"Schlimmer kann's immer werden"
18 Jahre lang hielt sich Angela Merkel an der Spitze ihrer Partei, seit 13 Jahren regiert sie das Land. Nach der Wahlschlappe in Hessen hat sie nun ihren Rückzug aus der Politik angekündigt. Autor Ingo Schulze sieht die Schuld aber nicht allein bei ihr.
Obwohl ihn die "Rückzugsrede" der Bundeskanzlerin überrascht hat, meint der Schriftsteller Ingo Schulze, dass es doch schon Merkels Stil sei, auf etwas zu reagieren. Selten habe sie etwas von sich aus getan - ohne Not. So sei es nun auch diesmal: Mit ihrer Entscheidung habe sie auf das Ergebnis der Hessenwahl reagiert.
"Offenbar gibt es ja schon so eine Faszination der Macht, dass diejenigen, die daran hängen, sie kaum freiwillig wieder aus der Hand geben", wundert sich Schulze.
Furchtbare Alternativen
Der 55jährige ist zwar ein bekennender Nicht-Merkel-Wähler. Dennoch steht er den möglichen Alternativen skeptisch gegenüber: "Schlimmer kann's immer werden, und wenn man sich die neuen Kandidaten anschaut, da kann man auch schon ein bisschen in Furcht geraten." Bei jemandem wie Friedrich Merz würde dann "ein anderer Wind" wehen. Merz ist derzeit Vorsitzender des Aufsichtsrats beim deutschen Ableger des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock. Lobbyarbeit und politisches Amt würden dann übereinstimmen, so Schulze.
Viel zu lange Große Koalition
Die Schuld für die politische Misere, in der sich die CDU und Merkel befinden, läge aber nicht allein bei der Kanzlerin. "Ich würde meine Vorwürfe an die andere Seite richten, dass man ihr so entgegen gekommen ist, dass man es ihr so leicht gemacht hat." Durch die Agenda 2010 hätte Angela Merkel die SPD "immer im Schwitzkasten" gehabt. Die lange Große Koalition hätte die Opposition im Bundestag "marginalisiert" und daher seien "keine grundlegenden Auseinandersetzungen geführt" worden. "Das ist ein ganz großer Grund für das Erstarken der nationalistischen Rechten."
Probleme ansprechen und sich ihnen stellen
Positiv hatte ihn Merkels Reaktion auf die Flüchtlingspolitik gestimmt. Doch auch hier hätte sie "verdammt spät" gehandelt. "Dieses 'Wir schaffen das', das assoziierte auch so eine Art Feierabend. Wir machen das und dann ist gut. Vielmehr hätte man aber sagen müssen, 'Ja, lasst uns endlich beginnen, uns der Ungerechtigkeit in dieser Welt zu stellen.'" Ingo Schulzes Hoffnung liegt auf einer neuen Sorte Politiker: "Das wünschte ich mir, dass es jemanden gibt, der einfach diese Probleme anspricht und auch im großen Rahmen sagt, 'Wir müssen versuchen, uns dem zu stellen.'" Angela Merkel habe das jedenfalls nicht gemacht, so Schulze.
(kp)