die jahrelange Nutzung als Fisch- und Garnelenteich war die Ausbeute sehr mager. Choudhury ließ sich daher leicht für das Pilotprojekt gewinnen:
"Mein Vater wollte das Land eigentlich verkaufen, weil man nichts darauf anbauen konnte. Als die Leute von dem Projekt hierherkamen, dachten wir uns, wir können es ja mal versuchen. Das Land liegt sowieso brach. Wir haben erstmal nicht daran geglaubt, dass es klappt, aber nun sind wir sehr froh. Unsere Nachbarn fragen dauernd, wie wir das gemacht haben. Sie wollen auch so eine Farm anlegen."
Die Organisation schickte einen Bagger, um den Teich auszuheben. Die restliche Arbeit machte Choudhury selbst. Er nutzt keine künstlichen Zusätze. Das Futter wächst von allein.
"Als Larven ernähren die Garnelen sich von Plankton. Wenn sie wachsen, dann fressen sie die Wurzeln von Seetang, der hier wächst. Ohne die Wurzeln driftet der Seetang an die Oberfläche. Dann sammeln wir ihn ein, fermentieren ihn und machen eine Art Dünger daraus. Den werfen wir wieder in den Teich, er sinkt zu Boden und so wächst neuer Seetang. Mit diesem Kreislauf ernähren wir die Garnelen."
Demnächst kann Choudhury vielleicht auch Mangrovenlaub verfüttern, sagt Milon Sinha:
"Wir legen Wert darauf, dass die Züchter einen Teil des Landes mit Mangroven wieder aufforsten, etwa 30 bis 40 Prozent. Die Blätter der Mangroven dienen den Garnelen als Futter. Dann kann man auf industriell erzeugtes Futter wie etwa Fischmehl verzichten. Der Bedarf an Fischmehl wächst ständig. Man verarbeitet da Speisefische und auch kleine Garnelen. Das zerstört die natürlichen Fischgründe."
Choudhury hält auch keine Unmengen an Garnelen in seinem Teich wie die anderen Züchter, sodass es nicht so leicht zum Ausbruch von Krankheiten kommt. Er nutzt sogar eine traditionelle Technik, um die Dichte der Garnelen während des Wachstums zu verringern.
"Nach drei Monaten verkaufen wir einen Teil der Garnelen, aber einige behalten wir noch ein bis zwei Monate länger. Weil sie mehr Platz haben, wachsen sie dann schneller. Nach drei Monaten müssen wir also zuerst etwas Platz schaffen, denn wenn zu viele Garnelen im Teich sind, können sie leichter krank werden."
Indische Bio-Garnelen für deutsche Handelsketten
Choudhuruy steigt mit einem Köcher aus Bambus in den Teich. Er will ein paar Garnelen fangen, um sie zu zeigen. Einige von ihnen sind so lang wie eine Hand und grauschwarz in der Farbe, so wie sie sein sollen. Für diese Qualität bekommt er rund 9 Euro das Kilogramm. Choudhury hofft, dass er insgesamt einen guten Gewinn für seine Garnelen erzielen kann. Es ist das erste Jahr, seit er mit der Zucht begonnen hat.
Die Organisation "NEWS" hat mithilfe eines Großhändlers in Kalkutta schon einige Vermarktungsmöglichkeiten etabliert, darunter auch nach Deutschland. Black-Tiger-Garnelen aus dem Projekt liegen beispielsweise bei der Bio-Supermarktkette Alnatura in den Kühltruhen. (*) Mehrere große internationale Handelsketten, darunter Aldi-Süd, haben in die nachhaltige Garnelenzucht in den Sunderbans investiert, sagt Ajanta Dey.
Aber allein auf Bio umzustellen würde zu kurz greifen, meint sie. Kleine Züchter wie Choudhury könnten ohne die Hilfe der NGO kaum all die Dokumentationsarbeit leisten, die für ein Biosiegel erforderlich ist.
"Ich finde dieses Zertifizierungssystem für Bioprodukte sehr schwierig. Wenn man da ein sehr strenges System hat, werden wieder nur die großen Player dominieren. Aber es muss von den kleinen Züchtern ausgehen. Sie sind die, die wirklich vor Ort das natürliche Gleichgewicht bewahren. Von den kommerziellen Farmen braucht man das nicht zu erwarten. Diesen Aufruf würde ich gern über ihr Radio an die Zertifizierungsstellen schicken."
(*) Bei der Recherche des Beitrags ist es leider zu einer Verwechslung gekommen. Die von Alnatura verkauften Garnelen stammen nicht aus dem Projekt von NEWS, sondern aus einem anderen Projekt für nachhaltige Aquakultur in den Sunderbans. Ein kleiner Teil des Verkaufserlös kommt allerdings NEWS zugute. Die Organisation finanziert damit Projekte zum Schutz und der Wiederaufforstung von Mangroven in den Sunderbans