"Insgesamt ist die Bankenabgabe viel, viel, viel zu wenig"

Max Otte im Gespräch mit Ute Welty |
Der Finanzexperte Max Otte hält die geplante Bankenabgabe für ein unzureichendes Instrument gegen Auswüchse der Finanzkrise. Der Leiter des Instituts für Vermögensentwicklung (IFVE) in Köln sagte, es sei besser, von Banken eine ausreichende Eigenkapitalquote von fünf bis acht Prozent zu fordern. Dann würden Finanzkrisen unwahrscheinlicher.
Ute Welty: Für ihn waren 111 Millionen Mark Peanuts, im Mannesmann-Prozess ist er knapp an einer Vorstrafe vorbeigeschrammt und er würde sich schämen, in der Finanzkrise Geld zu nehmen vom Staat. Josef Ackermann als der Chef der Deutschen Bank polarisiert und führt das größte deutsche Kreditinstitut seit vier Jahren. Heute stellt sich Ackermann auf der Jahreshauptversammlung den Aktionären.

Boni sind also immer noch drin. Die Deutsche Bank steht so gut da, als ob es die Krise nie gegeben hätte. Das klingt paradox und das kann uns hoffentlich der Ökonom Max Otte erklären, Professor für allgemeine und internationale Betriebswirtschaftslehre in Worms. Guten Morgen, Herr Otte.

Max Otte: Guten Morgen.

Welty: Milliarden sind angeblich durch die Finanzkrise vernichtet worden, die Lebensversicherungen werden weniger wert sein und manch einer mag gar nicht mehr in sein Depot schauen. Warum geht das alles an der Deutschen Bank quasi spurlos vorüber? Warum macht man im vergangenen Jahr im Gegenteil einen Gewinn von fünf Milliarden Euro?

Otte: Sie sagen selber, das klingt paradox, aber man muss dazu wissen, dass Investmentbanken eigentlich nicht investieren. Die handeln. Das heißt, sie kaufen und verkaufen in schnellem Takt. Und wenn die Märkte sehr volatil sind, also stark rauf- und runtergehen, dann verdienen sie jedes Mal mit. Das heißt, Zeiten der Unsicherheit, Zeiten stark schwankender Märkte sind für smarte Investmentbanker sehr gut. Natürlich wird es auch immer einige geben, die verlieren, weil sie die Situation nicht so richtig eingeschätzt haben, aber im Prinzip sind die klugen Leute im Investmentbanking in solch unsicheren Zeiten eigentlich immer vorne dran und können kräftig verdienen.

Welty: Wenn man auf das erste Quartal der Deutschen Bank 2010 schaut, dann wirft auch das Gewinn ab, und zwar eben hauptsächlich aufgrund dieses Investmentbankings. Das sehen viele Aktionäre inzwischen kritisch. Sie auch?

Otte: Natürlich, Investmentbanking brauchen wir in gewisser Weise im Banksystem, zum Beispiel wenn Aktien ausgegeben werden, oder Anleihen begeben werden, neues Kapital beschafft wird. Was wir nicht brauchen ist diese Unzahl von Tischen, die wir ins Spielkasino gestellt haben, Derivate, viele Hedgefonds, viele Sachen, die einfach im Moment laufen, wo man spekuliert, was aber keinen Bezug zur Realwirtschaft mehr hat. Das kann teilweise geschlossen werden.

Welty: Das heißt aber doch, dass die riskanten Geschäfte, die die Finanzkrise verursacht haben, genau jetzt in der Krise besonders lukrativ sind. Wie pervers ist das?

Otte: Das ist schon sehr pervers, aber solange wir als Gemeinwesen, als Politik nichts daran ändern, wird es wohl so weiterlaufen, denn die Banker sind ja sehr gut vernetzt und sie verstehen es eigentlich immer wieder, Regulierungsbemühungen zu hintergehen und zu unterlaufen und so weiterzumachen wie bisher. Außerdem hat die Politik das durchaus gewollt. Wir haben nämlich die Buchhaltungsregeln gelockert, sodass wir gar nicht mehr so genau reinschauen bei etlichen Banken, und im Prinzip das Signal gegeben, macht weiter wie bisher, verdient schnell wieder viel Geld, damit ihr wieder auf positive Eigenkapitalkonten kommt.

Welty: Josef Ackermann hat sich eine Marke gesetzt in Form einer gewünschten Rendite von 25 Prozent. Ist das überhaupt zu schaffen, ohne dass man mit etwas handelt, das einem nicht nur nicht gehört, sondern das es eventuell auch noch gar nicht gibt?

Otte: Nein. Das ist nicht zu schaffen, oder nur in Ausnahmefällen. Sagen wir, Sie sind ein Unternehmer und haben ein wirklich innovatives Produkt, dann können Sie das über etliche Jahre schaffen. Aber das sind eben die großen Ausnahmen und im Prinzip betreiben die Investmentbanker ein Standardgeschäft wie auch die Automobilkonzerne – das ist bekannt, was da passiert; das sind letztlich keine großen Innovationen, oder zumindest keine nützlichen. Paul Volcker sagte mal, die letzte nützliche Innovation im Bankgewerbe sei der Geldautomat gewesen. Also: 25 Prozent sind eigentlich für ein normales Unternehmen schwer zu schaffen.

Welty: Wären Sie denn für eine Trennung von Investmentbank und Geschäftsbank?

Otte: Absolut! Das ist ja auch gerade nach der großen Weltwirtschaftskrise 29 in den USA passiert. Dadurch werden die Investmentbanken kleiner. Das schmerzt, deswegen wehrt sich die Branche, aber genau das hatten wir gemacht, es hat gut funktioniert über 60 Jahre. Der Vorteil dabei ist, dass die Investmentbank nicht mehr automatisch mit den Kundengeldern spekulieren kann, sondern nur noch mit dem eigenen Geld beziehungsweise mit geliehenem Geld.

Welty: Gibt es jetzt schon Banken, die Ihrer Meinung nach redlicher handeln als andere?

Otte: Ja. Wir haben in Deutschland eigentlich ein wirklich schönes und ausdifferenziertes und gutes Bankensystem, nehmen Sie die Volks- und Raiffeisenbanken, die sind genossenschaftlich organisiert. Da ist das Kapital also nicht so mobil, sondern sitzt bei den Genossen. Das heißt, da ist noch ein gewisser Gemeinsinn vorhanden. Auch die Sparkassen. Das hat mit den Bankern, wenn Sie über die international investment- und kapitalmarktorientierten Banken sprechen, wenig zu tun. Da werden tatsächlich prioritär und schwerpunktmäßig noch die Aufgaben des Bankwesens erfüllt, nämlich die Wirtschaft mit Kredit zu versorgen, wobei das auch aufgrund der neuen Regeln, der neuen Eigenkapitalregeln, die uns von außen aufgedrückt werden, gar nicht so einfach ist.

Welty: Angedacht ist jetzt eine europäische Bankenabgabe, eine Rücklage für den Fall einer Bankenpleite. So etwas ist in Deutschland in der gesetzlichen Pipeline, aber in einem sehr geringen Umfang. Glauben Sie, dass Deutschland im Rahmen dieser europäischen Harmonisierung noch einmal nachbessern muss?

Otte: Ich hoffe das, aber insgesamt ist die Bankenabgabe viel, viel, viel zu wenig, denn im Prinzip schaffen sie nur eine Versicherung. Alle zahlen in den Topf ein, und zwar auch die Volks- und Raiffeisenbanken, die Sparkassen, die Banken, die solide gewirtschaftet haben, und der Topf steht nachher nur den Zockern zur Verfügung. Das kann so nicht sein, das ist das eine, und viel besser wäre es, Banken mit ausreichendem Eigenkapital auszustatten, also Kapital der Aktionäre. Wenn sie fünf, sieben, acht Prozent echtes eigenes Geld in der Bank haben, dann haftet das und dann werden Finanzkrisen unwahrscheinlicher, weil es dann zuerst an das Eigenkapital geht. Die Deutsche Bank hat ja unter zwei Prozent Eigenkapital, wenn ich mir das so recht anschaue.

Welty: Welche Maßnahmen halten Sie noch für sinnvoll?

Otte: Neben einer sinnvollen Eigenkapitalausstattung, was ja Basis eigentlich jeder Marktwirtschaft sein sollte, die Finanztransaktionssteuer, denn die dämpft genau die Geschäfte, die sehr spekulativ sind. In dem Zusammenhang gibt es ja auch die Forderung der Finanzbranche, eine Financial Activity TICs einzuführen. Das ist eine reine Propagandalüge, denn die Activity-TICs bezieht sich ...

Welty: Also die Aktivitätssteuer!

Otte: Ja, aber sie bezieht sich eben nicht auf die Aktivitäten, sondern nur auf die Gewinne. Sie können also handeln so viel sie wollen und hinterher wird einmal der Gewinn besteuert. Bei der Transaktionssteuer werden eben genau die Aktivitäten besteuert. So sehen Sie, mit welchen Propagandalügen die Branche da arbeitet. Das ist schon sehr sportlich.

Welty: Falsche Begriffe für falsche Maßnahmen sozusagen?

Otte: In der Tat!

Welty: Der Ökonom Max Otte über die Lage vor der Jahreshauptversammlung der Deutschen Bank. Ich danke fürs Gespräch hier in Deutschlandradio Kultur.

Otte: Guten Tag!
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