Inmitten von Wahnsinn und Normalität
In Marion Poschmanns Roman verwischen die Grenzen des Wahrnehmbaren: Schein und Sein überlappen sich. Der Psychiater Altfried, seine Schwester Mila und der Biologe Odilo sind die Protagonisten des Romans - die Autorin verwebt die drei Schicksale kunstvoll miteinander.
Altfried, Mila und Odilo heißen die Protagonisten in Marion Poschmanns Roman "Die Sonnenposition", der auf der Shortlist der für den Deutschen Buchpreis nominierten Bücher steht. Neben diesen Figuren sind auch Gebäude in Poschmanns Roman bedeutend und immer wieder ist vom Licht die Rede, das auf Personen, Häuser und die Zeit fällt.
Altfried arbeitet in der Nachwendezeit als Psychiater im Osten, in einem zu einer Klinik umgebauten Barockschloss, sein Vater kam in der Nachkriegszeit als Kind ebenfalls in einem Schloss unter. Die Nazis hatten aus diesem Schloss, das einmal eine Heilanstalt war, eine Vernichtungsanstalt gemacht. Über die Lebensläufe der Figuren und das Ambiente von Häusern wendet sich Poschmann dem historischen Boden zu, auf dem die Häuser stehen, und sie zeigt Menschen, die in Häusern wohnen, in denen sich Geschichten kreuzen.
Das faszinierende an ihrem Roman ist, wie sie diese Handlungsstränge miteinander verknüpft, wie sie immer wieder Fäden aufnimmt, sie zurückverfolgt, um sie dann so kunstvoll mit anderen zu verweben, dass dem so entstandenen Geschichtennetz seine besondere Fragilität anzumerken ist.
Altfrieds Patienten sind in der Vergangenheit einem Druck ausgesetzt gewesen, dem sie nicht standhalten konnten – etwas in ihnen ist zerrissen. Auch ihre "Fallgeschichten" integriert die Autorin in ihren Text und darüber hinaus verfolgt sie, wie Altfried, der als Arzt eigentlich helfen sollte, nicht nur immer hilfloser, sondern selber zum "Fall" wird.
Altfried arbeitet in der Nachwendezeit als Psychiater im Osten, in einem zu einer Klinik umgebauten Barockschloss, sein Vater kam in der Nachkriegszeit als Kind ebenfalls in einem Schloss unter. Die Nazis hatten aus diesem Schloss, das einmal eine Heilanstalt war, eine Vernichtungsanstalt gemacht. Über die Lebensläufe der Figuren und das Ambiente von Häusern wendet sich Poschmann dem historischen Boden zu, auf dem die Häuser stehen, und sie zeigt Menschen, die in Häusern wohnen, in denen sich Geschichten kreuzen.
Das faszinierende an ihrem Roman ist, wie sie diese Handlungsstränge miteinander verknüpft, wie sie immer wieder Fäden aufnimmt, sie zurückverfolgt, um sie dann so kunstvoll mit anderen zu verweben, dass dem so entstandenen Geschichtennetz seine besondere Fragilität anzumerken ist.
Altfrieds Patienten sind in der Vergangenheit einem Druck ausgesetzt gewesen, dem sie nicht standhalten konnten – etwas in ihnen ist zerrissen. Auch ihre "Fallgeschichten" integriert die Autorin in ihren Text und darüber hinaus verfolgt sie, wie Altfried, der als Arzt eigentlich helfen sollte, nicht nur immer hilfloser, sondern selber zum "Fall" wird.
Die Magie des Erlkönigs
Als Kontrastfigur zu Altfried erscheint Odilo, der sich als Biologe mit Tieren beschäftigt, die die Fähigkeit besitzen, zu leuchten. Dieses bizarre Leuchten wird in seiner verzaubernden Kraft beschrieben, wenn Odilo und Mila am Meer entlang laufen, das eine ganz besondere Farbe annimmt, wenn sich unter der Wasseroberfläche Quallen sammeln, die intensiv leuchten. Besonders in diesen Landschaftsbeschreibungen ist Poschmann als Lyrikerin ganz gegenwärtig.
Als Jugendliche haben Altfried und Odilo versucht, Erlkönige zu fotografieren. Diese Fahrzeuge, die auf Testfahrten erprobt werden, sollen unsichtbar bleiben – niemand darf sie zu Gesicht bekommen. Darin gleichen sie der zentralen Gestalt in Goethes Gedicht "Der Erlkönig", in dem der Verführer, der nicht zu sehen ist, über magische Kräfte verfügt. Als Verführer tritt auch Odilo auf, zu dem sich zunächst Altfried und dann auch seine Schwester Mila hingezogen fühlen. Sein Tod steht am Anfang dieses Romans, wobei über das Erinnern an ihn, Einspruch gegen das Verlöschen erhoben wird.
Marion Poschmanns Roman über das Sehen ist ein Roman, in dem sich die Grenzen des Wahrnehmbaren verwischen. Schein und Sein lösen sich auf, gehen ineinander über. Davon geht eine starke Anziehungskraft aus. Zugleich aber ist dem Diffusen auch etwas Diabolisches eigen, wenn die Trennlinie zwischen Wahnsinn und Normalität nicht mehr genau zu bestimmen ist. Entlang dieser Markierungen hat Marion Poschmann einen Roman geschrieben, in dem es immer wieder blitzt und gelegentlich ist dieses Blitzen so grell, dass man die Gegenwart in einem bedrohlichen Licht zu erkennen meint.
Besprochen von Michael Opitz
Als Jugendliche haben Altfried und Odilo versucht, Erlkönige zu fotografieren. Diese Fahrzeuge, die auf Testfahrten erprobt werden, sollen unsichtbar bleiben – niemand darf sie zu Gesicht bekommen. Darin gleichen sie der zentralen Gestalt in Goethes Gedicht "Der Erlkönig", in dem der Verführer, der nicht zu sehen ist, über magische Kräfte verfügt. Als Verführer tritt auch Odilo auf, zu dem sich zunächst Altfried und dann auch seine Schwester Mila hingezogen fühlen. Sein Tod steht am Anfang dieses Romans, wobei über das Erinnern an ihn, Einspruch gegen das Verlöschen erhoben wird.
Marion Poschmanns Roman über das Sehen ist ein Roman, in dem sich die Grenzen des Wahrnehmbaren verwischen. Schein und Sein lösen sich auf, gehen ineinander über. Davon geht eine starke Anziehungskraft aus. Zugleich aber ist dem Diffusen auch etwas Diabolisches eigen, wenn die Trennlinie zwischen Wahnsinn und Normalität nicht mehr genau zu bestimmen ist. Entlang dieser Markierungen hat Marion Poschmann einen Roman geschrieben, in dem es immer wieder blitzt und gelegentlich ist dieses Blitzen so grell, dass man die Gegenwart in einem bedrohlichen Licht zu erkennen meint.
Besprochen von Michael Opitz
Marion Poschmann: Die Sonnenposition
Suhrkamp Verlag, Berlin 2013
337 Seiten, 19,95 Euro
Suhrkamp Verlag, Berlin 2013
337 Seiten, 19,95 Euro