Bevölkerungswachstum in Indien

Auf dem Weg zur Weltmacht

08:20 Minuten
Eine riesige Menschenmenge drängt sich am zum Neujahrsempfang am 31. Dezember 2022 in Neu-Delhi vor dem illuminierten India Gate.
Bald ist Indien das bevölkerungsreichste Land der Erde: Tausende Menschen feiern den Beginn des Jahres 2023 vor dem illuminierten India Gate in Neu-Delhi. © Getty Images / Hindustan Times / Raj K Raj
Sandra Destradi im Gespräch mit Stephan Karkowsky |
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Indien wird schon bald das bevölkerungsreichste Land der Erde sein. Das unterstreiche Indiens Anspruch auf eine wichtigere Rolle in der Welt, sagt die Politologin Sandra Destradi. Dabei lege das Land seit Langem Wert auf einen eigenständigen Weg.
Indien wird China als bevölkerungsreichstes Land der Erde noch in diesem Jahr überholen. Umso mehr beansprucht das aufstrebende Land eine führende Rolle in der Weltpolitik. Welche Bedeutung hat Indien bereits für die internationalen Beziehungen, welche Ziele verfolgt das Land und wie steht es zum Westen? Die Politikwissenschaftlerin Sandra Destradi von der Universität Freiburg hat die Entwicklung für uns eingeordnet.

Wie versteht Indien seine Rolle in der Welt?

Indien begreift sich als große Nation mit einer jahrtausendealten Geschichte und beansprucht schon von daher eine Rolle als Großmacht in der Weltpolitik. Die künftige Position als bevölkerungsreichstes Land der Erde kann dieses Selbstverständnis zusätzlich untermauern. Indien, das zurzeit den Vorsitz der G20-Staaten innehat, strebt zum Beispiel einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat an.
In der internationalen Politik geht das Land seit langem einen eigenen Weg. Indien legt großen Wert darauf, sich nicht von Allianzen abhängig zu machen. Gleichzeitig zeigt es durchaus die Bereitschaft, Verantwortung und Kosten bei der Lösung globaler Probleme zu übernehmen, eigenen wirtschaftlichen Schwächen zum Trotz.

Wie mächtig ist Indien wirklich?

Indien hat seine militärischen Kapazitäten massiv ausgebaut, erreicht damit aber bei Weitem nicht das Niveau der USA oder Chinas. Indiens regionales Umfeld ist problematisch und bremst den Aufstieg des Landes zur Weltmacht: Der nuklear bewaffnete Rivale Pakistan bereitet dem Land als Nachbar Probleme, ebenso wie die große Wirtschaftsmacht China.
Die wachsende Bevölkerung bringt auch enorme Herausforderungen für Indien mit sich: Es heißt, jeden Monat müssten eine Million neue Jobs geschaffen werden, um mit der demografischen Entwicklung Schritt zu halten.

Welche internationalen Ziele verfolgt Indien?

Seit seiner Unabhängigkeit 1947 hat das Land über verschiedene Regierungen hinweg stets eine eigenständige Außenpolitik verfolgt. Im Kalten Krieg legte Indien Wert auf Blockfreiheit, später bekannte man sich zu "strategischer Autonomie". Bei Abstimmungen über die Haltung der Vereinten Nationen zu Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Indien sich mehrfach enthalten. Indien möchte sich nicht vereinnahmen zu lassen, zum Beispiel auch nicht vom Westen gegen China.

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In der Klimapolitik vertritt Indien wie viele andere Staaten des globalen Südens die Position, dass die historische Verantwortung für die Klimaerwärmung bei den Industrieländern liegt. Gleichzeitig hat Indien aber auch selbst Initiativen ergriffen, wie etwa die 2015 zusammen mit Frankreich ins Leben gerufene internationale Solar-Allianz, der sich inzwischen auch Deutschland angeschlossen hat.

Wie steht Indien zum Westen?

Indien verfolgt gemeinsame Interessen mit dem Westen, das Land beteiligt sich dementsprechend auch an Initiativen wie der Sicherheitsallianz QUAD mit den USA, Australien und Japan, möchte aber nicht, dass das zu einer formalen Allianz wird.
Aus dem Westen wird Indien als Staus-quo-Macht und weit weniger als bedrohlicher Akteur in der Weltpolitik wahrgenommen als etwa der große Nachbar China. Insgesamt bringt der Westen dem Land noch vergleichsweise wenig Interesse entgegen, nicht zuletzt vielleicht, weil die wirtschaftlichen Verflechtungen mit Indien deutlich geringer sind als mit China.

Welche Rolle spielt Entwicklungszusammenarbeit?

Die indische Wirtschaft wächst kräftig um derzeit 6,8 Prozent. Gleichzeitig bekommt Indien aber noch Gelder aus der Entwicklungszusammenarbeit. Damit stellt das Land keine Ausnahme dar, auch andere aufstrebende Länder des globalen Südens erhalten weiterhin eine solche Unterstützung.
Indien hat indessen von sich aus die Zahl der Geberländer auf fünf begrenzt, darunter auch Deutschland. Bereits seit einigen Jahrzehnten ist Indien zudem nicht nur Empfänger, sondern auch ein Geberland im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit.
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