Inklusion im Internet und in Videospielen

Barrierefreiheit gleich mitdenken

08:34 Minuten
Der junge Comedian Carl Josef Statnik sitzt in seinem Rollstuhl vor seinem PC. Carl begeistert mit Scherzen über seine Behinderung das Netz.
Entwickler sollten die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung von Anfang an mitdenken. © dpa / Peter Steffen
Moderation: Vera Linß und Marcus Richter |
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Menschen mit Behinderung stoßen im Internet auf vielfältige Herausforderungen. Neue Technologien und künstliche Intelligenz könnten in Zukunft mehr Barrierefreiheit ermöglichen. Doch um Inklusion zu erreichen, ist Umdenken gefragt.
Früher war das Internet einfach, zumindest in Bezug auf Webseiten: Text, vielleicht ein paar Bilder, ein paar Metadaten. Heute bestehen sie nicht nur aus wenigen Dateien, sondern verbinden sich mit Werbeservern, laden Bilder und Animationen, sind interaktiv, bunt - und leider oft nicht barrierefrei.
Menschen mit Behinderung stoßen auf verschiedene Herausforderungen im Netz, sagt Domingos de Oliveira, Autor des Buchs "Barrierefreiheit im Internet". So sind zum Beispiel die Texte der gängigen Nachrichtenseiten wie "Spiegel Online" oder "Zeit Online" oft zu kompliziert für Menschen mit geringer Leseerfahrung oder einer Lernbehinderung. Andere Menschen, die zum Surfen auf unterstützende Technologien angewiesen sind, wie Sprachausgaben oder Bildschirmlupen, sind oft von der komplexen Informationsarchitektur der Websites überfordert.

Inklusiv denken: Bilder brauchen eine Beschreibung

Dazu gehören nach Angaben von de Oliveira sowohl die "typischen Nachrichtenmagazine, aber auch öffentliche Einrichtungen, gerade die Landes- und Bundesministerien, aber auch viele Stadtportale, die sehr komplex gestaltet sind und einfach nicht vom Nutzer her gedacht sind".
Öffentliche Einrichtungen in Deutschland sind verpflichtet, auf Barrierefreiheit zu achten. Diese wäre auch relativ leicht umsetzbar, wenn sie von Anfang an mitgedacht werde, sagt de Oliveira. In Dokumenten wie PDFs kann der Zugang für blinde Menschen durch Formatvorlagen, die Texte mit Überschriften oder in Textblöcke unterteilen, aber auch durch Bildbeschreibungen, sogenannte Alternativtexte, erleichtert werden.

"Das Bewusstsein ist nicht vorhanden"

"Ich vermute, es scheitert wirklich daran, dass das Bewusstsein für diese Bedürfnisse bei den Verantwortlichen und den Entwicklern und Designern noch nicht so richtig vorhanden ist", sagt de Oliveira. Andererseits habe sich in den vergangenen Jahren auch viel getan: Einerseits durch Apps, deren überschaubare Funktionen einen einfachen Aufbau erleichtern, andererseits durch das Smartphone, das auf einem kleinen Bildschirm Webseiten abbilden muss.

Brillen, die ihre Träger durch die Gegend leiten

Durch Künstliche Intelligenz könnten sich in den nächsten Jahren auch die Technologien entwickeln, die Menschen mit Behinderung gezielt unterstützen: Brillen zum Beispiel, die Texte und Objekte identifizieren und ihre Träger durch die Gegend leiten.
Auch bei den Videospielen gab es einige Fortschritte, bespielsweise mit der Entwicklung eines adaptiven Controllers von Microsoft, sagt die Spieleexpertin Melanie Eilert. Auch innerhalb der Spiele werde vermehrt auf Barrierefreiheit geachtet. Als Beispiel nennt Eilert den zweiten Teil des Action-Adventures "The Last of Us", das mehr als sechzig Accessibility-Optionen biete. Dadurch sei es möglich, das Spiel auch als blinder Mensch komplett bis zum Ende zu spielen.

Informationen über mehrere Kanäle transportieren

Generell sei es wichtig, schon bei der Entwicklung möglichst viele Menschen mit Behinderung mitzudenken: "Für Menschen mit einer körperlichen Behinderung ist es wichtig, dass die Steuerung simpel gehalten und auch individuell angepasst werden kann", so Eilert. "Menschen mit einer Hörbehinderung brauchen gute Untertitel und visuelle Hinweise." Generell sollten Informationen immer über mehrere Kanäle transportiert werden, Informationen aus Bildern auch alternativ angeboten werden oder Töne über Untertitel.
Um den verschiedenen Ansprüchen gerecht zu werden, sei es wichtig mit Menschen mit Behinderung zusammenzuarbeiten, aber auch, dass die Entwickler sich Experten in die Teams holen. "Und zwar nicht nur einen Menschen mit Behinderung, sondern Menschen mit verschiedenen Behinderungen", sagt Eckert. "Weil nur dann ist es möglich, auch wirklich die unbeabsichtigten Barrieren zu finden und Lösungsmöglichkeiten dafür zu entwickeln."

Menschen mit Behinderung in die Entwicklung von Spielen einzubinden, wünscht sich Melanie Eilert. Das Interview mit der Spieleexpertin können Sie hier hören:
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(nog)
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