Indonesien

Malen in der Todeszelle

Myuran Sukumaran
Der Australier Myuran Sukumaran am 04.03.2015 in Cilacap/Indonesien. © AFP PHOTO/FILES
Von Andreas Stummer |
Wegen Drogenschmuggels wurde 2005 der Australier Myuran Sukumaran von einem indonesischen Gericht zum Tode verurteilt. Während der Haft begann er erfolgreich mit der Malerei und gab sogar Kurse. Trotz aller Proteste soll Sukumaran bald hingerichtet werden.
Mahnwache für einen Drogenschmuggler. An einem nasskalten Herbstabend drängen sich hunderte Menschen in der der Innenstadt von Sydney um eine Bühne. Es gibt Musik und Reden, brennende Kerzen werden hochgehalten. Die Kundgebung ist für den Australier Myuran Sukumaran, der in Bali in der Todeszelle sitzt. Nach zehn Jahren Haft soll der heute 33-Jährige wegen des versuchten Drogenschmuggels von mehr als acht Kilogramm Heroin in den nächsten Tagen oder Wochen hingerichtet werden.
Organisiert hat die Kundgebung der australische Porträtkünstler Ben Quilty, er hat auch das Schwarz-Weiß-Foto von Myuran Sukumaran gemacht, das als mannshohes Poster über der Bühne hängt. Es zeigt einen rundlichen, kahlgeschorenen Kopf mit weichen Zügen und wachen, dunklen Augen. Für die meisten Australier ist es das Gesicht eines verurteilten Drogenschmugglers, Ben Quilty aber sieht eine verwandte Seele, einen Künstlers.
"Ich bin sehr stolz darauf, was Myuran im Gefängnis erreicht hat. Wenn ihn die Indonesier bis zum Jahresende am Leben lassen, dann bekommt er seinen Bachelor der bildenden Künste von der Universität Melbourne. Ich habe Muryan die letzten drei Jahre unterrichtet und ihn so oft ich konnte im Gefängnis besucht."
Eine ungewöhnliche Freundschaft
Der Maler und der Drogenschmuggler: Quilty’s ungewöhnliche Freundschaft mit Myuran Sukumaran begann vor vier Jahren – per Email. Sukumaran bat Australiens Porträt-Guru über seine Anwälte um Tipps: Seinen Porträts fehle es an Tiefe, seinem Pinselstrich an Selbstvertrauen. Was tun? Statt zu antworten packte Quilty Ölfarben und Leinwände und besuchte Sukumaran in seiner Zelle in Bali.
"Myuran sitzt im Gefängnis, seit er ein junger Mann war, er hatte nie Kunstunterricht und keinen Zugang zu Büchern. Aber er ist ein Naturtalent. Seine Stärke ist, wie er seine ausweglose Situation auf die Leinwand bringt. Er malt seelische Abgründe und Männlichkeit. Dinge, an denen ich seit Jahren arbeite."
Aus einem Besuch wurde ein Dutzend, aus dem Drogenschmugler Muryan Sukumaran wurde ein Kunststudent und dann selbst ein Mentor. Was er von Ben Quilty lernte, das gab er im Gefängnis weiter. Bald standen Mithäftlinge Schlange um Sukumaran’s Mal-Workshops zu besuchen. "Myuran ist rehabilitiert", sagt Ben Quilty. Er sei ein vorbildlicher Strafgefangener, der seine Tat bereue und Gutes tue. Er wolle nichts weiter als leben und kreativ sein. Ihn jetzt vor ein Erschießungskommando zu stellen sei ein Verbrechen:
"Myuran’s Kunst-Klassen werden selbst von früheren Häftlingen besucht, die nur wegen der Workshops zurück ins Gefängnis kommen. Kunststudenten reisen aus ganz Indonesien an, sogar eine Gruppe norwegischer Studenten war da. Es ist beeindruckend, was Myuran die letzten Jahre im Gefängnis aufgebaut hat."
Maler Ben Quilty hat sich im März in Bali von Myuran Sukumaran verabschiedet. Er fürchtet zum letzten Mal. Doch sein Student vergeudet keine Minute. Obwohl er jeden Moment aus seiner Zelle geholt und hingerichtet werden kann, malt er weiter. Ein Bild nach dem anderen.
"Myuran ist nicht nur mein Freund, er hat mir auch die Macht der Kunst gezeigt. Ich war mir über diesen Drang, kreativ sein zu müssen, nie mehr bewusst als während der Zeit, die ich mit Myuran in seiner Todeszelle verbracht habe."