Dieser Schritt war längst überfällig
08:51 Minuten
Kein Tweet, kein Pieps, keine Botschaft: Twitter hat das Profil von Donald Trump gesperrt. Grund dafür sind Ausschreitungen am US-Kapitol durch radikale Anhänger des US-Präsidenten. Für die Publizistin Ines Geipel hätte Twitter schon viel früher reagieren müssen.
Nach viel Druck von außen hat der Kurznachrichtendienst Twitter am Freitag den persönlichen Account von US-Präsident Donald Trump auf unbestimmte Zeit gesperrt. Auch als der Republikaner versuchte, seine Meinung und Botschaften über das offizielle Präsidentenprofil auf der Plattform kundzutun, wurden diese Beiträge von dem US-Unternehmen gelöscht und die Accounts seines Teams lahmgelegt. Grund für die Einschränkung der Funktionen ist Twitter zufolge das Risiko einer weiteren Anstiftung zu Gewalt, nachdem Dutzende Trump-Anhänger am Mittwoch den US-Kongress gestürmt hatten.
"Er war ohne Frage der wichtigste Twitterer", sagt Ines Geipel, ehemalige Leistungssportlerin in der DDR und heute Buchautorin und Dozentin an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. "Es hat etwas hoch Bigottes in meinen Augen und ist auch ein bisschen billiger Applaus, den sich Twitter jetzt einholt", so Geipel. Gleichwohl sei es aber wichtig gewesen, diesen Schritt zu tun. "Man hätte bei Trump aber auch vor vier Jahren schon reagieren können", kritisiert sie.
Dennoch sieht Geipel den politischen Symbolwert, mit dem sich Twitter als politischer Akteur positioniere. "Twitter sagt damit: Impeachment greift in der Kürze der Zeit nicht mehr, also beenden wir die Präsidentschaft." Das sei auf dieser Ebene auch ein Abgrenzungsversuch zu anderen Apps und die Installierung bestimmter Richtlinien, erklärt die Professorin für Verskunst.
"Wir sehen einen völlig schamlos agierenden Präsidenten"
Solche Deaktivierungen führen trotzdem zu der Frage, ob es sich nicht doch um Zensur handelt. "In meiner Wahrnehmung sind wir im Zeitalter der Kojoten und der rechten Netzwerke angekommen", antwortet Geipel darauf und meint, dass soziale Netzwerke wie Twitter oder Facebook immer wieder neu befinden müssten. "Wir müssen immer wieder nach dem Wert der repräsentativen Demokratie, dem Wert von Institutionen fragen", sagt die ehemalige Leichtathletin, die unter anderem als Nebenklägerin im Prozess gegen DDR-Zwangsdoping auftrat. Ihrer Meinung nach stehe eine neue Konsensdebatte an.
"Wir wissen, Amerika ist politisch immer drei Jahre vor Europa und gewisse Analogien haben wir hier auch", sagt Geipel. "Wir sehen einen völlig schamlos agierenden Präsidenten und es musste reagiert werden."
Zu Vorwürfen gegen Twitter, dass im Fall Trump ein Exempel statuiert wird, während andere Accounts weiterhin aktiv Hass, Gewalt und Diskriminierung verbreiten dürfen, erklärt Geipel: "Das ist auch so, weil wir die Dimension und Enthierarchisierung von Medien und Politik derzeit sehr wahrnehmen und sie uns beunruhigt". Es sei überfällig, dass in Netzwerken wie Twitter Regeln geltend gemacht werden.
(lsc)