Pleite mit Ansage
Air Berlin, der Flieger mit den roten Schokoherzen, hat Insolvenz angemeldet. Vorerst kann der Flugbetrieb nur mit Hilfe eines Überbrückungskredits des Bundes aufrechterhalten werden. Die Flugshow ist vorbei, meint Michael Braun.
Er war "ein Typ", und das reichte, um Joachim Hunold vor zehn Jahren zum "Ritter wider den tierischen Ernst" zu schlagen. Der abgebrochene Jurastudent hatte als Gepäckverlader gearbeitet, bei der Fluggesellschaft LTU Karriere gemacht und später eine Airline als seine übernommen: Air Berlin. Es gehörte Mut dazu, gegen die vormals staatliche Lufthansa anzutreten. Aber Hunold hatte nicht nur den, sondern verstand sich zudem noch als Schlaumeier, der sich der Mitbestimmung und also den hier üblichen Standards guter Unternehmensführung entziehen wollte. Deshalb ging er mit Air Berlin in der Rechtsform der plc an die Londoner Börse.
Kaufen, was andere gerne loswerden wollen
Ein paar Jahre ging das Geschäft am Anfang gut, als sich Air Berlin als Ferienflieger, vor allem als Mallorca-Shuttle positioniert hatte. Das spätere Wachstum bekam dem Unternehmen nicht: Niki, die Deutsche BA, die LTU – Hunold glaubte, schlauer als andere zu sein, als er kaufte, was andere gerne loswurden. Aber ihre Rolle im Markt fand Air Berlin nicht. Zwischen der Lufthansa, dem Transporteur von Geschäftsreisenden, die auch ordentlich teure Flüge als Spesen von der Steuer absetzen konnten, und den Massenfrachtern für Touristen, die nur billig von A nach B kommen wollten, fand Air Berlin keine Lücke.
Man nennt das Missmanagement. Dabei wurde das Geld der Aktionäre verbrannt. Schon damals schätzten Analysten den fairen Wert einer Air Berlin-Aktie auf Null. Doch Staatshilfe zögerte diese Wahrheit jahrelang hinaus. Denn seit 2012 ist im Eigentümerkreis Etihad, eine staatliche Fluggesellschaft aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, prominent vertreten. Die wollte sich in Europa unter anderem mit Air Berlin und Alitalia ein Netzwerk aufbauen, das Passagiere in die Emirate schaffen sollte, um sie von dort aus dann in die große weite Welt zu fliegen. Das hat nicht geklappt. Aber gut zwei Milliarden Euro an Zuschüssen gekostet und dazu den entsprechenden Anteil an weiteren knapp zwei Milliarden Euro Schulden von Air Berlin.
Macht statt Wettbewerb
Immer wieder hat Lufthansa auf die wettbewerbsverzerrende Hilfe der Emirate für Etihad und damit auch für Air Berlin hingewiesen. Aber Staatsstütze ist in der Branche alles andere als selten. Selbst der aggressive Billigheimer aus Irland, Ryanair, lebt immer noch von Flughäfen, die von Städten und Regionen aus Imagegründen subventioniert werden. In Deutschland war das lange zum Beispiel der Flughafen Hahn im Hunsrück, betrügerisch-lockend "Frankfurt-Hahn" genannt – trotz der großen Entfernung zu Frankfurt.
Alitalia hat nur bis vor kurzem überlebt, weil der italienische Staat immer wieder Geld zuschoss – angeblich der Arbeitsplätze wegen, aber sicher auch wegen des nationalen Prestiges. Und auch Lufthansa hat das monopolistische Denken einer ehemals staatlichen Airline nicht verlernt. Wie wenig Wettbewerb sie aushalten kann, kam heraus, als der Flughafen Frankfurt dem größten Konkurrenten der Lufthansa, nämlich Ryanair, die in der Branche üblichen zeitlich befristeten Rabatte bei den Start- und Landegebühren einräumte. Da schäumte Lufthansa-Vorstand Carsten Spohr, drohte mit Abwanderung nach München. Die Lufthansa sei schließlich der größte Kunde des Frankfurter Flughafens, dazu noch Anteilseigner.
Nur nicht-fliegen ist schöner
Macht statt Wettbewerb und gern gewisse Staatsnähe nutzt Lufthansa jetzt auch bei der Abwicklung von Air Berlin: Der von Lufthansa zu Air Berlin gewechselte Vorstandschef Thomas Winkelmann hatte, wie jetzt herauskam, schon wochenlang die Insolvenz vorbereitet, sich für Air Berlin einen staatlichen Überbrückungskredit besorgt und beim Bundesverkehrsminister die Auffassung platziert, wenn Lufthansa den größten Batzen der Start- und Landerechte von Air Berlin übernehme, kollidiere das natürlich nicht mit dem Kartellrecht.
Gut, dass es noch Monopolkommission und Kartellamt gibt. Gut, dass sie weitestgehend unabhängig sind, um dem Machtkartell aus Politik und Lufthansa Paroli zu bieten.
Man muss Ryanair nicht mögen, nicht die Großmäuligkeit seines Chefs, vor allem nicht die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen in diesen irischen Flugzeugen – aber ohne eine Konkurrenz spränge die Lufthansa mit ihren Kunden nach Belieben um. Da bliebe oft nur der Verzicht aufs Fliegen. Der Umwelt ein solches Geschenk zu machen wäre auf jeden Fall besser als der Lufthansa Monopol-Preise zu zahlen.