Inhaltliches Pillepalle

Von Stefan Keim |
Beeindrucktende Bilder, viel Klischee und wenig Inhalt. So könnte man Fura dels Baus' Megaspektakel auf der Mercatorinsel im Duisburger Hafen beschreiben.
Eine zehn Meter hohe Puppe fährt auf einem Schiff heran. Eine zweite liegt auf der Mercatorinsel im Duisburger Innenhafen. "Erkennst du mich?" fragt der Neuankömmling. "Ich bin Gerhard Krämer Mercator. Dereinst habe ich die Welt neu gefasst und neue Wege gewiesen." Ähnlich pädagogisch schwallt die Puppe weiter.

Die zweite Riesin heißt Concordia wie eine still gelegte Zeche im nahe gelegenen Oberhausen. Sie siecht vor sich hin, fühlt sich dem Tode nahe, ist ein Sinnbild des von Bergbau und Stahlindustrie geprägten Ruhrgebietes. Mercator, der Kartograph und Globenbauer, gibt ihr neue Hoffnung. Bis sie schließlich zu orientalischen Folkpopklängen aufsteht und eine Tochter zur Welt bringt.

Inhaltlich ist es eher Pillepalle, was der katalanischen Performancegruppe La Fura dels Baus zum Ruhrgebiet einfällt. Auch die Idee, Concordia im breiten Klischeekohlenpottdeutsch sprechen zu lassen, fällt in diese Kategorie. Aber die Bilder des Spektakels "Global Rheingold", mit dem die Duisburger Akzente eröffneten, sind überwältigend, da trifft Avantgarde auf Kirmes, neue Musik auf gigantisches Kasperletheater.

Schon der Spielort fasziniert. Die Mercatorinsel liegt mitten im Duisburger Innenhafen, im durch Schmuddelkommissar Schimanski legendär gewordenen Stadtteil Ruhrort. Sie soll zu einem Landschaftspark umgebaut werden, in dem regelmäßig Konzerte und Kunstaktionen statt finden sollen. Das Land NRW will der hoch verschuldeten Stadt dabei helfen, auch ein großer Sponsor ist mit an Bord. Oder vielmehr an Land. Von dieser Insel aus den Sonnenuntergang zu betrachten, ist an sich schon ein Erlebnis. Und dann kommt "Global Rheingold".

Zum Gesang der Rheintöchter fliegen drei Artistinnen mit langen weißen Schleiern durch die Luft, zwei Krane bewegen auch im weiteren Lauf viele Objekte mit fliegenden Menschen. Aus einer Weltkugel – eine weitere Erinnerung an den Globenbauer Mercator, der bis zu seinem Tod in Duisburg lebte – schießen erst Arme und Beine, später ganze Menschen heraus, während sie über den Köpfen der Zuschauer schwebt. Manche Bilder hat Regisseur Carlos Padrissa schon in seiner Inszenierung des "Rings des Nibelungen" verwendet, die in italienischen und spanischen Opernhäusern lief. In freier Luft entfalten sie eine umwerfende Wirkung, zumal als Hintergrund der Hafen pittoresk mitspielt.

Musikalisch ist es ein wildes Durcheinander, am Schluss gibt es sogar einen zeitgenössisch angeschrägten Chorgesang, der manche der vielen Tausend Besucher – das Ganze fand bei freiem Eintritt statt – zum Mitjaulen verführte. Doch am Schluss wurden auch sie ganz still, als ein gewaltiges Feuerwerk los brach und in den Himmel über der Ruhr goldene Fäden zeichnete. Ausgangspunkt war das Schiff Naumon, ein ehemaliger Eisbrecher, mit dem La Fura dels Baus seit sieben Jahren über die Weltmeere schippert. Nun soll die Naumon in Duisburg vor Anker gehen, auch über das Festival hinaus. Denn 2012 wollen die katalanischen Theatermacher im Auftrag der Oper Köln ein Stück namens "Nixenlied" produzieren und in diesem Rahmen den Rhein von Rotterdam bis Basel bespielen.

Ob es dann die Duisburger Akzente noch gibt, ist nicht gesichert. Die Sparpläne der Stadt sahen vor, die Zuschüsse zu streichen und nur noch mit Sponsorengeldern zu arbeiten. Das hätte natürlich eine heftige Reduktion wenn nicht gar die Abschaffung zur Folge. Aber Duisburgs Kulturpolitiker wehren sich und wollen nicht die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte versenken. Unter dem Motto "Hafen der Kulturhauptstadt" haben sie nun ein kraftvolles und originelles Programm zusammengestellt, mit großen Theatergastspielen, einigen Bühnenneuproduktionen und vielen interessanten Ausstellungen. Ganz Ruhrort ist zwei Wochen lang eine Kulturmeile.