Einkaufs- und Flaniermeilen vor dem Niedergang
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Die Innenstädte werden sich verändern, sagt Stadtplaner Klaus Joachim Beckmann. Denn Onlinehandel und Coronaeinschränkungen machen den dortigen Läden zu schaffen. Um die Städte anpassungsfähiger zu machen, plädiert er für eine kleinteilige Mischnutzung.
Die Mieten zu hoch, der Online-Handel zu stark, die Verkehrsanbindung zu unbequem, die Pandemieregeln zu einschneidend: Deutschlands Innenstadt-Läden sind in Gefahr – gerade die kleinen und mittelgroßen, die inhabergeführten ohne finanzielles Polster.
200.000 Händler in Gefahr
Die Zahlen sind erschreckend: Bis Ende nächsten Jahres – auch beschleunigt durch Corona – könnten bis zu 200.000 lokale Händler aufgeben. Einkaufs- und Flaniermeilen könnten ihre Funktion verlieren, gerade jetzt, wo ihnen von beiden Seiten die Luft abgedrückt wird: vom Onlinehandel und von den Pandemiemaßnahmen. Denn durch Corona ist auch die Idee einer Erlebnisstadt voller Freizeitangebote – statt reinem Shopping – zurzeit obsolet. Viele Oberbürgermeister sehen den neusten Lockdown für Kultur und Gastronomie daher kritisch. In Baden-Württemberg haben sich einige zusammengeschlossen und einen Protestbrief geschrieben.
Wie alle anderen Wirtschaftszweige müssten auch die Innenstädte sich verändern und in der Coronakrise Lösungen finden, sagt der Stadtplaner Klaus Joachim Beckmann, bis 2013 Leiter des Deutschen Instituts für Urbanistik in Berlin und Präsident der Akademie für Raumforschung und Landesplanung. Als Beispiel nannte er die "berühmte Kneipenstraße" in vielen Städten, die jetzt leer bleibe. "Wir müssen in den Städten sehen, dass wir die verschiedenen Funktionen, die verschiedenen Nutzungen mischen zwischen Wohnen, Arbeiten, Handel, Kneipen, Gastronomie."
Monofunktionale Nutzung vermeiden
Die Kommunen seien für das Leben der Menschen in ihrer Stadt oder Gemeinde zuständig, so der Stadtplaner. Dabei gehe es auch um die Zukunft. "Wir müssen sehen, dass wir monofunktionale Nutzung reduzieren." Es sei wichtig, kleinteiliger und gemischter zu denken. Das gelinge den Kommunen nur gemeinsam mit der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft. Bund und Länder müssten geeignete Rahmenbedingungen schaffen, um Fehlentwicklungen zu verhindern.
Veränderungen im Verkehr
Auch der Verkehr strukturiere sich derzeit um, sagt Beckmann über die aktuelle Coronalage. "Wir haben weniger Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs." Solange das Wetter es zulasse, seien mehr Leute mit dem Fahrrad unterwegs. Aber es gebe auch mehr Individualverkehr. Es sei wichtig, dass die Stadtzentren für die Menschen gut erreichbar blieben, deshalb müssten die Angebote des öffentlichen Nahverkehrs erhalten bleiben. Die Innenstädte müssten für alle Gesellschaftsschichten etwas bieten. "Dazu gehört die herausgehobene, teure Kneipe und das teure Restaurant genauso wie die kleinere billigere Kneipe."
Es gehe jetzt vor allem darum, die Coronakrise zu bewältigen. In dieser Entwicklung müsse überlegt werden, wie die Städte anpassungsfähiger und widerstandsfähiger werden können. "Da gibt es so ein schönes Wort: Resilienz der Städte." Das werde kein einfacher Weg, aber es werde den Städten gelingen, glaubt Beckmann.
(gem)