Insekten als Futterlieferanten

"Fliegen kann man nicht schlachten"

Larven (maden)
Larven enthalten wertvolles Protein und Öle – perfekt für die Nahrungsmittelproduktion. © imago
Von Ernst-Ludwig von Aster |
Insekten scheinen der ideale Rohstoff für eine ressourcenschonende Nahrungsmittelproduktion zu sein. Aus Fliegenmaden lässt sich Tierfutter herstellen und mancher Insektenzüchter denkt schon über Proteinspaghetti aus Maden-Pulver nach. Doch die deutsche Bürokratie macht daraus ein mühsames Geschäft.
Vorsichtig öffnet Heinrich Katz die Gewächshaustür.
"Jetzt kommen wir zur Hermetia, zur black soldier fly. Und zwar in dem Bereich wo die Paarungen, die Eiablage stattfindet..."
Rund eine Million Fliegen schwirren in luftigen Gazekäfigen. Es ist warm. Und riecht süßlich streng. Katz atmet durch.
"Das ist so ein Fäulnisgeruch, wir sagen Stinkie dazu, den haben wir auch entwickelt – der animiert die black soldier sich zu paaren und Eier abzulegen."

Mit Stinkie kommen Fliegen in Fahrt

Stinkie als Paarungsstimulanz. Die Soldatenfliege als Rohstofflieferant. Das ist die Geschäftsidee. Von Heinrich Katz, dem Ingenieur und Unternehmensberater. Und seinem Bruder, dem Agrarwissenschaftler. Seit 20 Jahren züchten sie Nützlinge, die auf biologischem Weg mit Schädlingen aufräumen. Schlupfwespen etwa. Oder Marienkäfer. Vor zehn Jahren kamen die Maden dazu. Als Proteinspender: Je 20 Gramm Fliegeneier kommen in eine Kiste mit Futtersubstrat.
"Nachher aus so einer weißen Kiste, die so 20 mal 35 cm hat, entstehen nachher 120 kg Fischmasse, also kein Schwein oder kein Fisch kommt da, mit dem Biomasseaufbau, den wir da haben."
Eiweiß-Power aus Maden. Statt aus Soja und Fischmehl. Ressourcen schützen und trotzdem Protein erzeugen, das ist die Idee.
Ein Mann schiebt sich einen Dominowürfel mit Grille
Grillen auf Schokolade: Insekten eignen sich nicht nur für Tierfutter, sondern könnten auch in normalen Nahrungsmitteln Verwendung finden.© picture alliance / dpa
"Wir haben natürlich die Behörden hier in der Gegend gefragt, wir wollen das und das machen. Und die waren ganz begeistert: Ja, passt in die Biomasse-Strategie des Landes Brandenburgs, schließt da 'ne Lücke. Und sowieso, Proteinlücke, alles ganz toll."
Also planten der Ingenieur und der Agrarwissenschaftler im kleinen Örtchen Baruth: Flugkäfige, Babystation, Bioreaktoren. 20 Tage Produktionszeit vom Ei zur Made. Ein wahres wirtschaftliches Wundertier:
"Es würde so gerne Speisreste, überlagerte Lebensmittel, Schweinegülle, sogar Tierkörperbeseitigung, solche Dinge …"

Speisereste sind als Fliegenfutter tabu

Darf es aber nicht. Ganz anders als die Maden in Kanada zum Beispiel. Die verwerten mal eben 400 Tonnen Bioabfall pro Tag. In Deutschland verboten:
"Unser Insekt ist ein Nutztier, wie ein Schwein, oder wie ein Huhn, was Eier legt... Weil in der Definition steht: Ein Tier, was zu Futterzwecken gezüchtet wird, ist ein Nutztier. Und da fangen natürlich schon die großen Probleme an. Weil, einem Nutztier darf man nur zugelassene Futtermittel zur Verfügung stellen."
Also kriegen die Maden Weizen- und Roggenschrot. Zugelassenes Futtermittel für 200 Euro die Tonne. Der Ingenieur öffnet die Tür zu einem der sechs Bioreaktoren. Zieht eine große Metallschublade heraus.
Bei kontrollierter Feuchtigkeit und Temperatur wachsen die Insekten. Katz angelt mit einem langstieligen Löffel ein paar fette Exemplare aus der Masse. Die Futter-Vorschriften waren der erste bittere Beigeschmack im Madengeschäft. Aber nicht der letzte. Als die erste Madengeneration an 810 Testhühner verfüttert werden soll, stoppen Behörden die Verköstigung.
"Die haben uns dann das erste Mal drauf hingewiesen, dass das unter die BSE-Regulierungen fällt, wo verarbeitetes tierisches Protein nicht an Nutztieren verfüttert werden darf. Einzige Ausnahme ist Fischmehl. Eine weitere Ausnahme wird nicht zugelassen, steht explizit in der berühmten Verordnung 999-2001 drin."

Die Bürokraten sagen: Fliegen bluten nicht

Am Ende gibt es dann doch noch eine Ausnahmegenehmigung.Dann erreicht das Thema langsam auch die Politik. Brüssel erlaubt, dass verarbeitetes tierisches Protein an Fische in Aquakulturen verfüttert werden darf, solange es aus Schlachthöfen der EU kommt.
Aufatmen in Brandenburg. Der Weg für den Protein-Einsatz bei der kommerziellen Fischzucht scheint frei.
"Und dann hat mir mein Ministerium in Brandenburg geschrieben: Leider können wir ihre Produkte wieder nicht zulassen, da man Insekten per Definition nicht schlachten kann... Schlachten bedeutet Blutentzug bei Wirbeltieren."
Und Insekten sind garantiert blutfrei. Und nicht nur damit liegen sie quer zur Schlachthofverordnung.
"In Gesetzen steht drin: Ein Schlachthof ist insektenfrei zu halten. Wenn ich da Insekten verarbeite, ist schon schwierig."

Spaghetti aus Maden-Puder

Dann kommen wir hier in unseren Schlachthofbereich, der entsprechend abgetrennt sein muss.
Ein Raum gleich neben den sechs Bioreaktoren. Die Maden sterben den Insektentod in einigen Kühltruhen, danach werden sie eine halbe Stunde lang bei über 80 Grad erhitzt. Das Fett abgetrennt, die Proteine gemahlen. Ein Power-Puder für die Futtermittel- und Lebensmittelindustrie, sagt Heinrich Katz.
"Die Kollegen vom Deutschen Institut für Lebensmitteltechnologie denken durchaus darüber nach, aus solchem Mehl Spaghetti zu machen, Proteinspaghetti."
Gut zehn Tonnen Maden-Puder haben sie dieses Jahr ausgeliefert. Allerdings nur für Fütterungsversuche. Eine bescheidene Bilanz. Nach zehn Jahren Maden-Management:
Da darf man teilweise gar nicht drüber nachdenken, weil man da wütend wird, weil jeder sagt, tolle Idee und das löst Probleme, aber leider, leider, leider sind die Gesetze dagegen ..."
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