Inflation der Doktortitel

"Wir machen uns international lächerlich"

Absolventen der HHL Leipzig Graduate School of Management werfen ihre Doktorhüte.
Wenn alle einen Doktorhut haben, kann man ihn auch gleich in den Wind schießen, findet der frühere Berliner Wissenschaftssenator George Turner. © picture alliance / dpa / Jan Woitas
George Turner im Gespräch mit Nicole Dittmer |
Zu viele Promotionen führen zu Qualitätsverlust und zu einer Abwertung des Doktortitels, meint der frühere Berliner Wissenschaftssenator George Turner. "Zum Teil werden Themen behandelt, die an Dünnhäutigkeit nicht zu überbieten sind."
30.000 Promotionen pro Jahr in Deutschland - das findet nicht nur Peter Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, zu viel. Auch der frühere Berliner Wissenschaftssenator, der Jurist und Buchautor George Turner, plädiert dafür, Promotionen auf diejenigen zu beschränken, die eine Wissenschaftskarriere anstreben.
Die hohe Zahl an Promotionen sind für Turner kein Ausweis einer wachsenden Bildungselite. "Sondern da werden zum Teil Themen behandelt, die einfach an Dünnhäutigkeit gar nicht zu überbieten sind", kritisiert er im Deutschlandfunk Kultur.

Wer auf sich hält, braucht Doktoranden

Den Grund für die stark gestiegene Zahl der Doktoranden sieht der frühere Berliner Wissenschaftssenator darin, dass es zu viele Professoren gebe, die das Recht hätten, Promotionen auszugeben. Früher seien nur die Ordinarien dazu berechtigt gewesen.
Der Berliner Literaturwissenschaftler Peter-André Alt ist seit 1. August 2018 Präsident der Hochschulrektorenkonferenz.
Beklagt die zu große Zahl der Promotionen: Peter-André Alt, seit 1. August 2018 Präsident der Hochschulrektorenkonferenz.© HRK
Dann aber seien alle Professoren korporationsrechtlich in den gleichen Stand gehoben worden. "Und damit hatten sie auch das Recht, Doktorarbeiten auszugeben", sagt Turner. "Wer etwas auf sich hielt, musste zusehen, einen kleinen Hofstaat um sich zu versammeln. Und dazu gehörten eben auch Doktoranden."

Fachhochschulen mit Promotionsrecht?

Turner zufolge droht sogar, dass sich die Zahl der Doktoranden noch weiter erhöht. Denn auch die Fachhochschulen strebten danach, das Promotionsrecht zu bekommen, in einzelnen Ländern wie Hessen hätten sie es sogar schon. "Die Relevanz der Themen und die Qualität der Arbeiten wird bestimmt nicht steigen. Wir machen uns eigentlich international lächerlich."
Auch würde in einem solchen Fall eine Promotion weiter abgewertet, warnt Turner: "Dann wird man noch genauer hingucken müssen: Woher kommt eigentlich jemand, woher hat er den Doktortitel?"
(uko)
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