"Insgesamt sehr enttäuschend"

Moderation: Frank Capellan |
Nach Ansicht Luc Jochimsens hat der Schriftsteller Günter Grass seine Rolle als moralische Instanz verspielt. Sein spätes Geständnis, Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein, sei "insgesamt sehr enttäuschend", sagte Jochimsen, für die Linksfraktion Mitglied im Ausschuss für Kultur und Medien des Bundestages. Am Ende eines "langen, erfolgreichen und großartigen Arbeitens und Lebens" stilisiere auch er sich als Opfer des Krieges.
"Er war in der Waffen-SS und ist jetzt Opfer. Das finde ich bestürzend, weil es ihn einreiht in diese Reihe der Mitläufer und Mitmacher, die sich keiner Schuld bewusst sind und von sich sagen, ich bin eigentlich Opfer," sagte Jochimsen. Grass sei durchaus eine moralische Instanz gewesen, betonte die Politikerin. Er habe kluge Urteile abgegeben, Menschen vor Verurteilungen in Schutz genommen und sich für Minderheiten, etwa für Sinti und Roma, eingesetzt. "Neben dem Autor war er auch ein ganz besonderer Mensch. Er war der andere Deutsche", sagte sie

Seine Aussage, die "nachwachsende Scham" habe ihn zu seinem Geständnis bewegt, nehme sie ihm nicht ab, sagte Jochimsen. Vielmehr müsse man fragen, ob er einer bevorstehenden Veröffentlichung dieser Wahrheit habe zuvor kommen wollen. "Ich bin mir nicht sicher, ob sich die Deutschen nicht doch irgendwann einmal überlegen, ob sie Günter Grass weiterhin bewundern sollen", sagte sie. Man müsse beobachten, was nach der Lektüre des neuen Buches passiere.