Ingrid Brodnig: "Hass im Netz"

Gegen Hass im Netz ist niemand machtlos

Der Hashtag «#Hass» ist auf einem Bildschirm eines Computers zu sehen.
Hass im Netz ist weit verbreitet. Ingrid Brodnig zeigt in ihrem Buch Wege auf, wie man dagegen vorgehen kann. © dpa/ picture-alliance/ Lukas Schulze
Von Vera Linß |
Der Ton in Internetforen und Online-Kommentarspalten ist häufig auffallend aggressiv. Wie man dagegen vorgehen kann, zeigt die österreichische Journalistin Ingrid Brodnig in "Hass im Netz". Einschließlich argumentativer Hilfen und Regeln für Forenbetreiber.
"Schlampe" und "Trampel": Mehr als sechs Millionen Mal fielen diese Worte gegen Frauen 2014 im Laufe nur eines Monats beim Kurznachrichtendienst "Twitter". Als "Bahnhofsklatscher" beschimpfte man Menschen, die Flüchtlinge willkommen hießen genau wie "Läufige Winkweiber" und "Moslems Willkommensruferinnen" - nachzulesen auf den Kommentarspalten von "Spiegel Online". Der Hass im Netz eskaliert und seit Jahren wird darüber diskutiert, was zu tun ist, um ihn zu stoppen. Ingrid Brodnig zeigt in ihrem Buch, wie genau das gelingen kann.
Warum Menschen im Internet jeden Anstand verlieren, hat die Redakteurin des österreichischen Nachrichtenmagazins "Profil" schon vor zwei Jahren in "Der unsichtbare Mensch" erklärt. Vor allem die Unsichtbarkeit führe dazu, dass Menschen im Netz Dinge schreiben, die sie sonst eher für sich behalten würden. Weil das physische Gegenüber fehle - Augenkontakt, Mimik und Gestik - käme es zu einer "toxischen Enthemmung", zu einer Vergiftung der Diskussionskultur, so Ingrid Brodnig. In "Hass im Netz" analysiert Ingrid Brodnig nun, wie die Störer vorgehen. Und das macht sie so gut, dass man schnell versteht, warum Aggressionen online so einflussreich sind.

Schadenfreude und sadistische Motive

Eine Kombination aus menschlichen und technischen Faktoren sei die Ursache, dass "Rüpel" im Netz so viel Aufmerksamkeit erhielten. Sogenannte anonyme "Trolle" etwa führten Diskussionen gezielt in andere Richtungen, stellten immer wieder naive und dumme Fragen oder fingierten Bedrohungen - einfach aus Schadenfreude oder sadistischen Motiven.
Wie im Fall des 24-jährigen Reece E., der auf einer Facebook-Kondolenzseite amerikanische Teenager mit der Ankündigung schockierte, 200 Schüler töten zu wollen. Ein zweiter typischer User sei der "Glaubenskrieger", der aggressiv Konfrontationen herbei schreibe, weil er sich bedroht fühle - sei es vom Islam, von Frauen oder von Impfungen gegen Krankheiten.

Tipps für Umgang mit Trollen und Hate-Speech

Nüchtern und klar, mit vielen Beispielen und aktuellen Studien belegt Ingrid Brodnig aber auch, warum das Netz nicht so vergiftet bleiben muss. Zwar ließen sich Menschen nicht ohne weiteres und mitunter auch gar nicht davon abhalten, andere online zu beleidigen. Aber die technische Infrastruktur des Internets begünstige jene, die besonders viel Ärger machten. Etwa weil viele Foren chronologisch gereiht seien. Wer andere niedertextet, wird dadurch sichtbarer als jemand, der sich seltener äußert. Und wer stark emotionalisiert, wird bei Facebook schneller "geliked" und deshalb vom Algorithmus öfter eingeblendet.
Technische Mindeststandards im digitalen Austausch sind ein Ansatzpunkt, schreibt die Journalistin. Außerdem listet sie Websites auf wie "hatr.org" oder "Perlen aus Freital", die Transparenz in die Lügengeschichten aus dem Netz bringen, liefert Grundregeln für den Umgangston in Foren und gibt rechtliche Tipps. Und überzeugt dadurch mit ihrer Botschaft: Gegen Hass im Netz ist niemand machtlos.

Ingrid Brodnig:"Hass im Netz. Was wir gegen Hetze, Mobbing und Lügen tun können"
Brandstätter Verlag, Wien 2016
232 Seiten, 17,90 Euro

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