Französische Männer kämpfen für die Jobchancen der Frauen
Wenn Frauen mehr Chancen am Arbeitsplatz haben, wird es auch für Männer einfacher, Job und Privatleben miteinander zu verbinden. Das glaubt die Gruppe "Happy Men" in Frankreich. Vor zwei Jahren schlossen sie sich zusammen und fordern seitdem mehr Gleichberechtigung.
Mittwochmittag um halb eins – mehrere Manager und leitende Angestellte der französischen Großbank BNP Paribas sitzen an einem langen Konferenztisch. Ein Dutzend erfolgreicher Männer im besten Mannesalter zwischen Mitte dreißig und Ende fünfzig. Nichts Ungewöhnliches. Doch heute geht es nicht um Bilanzen, Kreditvergaben oder große Geldtransfers. Auf der Tagesordnung stehen Themen wie Familienleben, Freizeit und Gleichberechtigung. Die Gruppe nennt sich "Happy Men" und trifft sich alle zwei Monate im Pariser Unternehmenssitz.
François Mellini, seit 25 Jahren im Haus, beginnt seinen Powerpoint-Vortrag mit einem Cartoon: Vor dem Schreibtisch ihres Chefs steht eine Frau. Der doziert: "Seien wir mal ganz offen, Sonia. Wenn Sie wirklich Ehrgeiz besäßen, hätten Sie Ihren Mann und die Kinder doch schon längst sitzen lassen". Ein Witz, über den hier in der Runde niemand lacht. Im Gegenteil. Danach zeigt Mellini Statistiken zur beruflichen Diskriminierung von Frauen. Ein Thema, das ihn immer wieder beschäftigt. Im Job, auf verantwortungsvollem Posten in der Personalabteilung der Bank. Zuhause.
"Nach einer Scheidung habe ich erneut geheiratet und bin Vater von vier Töchtern. Meine Frau ist Freiberuflerin und arbeitet viel zuhause. Das ist kein einfaches Leben. Mindestens einmal wöchentlich erinnert sie mich an mein Engagement als Happy Man. Und fordert, dass ich meinen Worten Taten folgen lasse."
Austausch in der Männerrunde
"Happy Men" setzt auf Gleichberechtigung. Ja, auch weil es der Gesetzgeber so will. Aber vor allem, weil die Männer fest davon überzeugt sind, dass alle davon profitieren: Die Frauen, das Unternehmen und sie selbst. Für Arnaud Morlaes, Credit Risk Officer bei der Bank, ist der regelmäßige Austausch in der Männerrunde wichtig. Er nennt ein Beispiel.
"Als Manager hat man nun einen anderen Blick auf Berufseinsteigerinnen, die eventuell bald Mutter werden. Man müht sich, ihnen die Arbeit so zu organisieren, dass es ihnen gelingt, eine Karriere anzugehen und sich gleichzeitig um den Nachwuchs zu kümmern. Damit sie nicht eines Tages an die gläserne Decke stoßen, während männliche Kollegen an ihnen vorbei ziehen."
Drei Gruppen Happy Men sind bei der französischen Großbank aktiv: auf Anregung der Chefetage. Denn 2010 hat Frankreich die Gesetze zur beruflichen Gleichstellung von Frauen verschärft: Unternehmen ohne entsprechende Politik droht hohes Strafgeld - ein Prozent des gesamten Lohnaufkommens. Und so könnte man sagen, dass der Gesetzgeber und auch das Unternehmen bei der Gründung der "Männergruppen" etwas nachgeholfen haben. Barbara Levéel, Diversity-Managerin im Personalbüro von BNP Paribas.
"Wir waren davon überzeugt, über unsere bisherige Gleichstellungspolitik hinaus noch mehr tun zu müssen. Denn das Thema drohte, zum Konfliktstoff zu werden. Weil unsere weiblichen Angestellten immer lauter paritätische Verhältnisse einfordern. Da bestand die Gefahr, dass männliche Kollegen sich übers Ohr gehauen fühlen. Wir jedoch zielen eine Gleichstellung im Job an, von der beide Geschlechter profitieren."
Desinteressierte Männer
Da kam die Initiative der "Happy Men" gerade recht. Ins Leben gerufen hat sie Antoine de Gabrielli, Chef einer Consulting-Firma im Bereich Diversity-Politik. Denn ihm war aufgefallen, dass fast immer nur Frauen bei Veranstaltungen zu Gleichstellungsfragen auf dem Podium und im Saal saßen. Männer fühlten sich vom Thema nicht angesprochen. Moralische Appelle halfen da nicht weiter.
"Im Rahmen ihrer Gleichstellungspolitik verfallen Unternehmen teils darauf, den Männern ein schlechtes Gewissen einzureden und ihnen zu sagen: ihr müsstet aber mehr tun für die Sache der Frauen. Oder sie versuchen es galanter: ihr solltet mehr tun. Aber bei den Männern zieht weder die eine noch die andere Methode. ´Happy Men` nun setzt darauf, sie einzubinden, indem wir ihnen zeigen, was sie dabei zu gewinnen haben. Und das lässt sich am besten in einer Männerrunde vermitteln."
In ihrem Kreis diskutieren die "Happy Men" über sexuelle Stereotype – und tauschen ungeschminkt eigene Erfahrungen aus. Sie reden über das Phänomen der "gläsernen Decke", dass häufig auch ihren eigenen Ehefrauen einen Strich durch die Karriere macht.
Und sie reden über den "gläsernen Boden", der die Männer betrifft. "Gläserner Boden"? Das bedeutet Präsenz-Pflicht, der sich Männer im Job unterworfen fühlen. Die unterschwellige Erwartung, dass ein Mann seiner Karriere alles opfert: Familienleben, Freizeit, Hobbys.
Ein System, das die "Happy Men" ablehnen. Arnaud Morlaes zitiert neue Leitlinien aus der Chefetage. Die geben unter anderem vor, Sitzungen nicht mehr am schulfreien Mittwoch anzuberaumen. Das kommt jungen Müttern zugute – und jungen Vätern.
"Die Familienarbeit, die muss man sich als Eltern einfach teilen. Zudem führt dies auch zu mehr Zufriedenheit. Man fühlt sich besser, ausgeglichener. Und das kommt auch dem Job zugute."
Immer mehr machen mit
250 "Happy Men" haben sich mittlerweile der Initiative angeschlossen. Zumeist in französischen Großunternehmen. Weitere Firmen wollen dazu stoßen. Bis zum Jahresende könnte sich die Zahl der "Happy Men" verdoppeln.
Doch missionarisches Auftreten liegt François Mellini von der Männerrunde bei BNP Paribas fern. Kein moralischer Zeigefinger – einfach mit gutem Beispiel vorangehen, meint der Endvierziger.
"Ich bin mir nicht sicher, dass meine vier Töchter mal in einer Welt leben werden, in der sie wirklich gleichberechtigt sind. Da muss sich noch manches ändern. Und dafür schlage ich mich."
Zum Abschluss seines Vortrags zeigt François Mellini, wie Barack Obama sich auf seinem privaten Facebook-Konto vorstellt. Als: Vater, Ehemann, 44. Präsident der Vereinigten Staaten. In genau dieser Reihenfolge. Das beschwingt die "Happy Men" sichtlich, bevor jeder an seinen Arbeitsplatz zurückeilt.