Bis zum Beginn der Frankfurter Buchmesse sendet Deutschlandradio Kultur täglich kleine Impressionen der Schriftstellerin Ulla Lenze über Indonesien. Denn Indonesien ist dieses Jahr Ehrengast auf der Buchmesse. Lenze hat das Land 2015 auf Einladung des Goethe-Instituts als Gast des Residenzprogramms für deutsche Autoren vier Wochen bereist.
Aus allen Ecken kriechen Klänge hervor
Die hupenden Blechlawinen in der Hauptstadt Jakarta, das brutzelnde Gemüse in den Garküchen, die Gesänge der Muezzins - in Indonesien ist es selten still. Die Schriftstellerin Ulla Lenze hat das Land bereist und spricht über ihre Eindrücke.
Die Straßen in Jakarta sind ein einziger Fluss aus Blech. Wenn jemand dir fast ins Ohr pfeift, ist das die Einparkhilfe, ein Typ, der mit dem autoritären Gebaren eines Polizisten jeden Autofahrer, der ein- oder ausparken will, in ein spontanes Geschäftsverhältnis verwickelt, ihn mit einer Hand herauslotst, mit der anderen unter dem Einsatz seines Lebens die heransausende Blechlawine zum Stehen bringt. Aus dem Fenster wird ein Geldschein gereicht, ein üblicher Anblick, die Hand, die Hände, in dieser Blechwüste, den Abgasen, dem Lärm.
Und dann stehen da Jungs am Straßenrand und beobachten das alles. Manchmal hält ein Auto und sie steigen ein. Es sind Jockeys, sie lassen sich mieten fürs Mitfahren. Einem Gesetz zufolge, dass die Verkehrsstaus drosseln soll, muss in bestimmten Gegenden das Auto mit drei Personen belegt sein. Nach der Kontrollzone steigen die Jockeys aus, laufen zurück, und lassen sich neu mieten.
Nelkenzigarettenduft leuchtet im Sonnenlicht, und in den mobilen Fahrküchen brutzelt Gemüse.
Still ist es ganz selten in Indonesien. Die Dunkelheit, die sich tropisch schnell ausgießt, entwickeln weitere Geräusche. Aus allen Ecken, aus allen Richtungen kriechen neue Klänge hervor, gleichmütig gegeneinander.
Das Grillenzirpen, die Vögel, die Mopeds, der Muezzin - nicht bloß einer, nein von allen Moscheen ringsum schraubt sich sein Gesang in die tropische Dunkelheit. Bambusklangspiele, Vögel, und Mopeds. Die Gegenwart aller, der Natur, der Menschen, zu jeder Zeit. Doch manchmal ist es, als könnte man in diesen warmen weichen tropischen Abenden unsichtbar werden, weil genug Leben um einen herum ist.