Initiative gegen häusliche Gewalt

Die Wut unter Kontrolle bringen

04:42 Minuten
Illustration einer Gruppe von Männer in einem Stuhlkreis von oben betrachtet.
Wo fängt Gewalt an? Diese Frage wird bei "Männer gegen Gewalt" in Gruppensitzungen verhandelt. © Gettyimages / woojpn
Von Sabina Zollner |
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Während der Corona-Pandemie kommt es zu deutlich mehr Fällen von häuslicher Gewalt. Lässt sich diese verhindern? In Berlin ist die Initiative "Männer gegen Gewalt” die einzige Anlaufstelle für das Problem. Sie hilft Männern, Konflikte gewaltfrei zu lösen.
"Wir sitzen hier in dem Gruppenraum der Beratung von 'Männer gegen Gewalt', also einer Beratungsstelle für Männer, die ihre Partnerin geschlagen haben, ihr Gewalt angetan haben. Hier können die Männer lernen, Konflikte in der Familie konstruktiv zu lösen."

Die meisten Männer kommen nicht freiwillig

Der Diplom-Psychologe Gerhard Hafner sitzt in einer kleinen Erdgeschosswohnung in Berlin Mitte. Für sechs Monate kommen die Teilnehmer einmal pro Woche hier in die Beratungsstelle. Die meisten nicht freiwillig, sie werden oft von einem Gericht, dem Jugendamt oder ihrer Partnerin geschickt.
"Das Allerwichtigste, wenn Männer sich verändern wollen, ist, dass sie die Verantwortung übernehmen. Dass sie sagen, ich habe es getan, dass sie sagen, sie haben nicht nur reagiert, sondern tatsächlich jemanden schädigen wollen. Das ist die Voraussetzung überhaupt, um sich zu verändern."

Zuhören, Verantwortung übernehmen, nachdenken

In den Gruppentrainings lernen die Männer, zuzuhören, die eigene Wut unter Kontrolle zu bekommen und über ihre Rolle als Partner und Vater nachzudenken. Wichtig ist auch zu erkennen, wo Gewalt anfängt, und was diese für die Partnerin und Kinder bedeutet.
"Die Definition von Gewalt ist ein wichtiges Thema. Es gibt keine allgemeine akademische Diskussion darüber, was Gewalt ist. Gerade nicht-physische Gewalt, die zu erkennen, wo die Grenzen sind, wo die Frau tatsächlich gedemütigt, beleidigt wird: Wenn das jeden Tag passiert, dann ist das psychische Gewalt."
Auch Michael Roth nahm an dem Training teil. Der Vater von zwei Kindern heißt in Wahrheit anders, möchte nicht mit seinem echten Namen im Radio genannt werden. Da nicht alle Teilnehmer einer Aufnahme beim Gruppentraining zugestimmt haben, spricht Michael Roth allein über seine Erfahrungen.
"Bei uns war es so, dass wir uns beide hochgeschaukelt haben, meine Frau und ich, vor allem mit Worten, und es hat sich dann entladen in einem handfesten Streit, es gab dann wirkliche körperliche Gewalt."
Wer kümmert sich nachts um Baby? Wer putzt morgen das Badezimmer? Michael Roth und seine Frau stritten oft über alltägliche Aufgaben. Bis der Streit irgendwann eskalierte.

Ein "Zwischenfall" und das Jugendamt

"Es gab dann noch einen größeren Zwischenfall, wo das Jugendamt involviert war. Ich war dann an dem Punkt: Ich brauche Hilfe und jetzt suche ich sie mir."
Die Zeit in der Beratungsstelle hat dem Familienvater weitergeholfen. Er hat vor allem gelernt, weniger dominant aufzutreten, mehr Verantwortung im Haushalt zu übernehmen und einfach mehr mit seiner Frau zu sprechen.
"Wenn ich davor das Gespräch nicht so gesucht habe, suche ich es jetzt eher. Ich lasse es nicht bis eine Minute vor zwölf köcheln. Es gibt dann eine Phase, wo ich sage, jetzt muss ich reden, jetzt muss ich den Konflikt anfangen zu lösen, aber in einer ganz anderen Art und Weise. Wenn ich rückblickend Gespräche jetzt und vorher vergleiche: Es hat mir doch sehr gut getan in dem Punkt."
Auch der Kontakt zu den anderen Teilnehmern hat Michael Roth geholfen:
"Für mich war es gut, dass es eine Gruppe gab, die mir dann auch den Kopf gewaschen hat. Die auch ihre Meinung vertreten hat, dann konnte man sich austauschen: Ich habe das Problem, du hast das Problem, wie hast du das gelöst? Und in der Gruppe ist es eindeutig angenehmer als in Einzelgesprächen."

Der Weg aus der Gewalt dauert lange

Für Projektleiter Gerhard Hafner ist es wichtig, dass die Männer verstehen, dass der Weg weg von Gewalt ein langer Prozess ist. Dass sie nach den sechs Monaten nicht geheilt sind. Deshalb bleiben seine Kollegen und er auch nach dem Training mit den Teilnehmern in Kontakt. Dabei arbeiten sie auch eng mit den Frauen und Kindern zusammen.
"Wichtig ist natürlich, dass wir Kontakt haben zu den Partnerinnen und auch zu den Kindern. Dass also die Frau des Mannes angebunden ist an eine Frauenberatungsstelle. Dann können wir sehen, wenn sich etwas positiv verändert, oder sich eben auch negativ entwickelt. Wir haben da ein Feedback, eine Rückkopplung darüber, was tatsächlich ankommt."
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