Indischer Schubert

Auf der Opernbühne des Saarländischen Staatstheaters fand nun eine kleine Sensation statt: "Sakontala", eine bisher nie gespielte Oper von Franz Schubert, hat ihre szenische Uraufführung erlebt – 200 Jahre nach ihrem Entstehen. Solche Entdeckungen kann man in Saarbrücken öfter machen, seit Berthold Schneider dort Operndirektor ist.
"Oper ist erstmal mein Leben. Ganz klar. Ich glaub, dass wir mit der Oper sehr viel erzählen können über das Leben insgesamt."

Und darum reicht es dem Saarbrücker Operndirektor Berthold Schneider nicht, das immer gleiche Mozart-Verdi-Wagner-Repertoire zu spielen. In nur dreieinhalb Jahren hat er den Opernspielplan seines Hauses zum interessanten der Republik gemacht - fanden zumindest die deutschen Theater- und Musikverlage, die letztes Jahr das Saarländische Staatstheater für sein innovatives Opernprogramm ausgezeichnet haben. Und auch das Saarbrücker Publikum hat Berthold Schneider neugierig gemacht: mit Erst- und Uraufführungen verschollener Barockwerke und zeitgenössischer Opern, mit spartenübergreifenden Inszenierungen zwischen Schauspiel und Oper, mit überraschenden, neuen Regiekonzepten wie der "szenischen Skulptur", bei der auch schon mal das Orchester mit auf der Bühne sitzt und der ganze Raum plötzlich neue Perspektiven eröffnet.

"Das ist auch ein zentrales Anliegen meiner Arbeit im Theater, dass man etwas wegkommt von dieser Zentralperspektive, dass man Geschichten parallel erzählen kann und nicht sagt: da gibt es einen Punkt, auf den gucken alle, sondern es soll mehrere Punkte geben, die gleichzeitig wahrzunehmen sind."

Perspektiven verändern, den Blick vom Gewohnten auf das noch nie Wahrgenommene lenken. In diesem Sinn hat Berthold Schneider nun auch die nie gespielte Oper "Sakontala" von Franz Schubert inszeniert.

"Wir spielen nur eine Szene auf der eigentlichen Bühne, alles andere passiert im Vorbühnenbereich, um das Orchester herum, es entsteht ein gemeinschaftlicher Raum mit den Zuschauern, man ist nicht mehr getrennt."

Und statt einfach nur das Libretto nachzuerzählen – eine fast 2000 Jahre alte Geschichte aus Indien – entfaltet der Saarbrücker Operndirektor einen ganzen Kosmos. Obwohl oder gerade weil in Schuberts Oper kein einziger Ton indischer Musik vorkommt, erkundet Bertold Schneider die Vorstellungen, die wir Heutigen uns von Indien machen. Von der Sanskrit-Sage bis zum indischen Billig-Auto Tata Nano. Denn Oper, findet Berthold Schneider, erzählt vom Leben insgesamt.

"Das kann die Oper besser als jedes andere Genre, deshalb sollte man sich den Luxus leisten, und das ist es auch, was die Menschen begeistert."

Rezensiert von Sven Rech