Installationskünstler

Reisender zwischen Afrika und der Welt

Beninese artist Georges Adeagbo poses next one of his artworks during an interview with Spanish press agency EFE at the Museo de Arte Contemporaneo de Castilla y Leon (MUSAC) in Leon, Spain, 27 January 2011. The MUSAC presents an Adeagbo exhibition, entitled The Mission and the Missionaries, that will be inaugurated on 29 January.
Georges Adéagbo vor einem Teil seiner Werke © picture alliance / dpa / J. Casares
Von Rudolf Schmitz |
Wenn es um Kunst aus Afrika geht, wird ein Künstler zumindest erwähnt: Georges Adéagbo. Der 72-jährige Künstler aus Benin ist seit seiner Installation auf der Kasseler documenta 2002 auch einem deutschen Publikum bekannt. Ab dem 28. Juni ist er im Stockholmer Moderna Museet zu sehen, bis in den Juli in der Berliner Galerie und Buchhandlung Wien Lukatsch.
Der Künstler, sagt Georges Adéagbo, spreche immer von seinem Leben. Und damit gebe er den Anderen ein Beispiel. Georges Adéagbo ist jemand, nach dem die Leute sich umdrehen. Er ist hoch gewachsen, seine Gesichtszüge sind ebenmäßig und sanft, die vielen übereinander gesteckten Ringe an den Händen und seine silbernen Armbänder passen nicht so recht zu seiner europäischen Kleidung. Er wirkt ein bisschen erstaunt angesichts der vielen Vernissagengäste, die Anfang Mai seine Ausstellung in der Berliner Galerie und Buchhandlung Wien/Lukatsch bestürmen.

Georges Adéagbo: "C'est l'art qui fait l'artiste, c'est ne pas l'artiste qui fait l'art".
Die Kunst mache den Künstler, sagt Georges Adéagbo, und nicht umgekehrt. Der 1942 in Cotonou, Benin, geborene Autodidakt hat sämtliche Räume der Buchhandlung und Galerie in einen afrikanisch-europäischen Flohmarkt verwandelt. So jedenfalls wirkt es, auf den ersten Blick. Auf dem Boden sind Teppiche ausgebreitet, darauf Bücher, Zeitschriften, Fotografien, überragt von afrikanischen Skulpturen. Über die Wände zieht sich ein Patchwork aus Fundstücken wie Fahrradschlössern, verloren gegangenen Schuhen, Kinderpullovern. Dazwischen immer wieder Zeitschriften, Schallplatten, gemalte Bildern und handgeschriebene Zettel. "Die Kunst ist ein Spiegel", steht da zum Beispiel, "und wenn man hineinschaut, kann man erkennen, wer man ist".
Seine Familie hält ihn für verrückt
Als Georges Adéagbo nach einem abgebrochenen Jurastudium in Frankreich Ende der 60er Jahre nach Benin zurückkehrte, machte er jeden Tag im Hof des Hauses seiner Familie solche Installationen aus Fundstücken, Zeitschriften und selbstgeschriebenen Kommentaren. Die Brüder und Halbbrüder der drei Frauen seines verstorbenen Vaters hielten ihn für verrückt und sperrten ihn achtmal in die Psychiatrie. 1993 geschah das Wunder. Zufällig wurde Georges Adéagbo von einem französischen Kurator entdeckt und zu seiner ersten Ausstellung nach Besancon eingeladen. Dann ging es Schlag auf Schlag: 1999 Preis der Biennale von Venedig für seine Installation am Eingang des Arsenals, 2002 documenta in Kassel, 2009 abermals Biennale von Venedig.
Doch wie arbeitet Georges Adéagbo, wie findet er seine Materialien? Im Unterschied zu vielen afrikanischen Künstlern des internationalen Ausstellungsbetriebs ist er jemand, der tatsächlich in seiner Heimat Benin lebt und dort seine Ausstellungen vorbereitet.
Georges Adéagbo: "Chaque jour je dois me promener et quand je vois des elements dans la nature oder des elements qui sont jetes je les prends parceque ils parlent a moi et je les prends pour raconter une histoire pour les autres".
Er gehe jeden Tag am Strand spazieren, erzählt Georges Adéagbo, dort finde er Sachen, die weggeworfen oder angespült worden seien, Dinge, die zu ihm sprächen und die er mitnehmen müsse, um damit seine Geschichten zu erzählen. Und dann reist er mit seinen gefüllten Koffern zum jeweiligen Ausstellungsort, lebt dort eine Zeitlang, liest Zeitungen, besucht Flohmärkte.
Relikte aus der DDR
Für die Berliner Ausstellung hat er unter anderem Relikte der DDR aufgetrieben, Schallplatten von Therese Giehse oder Bertolt Brecht, seltsam altertümliche Fotos aus Familienalben oder populäre ethnologische Bücher wie "Quo vadis, Afrika". Die Galeristin Barbara Wien hat festgestellt, dass Fotos vom Aufbau der Ausstellung dann auch gleich wieder in der Installation auftauchten: Bei Georges Adéagbo wird alles zur Kunst.
Barbara Wien: "Das ist was sehr Intuitives, Spontanes, wie Georges auf sein Leben reagiert, auf das, was er schön findet, was ihn inspiriert, was ihn zum Nachdenken anregt, das nimmt er alles auf, das lebt natürlich die ganze Zeit".
Georges Adéagbo, kein Zweifel, ist ein Reisender zwischen den Welten. Ob er es nun weiß oder nicht: Er kehrt die Perspektive der weißen Ethnologie um und betrachtet unsere Kultur mit demselben erstaunten, oft befremdeten Blick. Von einem Schildermaler aus Benin hat er das berühmte Foto abmalen lassen, das einen ostdeutschen Maurer zeigt, der grade die Berliner Mauer noch ein bisschen aufstockt.
Doch wie interpretiert er dieses Bild? Zweifellos auf magische Weise. Der 72jährige Afrikaner setzt eine verschwörerische und listige Miene auf. Was wohl hinter der Mauer gewesen sei? Mit Sicherheit hätten dort irgendwelche Geister gelebt...
Georges Adéagbo: "Qu'est ce que derriere la mur de Berlin? C'est un endroit. Mais les gens ne savaient pas qu'il y a un esprit qui vit la".
Die meisten Ausstellungsbesucher jedenfalls sind fasziniert von dem obsessiven Sammler aus Benin. Sie schauen und lesen, sie wirken wie Traumwandler und suchen nach geheimen Analogien in diesem überfüllten Kosmos der geretteten Bilder, Dinge und Bedeutungen.
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