Inhaftierung von Rokia Traoré

Ein Weltstar im Gefängnis

Rokia Traoré steht auf einer Bühne und spielt Gitarre.
Rokia Traoré wurde letzte Woche aufgrund eines Europäischen Haftbefehls in Paris verhaftet - und befindet sich mittlerweile im Hungerstreik. © Sandrine Thesillat / Panoramic / imago-images
Bénédicte Savoy im Gespräch mit Britta Bürger · 15.03.2020
Obwohl sie einen Diplomatenpass besitzt: Die malische Sängerin Rokia Traoré ist in Paris im Zuge eines Rechtsstreits um das Sorgerecht für ihre Tochter inhaftiert worden. Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy bezeichnet den Fall als skandalös.
Schon seit Dienstag letzter Woche sitzt die malische Sängerin und Schauspielerin Rokia Traoré in einem Pariser Gefängnis. Nach ihrer Ankunft aus Mali wurde sie aufgrund eines in Belgien ausgestellten Europäischen Haftbefehls in Gewahrsam genommen. Hintergrund ist ein Sorgerechtsstreit mit ihrem in Frankreich lebenden belgischen Ex-Ehemann.
Traoré lebt mit ihren zwei Kindern in Mali. Sie ist seit gestern in den Hungersterik getreten. Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy kennt Traoré persönlich durch die Arbeit an dem Bericht über koloniale Güter aus Afrika in französischen Museen. Sie sagt, dass Traoré vorgeworfen werde, dass sie ein gemeinsames Kind zu Unrecht bei sich in der malischen Hauptstadt Bamako halte.

Der doppelte Nachteil einer afrikanischen Frau in Europa

"Es geht zunächst um eine private Geschichte, um Sorgerecht, da können wir uns eigentlich nicht einmischen", sagt Bénédicte Savoy. "Was uns aufregt ist die Tatsache, dass Rokia Traoré in das Gefängnis von Fleury-Mérogis gesteckt worden ist. Das ist ein sehr enges, sehr überfülltes Gefängnis in Paris, wie alle Gefängnisse in Frankreich. Momentan herrscht dort auch die Verbreitung von Corona. Sie war eigentlich unterwegs nach Brüssel zu einer Gerichtsverhandlung. Ihre Kinder warten nun auf sie zu Hause mit einer Betreuung, und sie steckt seit einer Woche in diesem Gefängnis. Heute hatte sie kein Besuchsrecht wegen Personalmangels in diesem Gefängnis."
Rokia Traoré steht vor einem Plakat der Organisation Aware Migrants. 
Rokia Traoré bei einem Pressetermin der Organisation "Aware Migrants" 2016 in Italien.© Independent Photo Agency / imago-images
Hier komme eine doppelte Schwäche im europäischen System zu Tage, nämlich dass Traoré zum Nachteil gereiche, dass sie eine Frau ist und dazu noch Afrikanerin, sagt Savoy. "Was genau zwischen diesen zwei Erwachsenen passiert ist, weiß ich nicht. Aber dass eine Mutter zweier Kinder heutzutage einfach in einen Knast gesteckt wird, wegen Sorgerecht, ist erschreckend."
Savoy arbeitet eng mit dem Philosophen und Autor Felwine Sarr zusammen. Sarr hat zu dem Fall Traoré eine Erklärung verfasst, in dem er den Fall als skandalös bezeichnet.
"Er hat den berechtigten Eindruck, dass hier der Vater, also der weiße Vater mit dem belgischen Recht im Rücken, eine strukturell viel stärkere Position gegenüber der Mutter hat", sagt Bénédicte Savoy. "Das Kind lebt seit fast seit seiner Geburt in Mali. Der malische Staat hat beschlossen, dass die Mutter das Sorgerecht hat, und die belgische Justiz setzt sich darüber hinweg und nimmt die Mutter fest. Und diese Maßnahmen können auch nicht im Sinne des Kindes sein."

Vorwurf des Rassismus an französische Behörden

Tausende afrikanischer Frauen hätten mit Europäern Familien gegründet und seien, wenn es hart komme, in einer schwachen Position, wenn es um das Sorgerecht für die Kinder gehe, sagt Savoy. Mittlerweile seien die französische und die belgische Öffentlichkeit mobilisiert, und in "Le Monde" gebe es einen Artikel über den Fall.
"Eine Petition geht rum, die von mehr als 15.000 Personen unterschrieben wurde und ein Kollektiv von Juristinnen in Belgien hat auch einen Aufruf geschrieben. In all diesen Fällen geht es hauptsächlich darum, Rokia Traoré zu befreien", sagt Bénédicte Savoy. "Das ist der wichtigste Punkt: Sie muss sich frei bewegen können, um sich verteidigen zu können. Und aus dieser Situation im Gefängnis, in einer extrem brutalen Zeit, die wir gerade erleben, hat sie überhaupt keine Chance, ihre Stimme hörbar zu machen."
Traoré ist seit Samstag in einen Hungersterik getreten und hat eine Erklärung verfasst, in der sie den belgischen und französischen Behörden Rassismus vorwirft. Die Rechte ihrer Kinder würden durch europäische Gesetze massiv verletzt werden, schreibt sie dort.
(rja)
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