Inflation und Übergewinnsteuer

Entlastung für die Bürger gesucht

53:37 Minuten
Illustration eines Geschäftsmannes, der unter sichtlicher Anstrengung ein Ölfass in einem Einkaufswagen einen steigenden Graph hinaufschiebt
Es geht aufwärts - ausnahmsweise keine gute Nachricht. © imago / fStop Images / Malte Müller
Moderation: Gerhard Schröder |
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Der Krieg in der Ukraine und die Folgen der Pandemie treiben die Inflation voran. Viele ächzen unter steigenden Preisen. Zugleich verzeichnen einige Unternehmen überdurchschnittlich hohe Gewinne. Über die Schlussfolgerungen wird heftig gestritten.
In der gegenwärtigen "Ausnahmesituation" hält der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, die Einführung einer so genannten Übergewinnbesteuerung für sinnvoll. In der durch den Krieg in der Ukraine und die Auswirkungen der Corona-Pandemie verursachten wirtschaftlichen Krise gebe es "Krisenverlierer in sehr großer Zahl". Hier müsse der Staat helfen. Es sei"eine Sache der Solidarität", wenn jene Unternehmen, die in dieser Situation "exorbitant Gewinne" machten, einen Teil davon zurückgeben.
"Die Gewinne einer Firma wie BionTech, die 2020 noch einen Gewinn von 300 Millionen liegen, nun bei 10 Milliarden. Was ist daran so schlimm, wenn wir in dieser Krise sagen, damit sich alle mitgenommen fühlen können: 'Gib' doch mal eine Milliarde ab'. Das lässt sich für alle Branchen denken, die gewonnen haben: Amazon, die Streamingdienste und sogar unser Großhandel bei Lebensmitteln hat unheimlich profitiert. Es geht um eine Ausnahmesituation, eine Sonderabgabe, um eine Volkswirtschaft und die Bevölkerung über eine Krise zu bringen. Ich finde, das ist nicht zu viel verlangt."
Keine "Besteuerungsschocks nach politischen Reflexen"
Dem widerspricht der Ökonom Friedrich Heinemann vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim: Ein gutes Steuersystem müsse berechenbar sein und ähnliche Fälle ähnlich behandeln. Es dürfe keine "Besteuerungsschocks nach politischen Reflexen" auslösen.
"Es ist einfach zutiefst systemwidrig, wenn man jetzt sagt, diese eine Branche besteuern wir höher, weil da Volkes Stimme wütend wird. Das ist keine systematische Steuerpolitik. Berechenbarkeit ist auch wichtig. Die effektive Steuerlast für Unternehmen liegt in Deutschland etwa zehn Prozent über dem EU-Durchschnitt. Alles was jetzt on-top diskutiert wird, kommt obendrauf."
Übergewinnbesteuerung wäre "fair"
Die Wirtschaftskorrespondentin der Tageszeitung "taz", Ulrike Herrmann, hält eine Besteuerung so genannter Übergewinne für grundsätzlich sinnvoll, sieht jedoch Probleme bei der Umsetzung. Mit Blick auf die Diskussion um eine Übergewinnbesteuerung des Unternehmens BionTech fordert die Journalistin eine sorgfältige Bewertung des Verhältnissis zwischen Staat und Markt ein:
"Es ist ja nicht so, dass BionTech seine mRNA-Botenstoffe aus dem Nichts gewonnen hätte. Das war alles Grundlagenforschung, die der Staat bezahlt hat. Beide BionTech-Gründer waren jahrzehntelang an der Uni Mainz, haben ganz viele Forschungsgelder vom Staat bekommen. In diesem Know-How steckt unendlich viel Staatsgeld drin, das sie jetzt privat vermarkten. Das will ich nicht kritisieren, aber man muss ganz klar haben: Ohne den Staat funktioniert dieser Markt nicht. Wenn man also feststellt, dass die Unternehmen abhängig sind vom Staat, damit ihr Markt überhaupt funktioniert, damit sie Umsätze machen können, dann ist es auch fair, dass der Staat Teil der Krisengewinne besteuert."
Gegensteuern mit Wettbewerbsrecht statt Steuerrecht
Christian Reiermann dagegen warnt davor, eine "zulässige Gewinnhöhe" auszurufen. Der Hauptstadtkorrespondent des Magazins "Der Spiegel" verweist darauf, dass sowohl BionTech als auch Mineralölkonzerne bereits Steuern bezahlen. Jedoch agiere kaum eine Branche "ähnlich kartelliert" wie die Mineralölwirtschaft.
"Da gibt es eine überschaubare Anzahl von Anbietern. Dafür hat der Staat natürlich Instrumente, wenn ihm der Wettbewerb zu gering ausfällt. Da gibt es seit Jahrzehnten das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung. Der Staat hat das Bundeskartellamt gegründet. Es hindert doch niemand die Bundesregierung und die Politik daran, diese Instrumente zu schärfen. Aber ich glaube, die Steuerpolitik ist da das komplett falsche Instrument."
(ruk)


Es diskutieren:

- Prof. Friedrich Heinemann, Leiter Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim
- Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands
- Ulrike Herrmann, Wirtschaftskorrespondentin der Tageszeitung "taz"
- Christian Reiermann, Hauptstadtkorrespondent beim Wochenmagazin "Der Spiegel" mit Schwerpunkt Steuerpolitik und Staatsfinanzen

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