Inklusives Reiten

Auf dem Pferd hat jeder vier gesunde Beine

06:02 Minuten
Betreuerin mit Pferd im inklusiven Pferdesport- und Reittherapiezentrum in Berlin-Karlshorst
In Berlin-Karlshorst sind Menschen für die Pferde da und umgekehrt. © Anja Schrum
Von Anja Schrum |
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Die Trabrennbahn Karlshorst ist vielen Pferdefreunden bekannt. Die „Stiftung Rehabilitationszentrum Berlin-Ost“ eröffnete dort nun ein inklusives Pferdesport- und Reittherapiezentrum – für Menschen mit und ohne Behinderung.
Rosa, Obelix, Viktor und Porki sind vier der insgesamt 16 Therapie-Pferde des Inklusiven Pferdesport- und Reittherapiezentrums, kurz IPRZ, in Berlin-Karlshorst. Es sind ausgewachsene Pferde oder winzige Ponys. Damit Menschen mit und ohne Behinderung reiten können, mit Hilfe der Pferde therapiert werden oder einfach Kontakt zu den Vierbeinern haben.

Barrierearme Anlage

Inklusiv ist auch die Arbeit am IPRZ. Neben ausgebildeten Pferdewirtinnen kümmern sich Menschen mit körperlichen oder kognitiven Beeinträchtigungen um Pferde und Anlage. Um die zwei Reithallen etwa, die Dressur- und Longier-Plätze sowie die Ställe und Paddocks, in denen die betriebseigenen Vierbeiner, aber auch Pensionspferde untergebracht sind.
Die ganze Anlage ist barrierearm, überall gibt es Rampen. Und Türen, die sich per Knopfdruck öffnen lassen. Christina Krämer leitet seit der Eröffnung Ende 2019 den Bereich „Therapeutisches Reiten“. Sie sagt:
„Das finde ich so spannend, wir haben nicht reine Therapie hier, sondern wir haben auch den Sport, Breitensport, eventuell Leistungssport, das heißt: Wir arbeiten hier alle mit dem Pferd und man lernt unheimlich voneinander, das finde ich das Besondere und das finde ich auch das Schöne dabei.“
Mit einer blauen Schirmmütze auf dem Kopf surrt Marco Kiesler in seinem E-Rolli heran. Ich mache das sei einem halben Jahr, allwöchentlich komm ich freitags hierher und schon bei Betreten der Gesamtanlage, ist „Wonderworld“ sozusagen ...“
„Wonderworld“, nennt Kiesler das inklusive Pferdesportzentrum und schwärmt: „So ein Pferd ist ja – da sind wir ja Barbaren dagegen. Die sind ja so hellhörig und feinfühlig.“

Körperliches Miteinander von Pferd und Reiter

Doch auch vom körperlichen Miteinander zwischen Pferd und Reiter profitiert der 53-Jährige, der sich kaum noch allein bewegen kann: „Dass alle diese Einzelbewegungen, die man auf dem Gymnastiktisch vorgeknetet bekommt - und das Pferd sorgt dafür, dass alle Knochen und Muskeln sinnvoll zusammenarbeiten.“
In der Reithalle steuert Kiesler seinen E-Rolli eine sanft ansteigende Rampe hinauf. Bis zu der Stelle, an der Obelix auf ihn wartet. Und ein Pflegelift von der Decke baumelt. Kieslers Assistent und eine Hippotherapeutin fixieren den Lift unter den Armen des 53-Jährigen.
Menschen mit neurologischen Erkrankungen wie etwa Multiple Sklerose oder nach einem Schlaganfall profitieren besonders von der Hippotherapie. Allerdings ist sie keine Kassenleistung und muss in der Regel privat bezahlt werden.
Während in der Halle die Hippotherapie läuft, führt Natalie Schlemmer Viktor zum Putzplatz. Greift dann zu Striegel und Bürste. Schlemmer ist Bereiterin am IPRZ. Sie ist für Training und Ausbildung der Pferde zuständig und gibt Reitunterricht: „Ja, auch inklusiv. Also zum Beispiel, ich habe zwei von unseren Beschäftigten, da haben zwei bei mir regelmäßig Reitunterricht. Und der eine macht jetzt auch bei den Special Olympics mit, mit einem Pferd von uns.“

Specialreiten und Parareiten

Specialreiten ist für Menschen mit kognitiven Einschränkungen, Parareiten heißt es bei denen mit körperlichen.
„Wenn ich das Pferd als Bereiterin darauf vorbereite, muss ich das Pferd daran gewöhnen, dass man, wenn man jetzt einen Reiter hat, der so Zuckungen in den Beinen hat oder besonders klammert, dass das Pferd sich davon nicht irritieren lässt.“
Auch wenn Reiten kein günstiges Hobby ist - die Nachfrage sei groß, sagt Natalie Schlemmer: „Das ist das Coole am Reitsport, Reitsport ist generell sehr inklusiv, weil es gibt ja so diesen Spruch: Auf dem Pferd hat jeder vier gesunde Beine.“

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