Ingrid Brodnig: "Lügen im Netz. Wie Fake News, Populisten und unkontrollierte Technik uns manipulieren"
Verlag Brandstätter, Wien 2017, 208 Seiten, 19,90 Euro
Den falschen Meldungen auf der Spur
Ingrid Brodnig will aufklären: Auch im Internet müsse klar erkennbar sein, welche Info von wem kommt, fordert die Journalistin. Denn: Falschmeldungen und manipulierte Bilder sind nicht einfach nur da, sie werden oft bewusst gepuscht und zur Stimmungsmache eingesetzt.
"Merkel hofft auf zwölf Millionen Einwanderer."
"BKA bestätigt: Flüchtlinge krimineller als Deutsche."
"BKA bestätigt: Flüchtlinge krimineller als Deutsche."
Dies sind zwei Beispiele für "Fake News", die eindrücklich belegen, wie schnell diese sich im Internet verbreiteten. Millionenfach wurden sie geklickt und heizten die politische Debatten auf. Doch bedrohen solche Lügen-Meldungen die Demokratie tatsächlich? Ja, warnt Ingrid Brodnig. Die Journalistin befasst sich seit Jahren mit digitaler Debattenkultur und sagt, die Gefahr durch Fake News sei real. Und zwar vor allem in Zeiten politischen Hochphasen. In Deutschland etwa war das Streitthema "Flüchtlinge" Auslöser für Hunderte solcher Fake News und auch der US-amerikanische Wahlkampf wurde stark durch sie mitbestimmt.
Bereits unbewusst wählt man aus, was einem passt
Warum aber fallen Menschen überhaupt auf solche Falschmeldungen herein? Und warum teilen sie die sogar auch dann mit anderen, wenn sie erkennen, dass die Meldung nicht wahr ist? Ursache sei ein "zielgerichtetes motiviertes Denken", wonach man unbewusst Informationen als relevanter und wahrscheinlicher ansieht, wenn sie die eigene Haltung bestätigen. "Das ist eine Meldung, die passieren kann", begründete eine Userin die Weiterleitung einer Falschmeldung über Angela Merkel. Gefährdet seien zudem besonders die Menschen, die konservativ denken. Brodnig zitiert Studien, wonach politisch rechtsdenkende Bürger eine "negativitäts-bezogene Leichtgläubigkeit" zeigten und Risiken stärker vertrauten als Menschen, die politisch links zu verorten sind. Unter den zwanzig heftigsten Falschmeldungen während der US-Wahl etwa waren achtzehn besonders hilfreich für die Trump-Kampagne.
Sachkundig und anhand zahlreicher Beispiele analysiert Ingrid Brodnig, wie sich rechte Parteien bei Facebook und Twitter ein eigenes intransparentes "Ökosystem" aus "alternative Medien" geschaffen haben, die ungefiltert ihre Klientel mit (Des)Informationen versorgen und es mit Richtigstellungen nicht sehr genau nehmen. Die Wirkung liege in der großen Reichweite. In Österreich etwa käme kein klassisches Medium an die Zahlen des FPÖ-Chefs mit seinen 590.000 Facebook-Fans heran.
Die Quellen klar identifizieren
Weil die Struktur des Internets solch undemokratische Kommunikation unterstütze, fordert die Journalistin klare Regeln. Facebook etwa müsse transparent machen, welche Informationen es Usern aufspiele. Parteien müssten offen legen, welche Wahlwerbung sie bei Google und Facebook schalten – genau, wie das TV- und Radiostationen heute schon tun. Eine staatliche Monitoring-Stelle könnte Desinformationen systematisch erfassen. Und sie erklärt den Usern selbst, wie sie Fake News effizient begegnen können – etwa, indem man gekonnt eine Richtigstellung verfasst.
Ingrid Brodnig hat ein wichtiges und aufklärerisches Buch geschrieben. Sie stellt sich damit gezielt gegen die gefährlichste Desinformation, die derzeit kursiert, dass man gegen das politische Spiel mit der Fehlinformation im Netz nichts tun kann.