Indien

Strecken, beugen, Lehre machen

Auch in Deutschland längst ein Massen-Trend: Yoga
Auch in Deutschland längst ein Massen-Trend: Yoga © Marianne Allweiss
Von Jürgen Webermann |
Das Yoga-Zentrum Sri Aurobindu Aschram ist ein Zufluchtsort für Menschen aus armen Familien. Dort werden sie zu Köchen und Schneidern ausgebildet – und erhalten Unterweisung in der alten indischen Philosophie.
"Ommm"
Hier ist sie weit weg, die laute und staubige 20-Millionen-Stadt Neu Delhi. Der Sri Aurobindu Aschram liegt zwar mitten in der indischen Hauptstadt. In der Yogahalle aber machen nur die Ventilatoren an der Decke Krach. Ein Schild am Eingang gibt die Regeln vor: Schuhe, Telefone und ein zu großes Ego müssen draußen bleiben.
"Ommm"
Richtige Entscheidungen treffen, dank Yoga?
Ramesh gibt die Anweisungen. Ein kleiner, zierlicher Mann mit grauem Bart. Seine Schülerinnen und Schüler kommen aus ganz Indien –und aus armen Familien. Im Aschram werden sie zu Köchen und Schneidern ausgebildet, sie erhalten Computerkurse – und ganz zentral: Sie machen Yoga. Für die Schülerinnen und Schüler ist Ramesh der Guru.
"Wenn wir Yoga in unseren Alltag aufnehmen, hilft es uns, die richtigen Entscheidungen zu treffen, und das, was uns im Leben passiert, einzuordnen. Wir können Dinge als Unglück begreifen, aber gleichzeitig auch als eine Chance, unseren Geist zu formen. Yoga hilft uns dabei, das Leben mit anderen Augen zu sehen."
Eine ganze Stunde lang kann Ramesh über Yoga philosophieren, ohne dabei inne zuhalten. Ramesh ist eigentlich Mediziner, und Yoga ist für ihn so etwas wie die gesündeste Form, Körper und Geist fit zu halten. Ganzheitliches Yoga nennt er das, was sein eigener Guru Aurobindu ihm gelehrt hat. Eine Mischung aus ruhigem Hatha-Yoga, Meditation und Atemübungen.
"Einfach die verschiedenen Yoga-Arten durchzugehen, darum geht es nicht. Es geht darum, alles, was wir tagsüber machen, zu verinnerlichen. Ganz bewusst."
Auf der Suche nach geistiger Reinheit
Yoga ist in Indien Bestandteil des Alltags. Hier haben die großen Gurus gelehrt und lehren immer noch. Viele Millionen Inder suchen eine Art geistige Reinheit, sie hoffen, dadurch Krankheiten loszuwerden. Yoga, das ist vor allem eine Philosophie und die Suche nach Ausgeglichenheit – mehr also als etwa ein reiner Work-out im Fitnessstudio. Power Yoga oder Schwitzyoga – das hat für Ramesh dennoch eine Berechtigung:
"Das sind Antworten auf das, was wir modernen Menschen möchten. Wir wollen uns ganz schnell entspannen, aber gleichzeitig ganz schnell fit werden. Wir sind ungeduldig und streben nach schnellen, kraftvollen Übungen. Traditionell ist das sicher nicht. Eher eine Art Zugeständnis an den modernen Lebensstil."
Ramesh bleibt aber bei seinem ganzheitlichen Yoga. Einer, der ihn dafür verehrt, ist Sunil. Ein extrem fitter junger Mann, seine Matte liegt ganz vorne. Jede Übung, die Ramesh vorgibt, macht er mit Leidenschaft, er ist so gelenkig wie niemand sonst in der Yogahalle.
"Es hat mir so viel gebracht in den letzten Jahren. Nicht nur, weil ich fit bin. Es hilft mir, den Alltag zu meistern, stärker zu werden. Ich habe Yoga hier in der Schule gelernt, und eine Stimme in mir hat mir gesagt, dass das genau das Richtige für mich ist."
Sunil arbeitet als Küchenhelfer. Er kam vor wenigen Jahren in den Aschram. Und er will erst einmal bleiben.
Vom Schüler zum Lehrer
"Ich beginne jeden Morgen mit Atemübungen, dann gehe ich raus, um zu laufen. Danach mache ich den Sonnengruß. Abends meditiere ich, um das, was am Tag passiert ist, einzuordnen und zu verarbeiten."
Wenn er zu Ramesh kommt, dann arbeitet Sunil jedoch auch an einem anderen Ziel. Er will selbst Yogalehrer werden. Ramesh sagt, dass Sunil das Zeug dazu hat. Als Sunil das Lob des Meisters hört, lächelt er schüchtern.
Mehr zum Thema