Menschen mit Behinderung stärker von Arbeitslosigkeit betroffen
Die Soziologin Kirsten Hohn hofft auf Impulse für eine bessere Integration von behinderten Menschen in die Arbeitswelt durch das Weltwirtschaftsforum. Deutschland setzte noch immer viel zu stark auf gesonderte Werkstätten und separierte Arbeitsplätze.
Eines der zentralen Themen des am Dienstag startenden Weltwirtschaftsforums in Davos ist die Einbeziehung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt, also das Thema "Inklusion". Zwar ist dieses Recht der Teilhabe auch in der UN-Behindertenrechtskonvention verankert, doch wird es längst nicht auch jedem gewährt, was sich etwa zeigt bei den Arbeitslosenzahlen, wie Kirsten Hohn, Soziologin und Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft für die Unterstützte Beschäftigung betont: "Die höhere Erwerbslosigkeit unter Menschen mit Behinderung ist ein großes Problem." Vor allem Menschen mit Lernschwierigkeiten, also mit einer so genannten geistigen Behinderung oder mit psychischen Erkrankungen, seien hier viel stärker von Arbeitslosigkeit betroffen.
Ein Ausweg, der hier sehr gut funktioniere in Deutschland sei die sogenannte "unterstützte Beschäftigung", also eine Maßnahme, die durchgesetzt und unterstützt werde von der Bundesarbeitsgemeinschaft, ebenso aber auch gefördert und finanziert wird von der Bundesagentur für Arbeit. Dabei suchten dann Jobcoaches und Qualifizierungstrainer gemeinsam mit den Menschen mit Behinderung danach, was ein Tätigkeitsfeld hier sein könnte, wie Kirsten Hohn erklärt: "Da wird dann ein Platz im Betrieb gesucht, und die Qualifizierung passiert vor Ort."
Digitalisierung verändert Arbeitswelt auch für behinderte Menschen
Insbesondere in den Bereichen der Hauswirtschaft, des Garten- und Landschaftsbaus, des Einzelhandels oder der Montage und der Produktion gelängen schon heute mehr Integrationen als in anderen Bereichen, sagt die Aktivistin. Spannend sei hier zu beobachten, welche Auswirkungen hier die zunehmende Digitalisierung des Arbeitsfeldes habe: "Ich glaube, es gibt hier zwei Pole: Die einen, die sagen, es gehen ganz viele Arbeitsplätze verloren, und es werde schwieriger, und die anderen, die sagen: Da liegen eigentlich auch viele Chancen." Klar allerdings sei, dass durch die Veränderung der Arbeitsfelder im Zuge der Digitalisierung auch für Menschen mit Behinderung ein erhöhter Bedarf entstehe, ihnen mit Fortbildungen zu helfen. "Neue Technologien heißt eben hier: Fortbildung nicht nur für die ausgebildeten Fachkräfte, sondern auch für die Menschen, die relativ einfache Tätigkeiten tun, aber dann eben eine neue Maschine haben und da eingearbeitet werden müssen." Kirsten Hohn unterstreicht auch den Effekt von Inklusion für die Menschen ohne Behinderung, denn die Teilhabe verändere auch deren Tätigkeit und deren Sicht auf die Arbeit.
Kirsten Hohn meint, dass man in Deutschland den Weg der Umsetzung von Teilhabe genauer betrachten müssen und dies wäre darum auch ein Thema für das Weltwirtschaftsforum: "Der Hauptkritikpunkt ist, dass es in Deutschland viel zu viele Sonderarbeitsplätze gibt - über 300.000 Menschen in Werkstätten für behinderte Menschen -, und das ist ähnlich in Frankreich und Österreich und im internationalen Vergleich mit die höchste Quote." Leider habe sich hier in den vergangenen Jahren kaum etwas verändert, obwohl der Gesetzgeber hier versucht habe, mit verschiedenen Regelungen gegenzusteuern.