Installation "Am Telefon sagt man nix"

Überwachung erlebbar machen

Besucher der temporären Kunstinstallation "Am Telefon sagt man nix" der Gruppe ÜB3R stehen im Januar 2016 um den Fuß eines ehemaligen DDR-Grenzwachturms in der Nähe des Potsdamer Platzes in Berlin-Mitte und halten Telefonhörer ans Ohr.
Besucher der temporären Kunstinstallation "Am Telefon sagt man nix" der Gruppe ÜB3R im Januar 2016 in der Nähe des Potsdamer Platzes in Berlin-Mitte © Deutschlandradio / Philip Banse
Von Philip Banse |
Ein Gefühl dafür bekommen, was es heißt, überwacht zu werden - das will die Künstlergruppe ÜB3R mit ihrer Installation "Am Telefon sagt man nix" erreichen. In einem ehemaligen DDR-Grenzwachturm in Berlin können Besucher von der Stasi aufgezeichnete Telefongespräche hören - und andere überwachen.
Ein Grenzturm der ehemaligen DDR, zehn Meter hoch, grauer Beton, fast vergessen und oft übersehen in einer Seitenstraße am Potsdamer Platz. Außen am Turm hängen sechs Telefonhörer hinab. In jedem zu hören sind Telefonate, die die Stasi abgehört und mitgeschnitten hat:
"Was wünschen sie denn? Sie wollen den Stabschef haben, ja?"
"Sie sind der Stabschef?"
"Ja."
"Darf ich ihren Namen auch haben?"
"Das spielt nichts zur Rolle. Sie wissen doch, wo sie angerufen haben."
Dieser Mann etwa ruft beim Ministerium für Staatssicherheit an. Er möchte Informationen haben.
"Ja, ist gut. Ich habe eine Frage, ich weiß nicht, inwiefern sie mir Auskunft geben mögen über den Grenzverletzter an der Staatsgrenze, der da flüchten wollte."
"Von was reden Sie denn, Herr…"
"Von dem tödlich Verletzten, der an der Staatsgrenze verstorben ist."
Wer den anderen Hörer greift, hört Alltägliches wie ein Paar, das bespricht, wer die Kinder abholt oder Ergreifendes wie zwei Frauen, die sich verabschieden, weil die eine aus der DDR ausreist.
"Ja."
"Ich war vorhin nicht alleine, da konnte ich dich nicht so sprechen. Ich wollte dich doch noch mal ganz derb drücken…"
"Ach, Du kleines Schnuckelchen, du, meine Kleine, nicht heulen, ist doch gut."
"Ich wünsche Dir alles Gute."
"Meine kleine Gute, weine nicht."
Was bedeutet es, überwacht zu werden?
"Am Telefon sagt man nichts", heißt die sehr berührende Installation. Geschaffen hat sie das Berliner Künstlerduo Ueb3r. In der Stasi-Unterlagenbehörde haben sie tagelang aufgezeichnete Privatgespräche abgehört, erzählt Paul Wiedenmann. Anfangs habe er sich dabei unwohl gefühlt.
"Mit der Zeit war dann überhaupt gar kein schlechtes Gewissen mehr vorhanden, total abgestumpft, man hat halt nur noch gehört, da wird wieder jemand abgehört. Man gewöhnt sich daran, und das gilt es eigentlich zu verhindern auch."
Die temporäre Kunstinstallation "Am Telefon sagt man nix" der Gruppe ÜB3R im Januar 2016 in der Nähe des Potsdamer Platzes in Berlin-Mitte
Die temporäre Kunstinstallation "Am Telefon sagt man nix" der Gruppe ÜB3R an einem ehemaligen DDR-Grenzwachturm in der Nähe des Potsdamer Platzes in Berlin-Mitte© Deutschlandradio / Philip Banse
Überwachung erlebbar machen, das ist das Ziel der Installation, sagt Stefanie Kinsky vom Kunstkollektiv Ueb3r. Ihr sei unwohl bei dem Gedanken an die globale Massenüberwachung durch Geheimdienste und private Firmen, trotzdem nutze sie datenhungrige Dienste wie Facebook und Google.
"Und von diesem Gefühl aus haben wir uns gefragt, wieso ist das so? Und wir haben festgestellt, dass uns eine persönliche Involvierung einfach fehlt, so eine Betroffenheit, wenn es um das Thema Datenschutz geht und Überwachung. Und wir haben uns dann entschlossen, mit Originaldokumenten zu arbeiten von Menschen, die eben überwacht wurden. Und wir wollen mit diesem Projekt den Besuchern und Besucherinnen ein persönliches Gefühl geben, was es bedeutet, überwacht zu werden."
Überwachte Überwacher
Wer im Turm die Leiter noch oben kraxelt, kommt an einem Lautsprecher vorbei. Hier wird übertragen, was Besucher draußen sagen, während sie den abgehörten Gesprächen lauschen.
"Was ist bei Dir?"
"Alltag."
"Pornokassetten werden geschmuggelt in die DDR."
"Pornokassetten? Bei mir ist ein Wahlgeräusch jetzt."
"Das hört sich wirklich so an, als ob das aus einer anderen Zeit spricht."
"Was?"
"Durch den Ton hört sich das direkt so an, als ob das aus einer anderen Zeit kommt."
Die Besucher, die Überwacher werden überwacht beim Überwachen. Die Ausstellung in Berlin dauert nur bis Sonntag, kann aber als Wanderausstellung gebucht werden.

Die temporäre Kunstinstallation "Am Telefon sagt man nix" der Berliner Gruppe ÜB3R ist bis Sonntag, 10. Januar 2016 am ehemaligen DDR-Grenzwachturm in der Erna-Berger-Straße in Berlin-Mitte zu sehen. Mehr Informationen zur Installation und der Künstlergruppe ÜB3R auf deren Webseite.

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