Eine überzeugende Entschuldigung beinhalte, dass man sich selbst seine Fehler eingesteht, sagt Christoph May [Audio] , Mitbegründer des Instituts für kritische Männlichkeit. Doch: "Sich entschuldigen, Schwäche zeigen gilt als unmännlich."
Wie Männer sich entschuldigen
07:41 Minuten
Der Instagram-Kanal "Apologizing Men" sammelt öffentliche Entschuldigungen von Männern: viele eher halbherzig abgegeben, nach dem Motto: "Sorry, but not sorry". John F. Kennedy ist dabei, der Sänger Morrissey oder der Philosoph Slavoj Žižek.
"I’m so sorry" – "es tut mir so leid" –, beteuert der britische Morrissey in seinem Song "Suedehead" Ende der 80er-Jahre. Es ist eines von vielen Liedern der Popgeschichte, die sich auf einem Instagram-Account namens "Apologizing Men" finden. Von Männern, die eben das tun: Entschuldigung sagen.
"Das einzige Mal, dass sich Morrissey überhaupt für irgendwas entschuldigt hat", kommentiert eine Userin unter dem Post. Und spielt damit auf einen Sänger an, dem immer wieder auch Rassismus vorgeworfen wurde, und der 2017 im "Spiegel" Berlin als "Vergewaltigungshauptstadt" bezeichnet hat. Wegen – Zitat – der "offenen Grenzen".
Julia Niemann ist 33 Jahre alt, Regisseurin und eine der Autorinnen des Instagram-Accounts "Apologizing Men". Alles habe mit einer "Art phänomenologischen Neugierde" begonnen, erzählt sie. "Jetzt auch in Zeiten der Cancel Culture und MeToo. Warum entschuldigen sich Männer so oft? Wofür entschuldigen sie sich? Wie entschuldigen sie sich? Welche Worte benutzen sie dabei? Wie sehen die Gesichter aus? Und dann irgendwann ist in uns der Ehrgeiz erwachsen, da - wenn man so will – ein Gesellschafts- oder Sittenbild oder vielleicht sogar eine Menschheitsgeschichte abzubilden, anhand der Fehltritte von Männern. Was sich so ganz erstaunlich gut erzählen lässt."
"Das einzige Mal, dass sich Morrissey überhaupt für irgendwas entschuldigt hat", kommentiert eine Userin unter dem Post. Und spielt damit auf einen Sänger an, dem immer wieder auch Rassismus vorgeworfen wurde, und der 2017 im "Spiegel" Berlin als "Vergewaltigungshauptstadt" bezeichnet hat. Wegen – Zitat – der "offenen Grenzen".
Julia Niemann ist 33 Jahre alt, Regisseurin und eine der Autorinnen des Instagram-Accounts "Apologizing Men". Alles habe mit einer "Art phänomenologischen Neugierde" begonnen, erzählt sie. "Jetzt auch in Zeiten der Cancel Culture und MeToo. Warum entschuldigen sich Männer so oft? Wofür entschuldigen sie sich? Wie entschuldigen sie sich? Welche Worte benutzen sie dabei? Wie sehen die Gesichter aus? Und dann irgendwann ist in uns der Ehrgeiz erwachsen, da - wenn man so will – ein Gesellschafts- oder Sittenbild oder vielleicht sogar eine Menschheitsgeschichte abzubilden, anhand der Fehltritte von Männern. Was sich so ganz erstaunlich gut erzählen lässt."
Ein Kaleidoskop der Entschuldigungen
Die bald 1000 Posts des Kanals bilden ein Kaleidoskop, lustig und ernst zugleich. Der zu laut schnarchende Mowgli aus dem Dschungelbuch ist darin ebenso zu finden wie Willy Brandt mit seinem Warschauer Kniefall. Ein Aufeinanderprallen, das Leonie Seibold – 31, Dramaturgin und zweite Co-Autorin des Accounts – für nicht problematisch hält. Sie würden Entschuldigungen unabhängig vom Kontext sammeln, sagt sie. "Wir kategorisieren nicht wirklich. Für uns ist die Kulturtechnik als solche sozusagen relevant. Wir erklären dann, je nach Bedarf, sozusagen auch den Kontext: Was ist vorher passiert, wie ging die Geschichte aus? Aber wir sammeln sozusagen flach – und deswegen werden die alle gleichwertig gegenübergestellt."
Laut Leonie Seibold haben die gesammelten Entschuldigungen von Männern auf dem Instagram-Kanal oftmals Unbeholfenheit gemeinsam. "Die mich am meisten aufregt, ist eine, die uns sehr häufig unterkommt. Und zwar: I’m sorry, but it’s not my fault. Also: Einerseits gestehe ich es mir ein, gleichzeitig – genau: Ich war es nicht. Und das ist ein Muster, was wir derartig oft wiederholt sehen, dass es schon wirklich aufregt."
Entschuldigen, aber nicht so richtig
Ein Post zeigt zum Beispiel Gernot Blümel von der ÖVP, Österreichs Finanzminister, in der ORF-Sendung "ZIB 2" vom 10. Mai. Er ist der erste amtierende Finanzminister des Landes, bei dem es eine Hausdurchsuchung gab, erwähnt der Moderator der Sendung, Armin Wolf, unter anderem – und fragt Blümel: "Finden Sie, dass Ihr Verhalten als Minister vorbildlich ist?" – "Das nehme ich für mich in Anspruch." – "Tatsächlich?" – "Absolut. Falls ein anderer Eindruck entstanden sein sollte, dann tut mir das natürlich leid."
Blümel entschuldigt sich in dem Interview mehrmals. Allerdings immer nur indirekt: für einen möglicherweise entstandenen Eindruck. Das, glaubt man den Macherinnen des Instagram-Accounts, sei typisch für die "Kulturtechnik" männlicher Entschuldigungen: Oftmals wirken die nämlich nur halbgar und sollen in der Öffentlichkeit schlicht eine Diskussion beenden.
Brandts Kniefall neben reumütigen Vergewaltigern
Neben Politik widmet sich der Account auch viel der Popmusik. Der von Bryan Adams zum Beispiel, oder auch OutKast oder Chicago: Es sei schwer, sich zu entschuldigen, beklagt die Band in "Hard To Say I’m Sorry" von 1982. Ein Klischee, um das sich Songs oft drehten – und das sich in der Realität so auch wiederfände, meint Julia Niemann: "R. Kelly zum Beispiel hat sich nicht entschuldigt während dieser ganzen MeToo-Vorwürfe. Und wir haben aber einen Entschuldigungsschnipsel in einem Musikvideo von ihm gefunden. Den posten wir dann einfach."
Ende September wurde der R'n'B-Musiker schuldig gesprochen, unter anderem wegen Missbrauchs von Frauen und Kindern. Nun droht ihm eine lange Haftstrafe.
R. Kellys Entschuldigung neben dem Kniefall von Willy Brand? Morriseys gesungene Entschuldigung neben der von Finanzminister Blümel? Werden auf dem Instagram-Kanal "Äpfel mit Birnen" verglichen, gleichgestellt?
Ein Kritikpunkt, den Seibold zurückweist: Ihr Instagram-Account sei eben keine Wissenschaft, sondern genau das: ein Instagram-Account. "Man muss dem Publikum auch ein bisschen was zutrauen, und ich persönlich kann auch gut damit leben, dass der eine was absolut Humoristisches sieht in unserem Schaffen, in unserem Projekt, der andere es vielleicht geschmacklos findet und total widersprüchlich, und wieder eine anderer einen politischen Aktivismus dahinter vermutet. Ich finde das schön."
R. Kellys Entschuldigung neben dem Kniefall von Willy Brand? Morriseys gesungene Entschuldigung neben der von Finanzminister Blümel? Werden auf dem Instagram-Kanal "Äpfel mit Birnen" verglichen, gleichgestellt?
Ein Kritikpunkt, den Seibold zurückweist: Ihr Instagram-Account sei eben keine Wissenschaft, sondern genau das: ein Instagram-Account. "Man muss dem Publikum auch ein bisschen was zutrauen, und ich persönlich kann auch gut damit leben, dass der eine was absolut Humoristisches sieht in unserem Schaffen, in unserem Projekt, der andere es vielleicht geschmacklos findet und total widersprüchlich, und wieder eine anderer einen politischen Aktivismus dahinter vermutet. Ich finde das schön."
Keine Debatte beenden, sondern beginnen
Tatsächlich aber wollen die beiden Macherinnen des Instagram-Accounts mit den gesammelten Entschuldigungen keine Debatte beenden, sondern eine beginnen. Auch, obwohl sie nur einseitig darstellen. "Wir bilden nur die eine Seite von Toxic Masculinity ab: die Männer, die sich, nachdem sie schon versagt haben, entschuldigen. Aber warum sie überhaupt so viel häufiger versagen als Frauen. Und ich meine jetzt: Warum sind Männer so viel häufiger Vergewaltiger? Warum morden Männer so viel häufiger? Warum sind Männer so viel häufiger Terroristen? Diese Fragen, das sind noch mal ganz andere. Die können wir hier nicht beantworten mit unserem Projekt. Aber da muss natürlich Männlichkeitsarbeit, Jungenarbeit schon geleistet werden. Das muss ganz früh beginnen."
Bei Apologizing Men treffen Realität auf Fiktion, Romantik auf Politik, Banalitäten auf Verbrechen. Es ist keine statistische Aufarbeitung – und doch die Beobachtung einer bestimmten "Art von Entschuldigung". Eine, die zumeist Männer in der Öffentlichkeit immer wieder zu wiederholen scheinen: ob in Filmen und Serien, Opern, Pressekonferenzen, Gottesdiensten oder Computerspielen.
Der Account will nicht zuletzt auch mit Humor dafür sensibilisieren, dass Entschuldigungen von Männern manchmal einfach keine sind. So auch im Fall des Philosophen Slavoj Žižek, der 2015 an der New York University seinen Vortrag über Hegel überzieht – und danach mit Humor um Entschuldigung bittet: "I’m sorry if I was too long. But on the other hand: Fuck you, I’m not really sorry. Thank you very much."