Bayern, die CSU und die Stars aus dem Netz
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Seit Rezos Paukenschlag gegen die Union hat es bei der CSU Klick gemacht. Die Partei und von ihr geführte bayerische Ministerien investieren inzwischen gezielt in Influencer – nach dem etwas ungelenken Start mit dem eigenen Influencer-Kanal CSYou.
Die Zukunft der Volkspartei ist ungewiss. Markus Blume, Generalsekretär der CSU, hat sie, die Zukunft, deshalb vorsichtshalber schon einmal nach München eingeladen.
"Ich glaube, wir sind die erste Partei, jedenfalls die erste Volkspartei, die Influencer auch aktiv zu ihrem Parteitag einlädt", sagt Markus Blume, "weil wir sehen, dass heute Meinungsbildung oder Öffentlichkeit ja eben nicht mehr nur durch Presse stattfinden, sondern auch durch sogenannte Influencer in den sozialen Netzwerken."
Influencer, die meist jungen Menschen, die gerne vor einer Webcam aus ihrem Leben erzählen. Lange waren sie eher unpolitisch, doch dann kam Rezo, ein junger Musiker mit blauen Haaren, der auf YouTube eher belanglose Lieder wie den "Bällebad-Song" rappte – 1,7 Millionen Abonnent gucken die Musikvideos regelmäßig.
Reaktion auf den Rezo-Schock
Kurz vor der Europawahl klang Rezo plötzlich anders: "Ich und TJ, wir haben uns einfach in den letzten Wochen mal so ein paar spannende Themen rausgepickt und einfach mal geguckt, was macht die CDU da, was ist ihre Stellung, wie sind die da so drauf – und ich muss ehrlich sagen: Fuck, ist das heftig – ich wusste nicht, wie heftig das ist. Ich werde in diesem Video zeigen, wie CDU-Leute lügen."
Mit dem Video "Die Zerstörung der CDU" war auch die CSU gemeint. Millionen sahen das einstündige politische Coming-off-Age des Youtube-Stars. Parteimanager Markus Blume glaubt zwar: "Die CSU lässt sich nicht zerstören."
Dennoch ist er überzeugt, "dass Rezo den etablierten Parteien eines gezeigt hat: Welche Möglichkeiten heute hier in diesem Thema liegen, welche auch politische Reichweite heute ein Youtube-Video haben kann und – das war für uns vielleicht auch der letzte Anstoß zu sagen: Wir müssen Influencer genauso behandeln wie Presse und deswegen werden beide zu unserem Parteitag eingeladen."
Diesen Schritt findet Carsten Reinemann prinzipiell erfolgsversprechend. Er ist Professor für politische Kommunikation an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
"In einer sich ja sehr, sehr stark differenzierenden Medienwelt werden diese persönlichen Bezüge natürlich umso wichtiger", sagt Carsten Reinemann. "Das sieht man ja in dem, was wir über diese Nähe zwischen Influencern und ihren Followern wissen. Da werden Beziehungen aufgebaut. Wir nennen das auch parasoziale Beziehungen, wo eine sehr große Nähe da ist. Das ist natürlich ein Einfallstor für Einfluss, der sich im Moment vielleicht auf Produkte bezieht, der möglicherweise auch übertragbar ist auf andere Dinge."
Das verstand man wohl als erstes bei den bayerischen Konservativen. Nachdem die Antwort auf Rezo bei der CDU zu einem Kommunikations-Debakel geführt hatte – und möglicherweise auch einige Stimmen bei der Europawahl kostete, ging die bayerische Schwester im Bundestag mit ihrem eigenen Influencer an den Start.
Lästern in Influencer-Manier
CSYou, mit Moderator Armin Petschner: "Klima-Ikone Greta Abramowitsch – Thunberg ist diese Woche mit einer Millionenjacht des Jachtclub de Monaco in New York angekommen."
Lästern in eklektischer Influencer-Manier. Die Häme in Netz und Medien flog der CSU kübelweise entgegen. Von Böhmermann bis heute-show – so gut wie niemand ließ ein gutes Haar am Video.
"Also wenn man jetzt CSYou-Videos sich anguckt, insbesondere das allererste", sagt Carsten Reinemann. "Das war ja wirklich der Versuch, das Ganze in einem Stil zu machen, der auch vielleicht für eine Volkspartei und gerade für eine Regierungspartei in Berlin einfach relativ deplatziert ist."
So erklärt sich der Kommunikationswissenschaftler Carsten Reinemann den Misserfolg. Zumal nicht klar sei, an wen sich die Videos überhaupt richteten. An Unterstützer oder Gegner der CSU.
"Also, die erste Folge war schon eine, die mit sehr starken Farben gezeichnet war", sagt Carsten Reinemann. "Und damit hat aber auch umgekehrt jeder in der Republik verstanden, dass es CSYou gibt. Für mich ist der alte Strauß-Satz entscheidend: Kompliziert denken, einfach reden."
Und diesem Motto bleibt man in den weiteren Folgen treu. Wenn auch weit weniger aufgeregt, dafür selbstironisch – und mit authentischen Gästen wie dem Innenexperten Michael Kuffer: "Ihr habt's ja die erste Folge unseres CSYou kräftig kommentiert und ich muss euch ganz ehrlich sagen: Ich bin euch dankbar dafür. Weil ich hab's nämlich von Anfang an g'sagt, dass es so ned geht."
Oder mit dem jungen CDU-Abgeordneten Philipp Amthor: "Nachdem ich Instagram für mich entdeckt habe, habe ich mir gedacht: Jetzt mache ich mal ein Amthor-Video für die CSU im Bundestag. Danke an die Schwester, auf geht's!"
Doch auch auf anderen Ebenen setzt die CSU auf Influencer. So plant die bayerische Sozialministerin Kerstin Schreyer, eine Influencerin zu engagieren, um für soziale Ausbildungsberufe zu werben – auch wenn sie selbst gar keine Influencer-Videos schaut: "Ich werde zu Hause von meiner Tochter begleitet."
Doch darum gehe es gar nicht. Sondern um die Zielgruppe.
"Wenn wir für soziale Berufe werben wollen, muss es ja den 13- bis 18-Jährigen gefallen", sagt Kerstin Schreyer, "und die lesen nicht immer alle Zeitung und hören auch nicht immer alle Radio. Denn die Influencer haben dort einen ganz großen Zugriff."
Videos über Verhütung und Safer Sex
Wie so eine zielgruppengerechte Ansprache dann aussieht, zeigt die Kampagne "STI auf Tour" des bayerischen Gesundheitsministeriums.
"Nächste Frage ist, wann würdest du mit einem potenziellen Partner über das Thema Safer Sex sprechen? Ich persönlich finde, dass so ein Gespräch über das Thema Safer Sex auf jeden Fall stattfinden sollte, bevor man das erste Mal mit der Person schläft." Die blonde Beauty-Vloggerin Julia Maria, ganz in Rosa gekleidet, ermutigt ihre knapp 2 Millionen Abonnenten dazu, über Verhütung zu sprechen.
Das Video ist als Werbung gekennzeichnet – und gesponsert vom bayerischen Gesundheitsministerium. Ihr Kollege Jonas Ems, 22, sommersprossiger Vlogger mit knapp drei Millionen vor allem minderjährigen Followern geht es in seinem Video zusammen mit seiner Freundin spielerischer an.
"Denise, schaffst du es, über eine Banane ein Kondom zu ziehen?"
"Dann streift man das ... "
"Scheiße, die Banane ist voll ... Also normalerweise sollte das ein bissl härter sein bei dem Typen, sonst müsst ihr noch mal anders irgendwie, ich wollt's nur anmerken."
"Dann streift man das ... "
"Scheiße, die Banane ist voll ... Also normalerweise sollte das ein bissl härter sein bei dem Typen, sonst müsst ihr noch mal anders irgendwie, ich wollt's nur anmerken."
Bei Aufklärung lassen sich Influencer sinnvoll einspannen, sagt Kommunikationswissenschaftler Carsten Reinemann: "Das ist eben eine völlig andere Geschichte, als wenn ich jetzt eine harte politische Diskussion auf einem Youtube-Channel führe, wo ich unter Umständen irgendwelche Leute attackiere. Völlig andere Geschichte, als wenn ich sage: Passt auf, macht Safer Sex. Und dann wird's euch besser gehen. Das sind völlig andere Geschichten. Deswegen gelten da glaube ich auch ganz andere Regeln."