"Die Nachfahren kolonisierter Menschen sollen entscheiden"
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Mit einem bloßen Abbau von Kolonialdenkmälern in Deutschland ist es aus Sicht der Initiative Berlin Postkolonial nicht getan. Stattdessen sollten sie umgestaltet werden. Doch wichtiger als das Wie sei das Wer, sagt ihr Sprecher Christian Kopp.
In den vergangenen Tagen waren in den USA, in Großbritannien und in Belgien Statuen mit Kolonialbezug beschmutzt oder gestürzt worden. Auch Deutschland eignete sich ab 1884 Kolonien in Afrika, Ozeanien und Ostasien an. Es verfügte damit über das viertgrößte koloniale Gebiet.
Mit einem bloßen Abbau von Kolonialdenkmälern in Deutschland ist es aus Sicht der Initiative Berlin Postkolonial aber nicht getan. Stattdessen sollten sie umgestaltet werden. Doch wichtiger als das Wie sei das Wer, sagt Sprecher Christian Kopp. Das sei seiner Meinung nach der springende Punkt, dass Nachfahren Kolonisierter selbst entscheiden, was mit diesen Denkmälern passiert. Überhaupt sei es vor allem ihrer unermüdlichen Arbeit zu verdanken, dass nun über einen solchen Schritt nachgedacht werde.
Formsprache von Denkmälern durchbrechen
Dem Verein werde oft vorgeworfen, man wolle Denkmäler und damit Geschichte entsorgen, sagt Kopp, doch dem sei mitnichten so. Stattdessen fordere sein Verein Gegendenkmäler an gleicher Stelle zu errichten oder bestehende Denkmäler zu verfremden oder gar zu zersägen und in Einzelteilen am Ursprungsort anzuordnen. "Auch das kann ein Denkmal sein, so dass immer noch ein Bezugspunkt bleibt", möglichst auch dezentral, dort, wo sie einmal standen.
Kritische Infotafeln reichten jedenfalls nicht aus, sagt Kopp. Das sei in der Regel eine Lösung, die nicht von Nachfahren Kolonisierter stammt, sondern von Kommunen, die "die Sache" so noch zu retten suchten. Doch bei einem Denkmal sei das zu wenig, weil es eine eigene Formsprache habe, die viel gewaltiger sei als so ein kurzer Kommentar – "und auch ein Gegendenkmal kann nicht zehn Mal kleiner sein als das Denkmal, worauf es sich bezieht."
Kopp führt auch die Vor-Ort-Entscheidung einzelner Aktivisten an, Denkmäler wie das des Sklavenhändlers Edward Colston in Bristol kurzerhand ins Wasser zu werfen, "so wie er seine Opfer ins Wasser hat werfen lassen". Und erklärt: "Das ist auch eine Art Denkmal" - wenn auch ein künstlerisches bzw. temporäres, jedenfalls sei es "eine künstlerische Ausdrucksform, die sehr angemessen ist".
Diskussion um zentrale Gedenkstätte
Das gestürzte Colston-Denkmal wandere wohl jetzt ins Museum, sagt Kopp, auch das sei eine Möglichkeit der Umgestaltung. Er erinnert an das Wissmann-Denkmal, das Ende der 60er-Jahre auf Druck Studierender abgebaut und ins Museum verfrachtet werden musste. Damit werde die Kontroverse um den Afrikaforscher Hermann von Wissmann gezeigt und die Kritik an der Person deutlich und bekannt gemacht, "denn wir brauchen Anlässe, um über Kolonialismus überhaupt erst mal aufzuklären".
Die Diskussion um eine zentrale Gedenkstätte für die Opfer des Kolonialismus in Berlin sei von Kulturstaatsministerin Monika Grütters und Michelle Müntefering, Bundestagsabgeordnete und parlamentarische Staatssekretärin für Internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt, zwar aufgegriffen worden, sagt Kopp. "Aber bisher ist da noch wenig passiert." Die Hauptstadt wäre ein idealer Ort für so ein Denkmal, denn hier fand die Berliner Afrika-Konferenz und damit eine Art Aufteilung Afrikas statt. Wichtig sei allerdings auch hier, "dass auch wirklich Nachfahren Kolonisierter maßgeblich mitentscheiden, wie dieses Denkmal aussieht, und wir nicht so etwas haben wie ein zweites Humboldt-Forum", sagt Christian Kopp vom Verein Berlin Postkolonial.
(ckr)