Wo die Stille Luxus ist
Die Schriftstellerin Ulla Lenze macht Urlaub von der indonesischen Großstadt auf einer der vielen Inseln. Plötzlich kann sie wieder den Vögeln lauschen und empfindet die sonstige Stille als puren Luxus.
Ich habe die lärmenden Großstädte Javas und Sumatras hinter mir, und alles hier auf der Insel ist von der ersten Sekunde an entspannt. Der Taxifahrer fährt mich durch Siedlungen aus Holz- und Steinhäusern, die frei stehen auf grünen Rasenflächen. Ich halte das zunächst für das Vorzeigegebiet in Flughafennähe, aber so bleibt es auf der ganzen Insel, bis auf die eng gebauten Fischerdörfer.
Die Häuser sind bunt und wirken auf ihren Holzstelzen, von der Erde abgerückt, wie Träumen entnommen, wie die unwirklichen Unterwasserwelten, die ich beim Tauchen entdecke. Die Korallenriffs scheinen der Insel die Häuserfarben vorzugeben - Kiwigrün, Limonengelb, Auberginenblau, Senffarben - ein unbekümmertes Farbenspiel, fröhlich, und sich selbst genügend.
Ich beziehe ein Cottage, das vom Meer durch eine Landstraße getrennt ist. Man kann stundenlang auf der Veranda sitzen, den tropischen Vögeln lauschen und spüren, wie die Abwesenheit von allem - dem Smog, dem Verkehrslärm, den Stimmen, der Musik, der Werbung - plötzlich wie Luxus anmutet.
Wenn einem langweilig wird, kann man sich mit anderen Idyllen beschäftigen; man kann Inselshopping machen. Ein Fischkutter setzt von Insel zu Insel über, eine Robinsonade nach der nächsten. Und wenn das Boot zwischendurch liegenbleibt auf offener See - auch das kommt vor - tuckert ein anderer Fischkutter heran, wirft ein Seil rüber und schleppt einen zur nächsten Insel.
Das passiere öfter und sei gar kein Problem, auch weil alle miteinander befreundet sind. Auf der kleinsten aller Inseln gibt es immer noch jemanden, der einem eine Kokosnuss aufschlägt, einen Strohhalm hineinsteckt, und einen dann weiterträumen lässt von den vielen Möglichkeiten des Lebens, etwa der nächstgelegenen, dass der Fischkutter heute nicht mehr repariert wird.