Mit Kuh-Urin und Dungbädern gegen Corona
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Hindugruppen haben in Indien dazu aufgerufen, das Coronavirus mit Kuhfäkalien zu bekämpfen. Allzu laut sollte das niemand kritisieren: Es könnte fanatische Kuhschützer auf den Plan rufen, die unter der hindunationalistischen Regierung Aufwind haben.
In Krisenzeiten wie diesen greifen wir gerne auf Bewährtes zurück, weil es einfach gut ist – oder vielleicht auch, weil es keine Alternative gibt. In Indien jedenfalls hat man sich in der Corona-Pandemie wieder auf eine seit Jahrhunderten erprobte Heilkraft besonnen: die Heilkraft der Kuh. Die ist im Hinduismus von jeher heilig, in den alten Schriften, den Veden, wird sie als "Erfüllerin aller Wünsche" gepriesen. Und so haben Hindugruppierungen dazu aufgerufen, das Virus mit Kuhdung und Kuhurin zu bekämpfen, erzählt unsere Südasien-Korrespondentin in Neu-Delhi, Silke Diettrich.
Einige Menschen scheinen diesem Aufruf zu folgen: Ein Video im Netz zeigt beispielsweise drei Männer und einen Jungen, die in einem großen Fass voller Kuhfäkalien sitzen und mit dem Kopf untertauchen. Die Idee dahinter: Das Jauchebad schützt und verhindert, dass das Virus in den Körper eindringt.
Im Sinne der traditionellen Heilkunst
In Neu-Delhi hat eine Hindu-Organisation außerdem eine sogenannte "Kuhurin-Party" organisiert und auf der Straße Kuhurin als Getränk gegen das Virus angeboten. Der Vorsitzende der Gruppe, Sir Maharaj, hat in einem Interview erzählt, das sei ganz im Sinne der traditionellen Heilkunst: "Sehen Sie, die Schulmedizin hat kein Mittel gegen Corona. Was sollen wir machen? Das ist unsere Art, mit Krankheiten umzugehen. Und das wird letztendlich Corona heilen. So viele Menschen in anderen Ländern folgen inzwischen der indischen Kultur und unseren Traditionen. Das ist unser Glaube und der wird auch eine Heilung bringen. Deshalb trinken wir Kuhurin."
Wer sich durch eine solche Kur geschützt wähnt, geht möglicherweise sehr viel leichtfertiger mit der Coronagefahr um. Die Zahl der Coronafälle in Neu-Delhi würden jedenfalls steil ansteigen, sagt Diettrich.
Kuhdung gegen Handystrahlung
Aber auch gegen Handystrahlung soll Kuhdung helfen. Die sogenannte Kuh-Kommission, die dem Ministerium für Tierhaltung und Milchwirtschaft untersteht, und es sich zur Aufgabe gemacht hat, alles rund um die Kuh zu erforschen und das Tier zu schützen, hat vor Kurzem eine Art Chip aus Kuhdung vorgestellt: In die Handyhülle gesteckt soll er vor gefährlicher Strahlung schützen.
Natürlich gebe es Inderinnen und Inder, die nun das Kuhdung-Bad, den Urintrunk und die Anti-Strahlen-Handyhülle belächeln und Studien bezüglichen der Wirksamkeit einfordern, sagt Silke Diettrich. Allerdings nicht viele.
Für sie aber sei es schon schwieriger geworden, Kritik diesbezüglich zu üben. Denn das könne Kuhschützer auf den Plan rufen. Und deren Tierliebe nehme teilweise fanatische Züge an, so Diettrich.
Hindunationalisten im Aufwind
Ein Kuhschützer, den sie getroffen habe, habe ihr ganz offen gesagt, dass er und seine Mitstreiter bereit seien, für ihre Kühe zu töten, erzählt die Indien-Korrepondentin. Immer wieder komme es vor, dass Lastwagen mit Kühen, die möglicherweise zum Schlachten gebracht werden, von Tierschützern gestoppt – und die Fahrer zu Tode geprügelt werden. In vielen indischen Bundesstaaten ist es offiziell verboten, Rinder zu schlachten, aber diese Kuhschützer nehmen das Gesetz auch mal gerne selbst in die Hand. Seit die hindunationalistische Partei BJP an der Macht ist, werde gegen solche Selbstjustiz wenig unternommen, meint Diettrich.
(lkn)