Institute of Sacred Music in Yale

Erforschen, wie Musik die Seele berührt

06:31 Minuten
Der Marble Community Gospel Chor bei einem Auftritt.
Musik bringt Menschen im Glauben zusammen: der Marble's Community Gospel Choir aus New York in Aktion. © Getty Images / Verizon Wireless / Thos Robinson
Von Klaus Martin Höfer |
Audio herunterladen
Am "Institute of Sacred Music" der Universität Yale im US-Bundesstaat Connecticut studieren künftige Theologen und Kirchenmusiker. Gemeinsam denkt man hier über das Verhältnis von Musik und Religion nach - über alle Grenzen und Stile hinweg.
Die alte Orgel ist eines der Schmuckstücke im Institute of Sacred Music, dem Institut für geistliche Musik an der Universität Yale im US-Bundesstaat Connecticut. "Wir stellen ihre Tastatur neu ein, damit der Anschlag wieder stimmt", sagt Melanie Ross. "Das sollte jetzt passen. Manchmal muss man das machen, je nachdem, wie sich das Wetter ändert", erklärt die Professorin für Liturgie.
Es sei nicht die einzige Orgel, die Studierenden und Lehrkräften zum Üben und für Aufführungen zur Verfügung stehe. Zum Beispiel sei da noch die Orgel in der Marquand-Kapelle. "Wir sind hier in einem großen Raum mit einer kuppelförmigen Decke, und vielleicht übt dort oben jemand an der Orgel."

Zusammenspiel von Theologie und Musik

Wer am Institute of Sacred Music, kurz ISM, studiert, ist entweder als Musikstudent oder als Theologiestudent an der Universität Yale eingeschrieben. Professor Markus Rathey kam vor 16 Jahren von der Universität Mainz nach Yale.
"Das Besondere am ISM ist, dass wir hier ein Institut haben, das sich dem interdisziplinären Dialog zwischen Theologie, Religionswissenschaft, Musikgeschichte, musikalischer Praxis verschrieben hat, und dass all das im Rahmen einer der führenden Forschungs-Universitäten in den USA passiert."
Professor Markus Rathey, im Büro, mit grauem Sakko, weißem Hemd und Krawatte, schaut freundlich lächelnd in die Kamera.
Musik, Literatur und Kunst zusammenbringen - das möchte Professor Markus Rathey,© Deutschlandradio / Klaus Martin Höfer
Ein Schwerpunkt ist die Ausbildung von Kirchenmusikern. Ihren Arbeitsplatz finden sie später meist in einer der vielen protestantischen oder katholischen Kirchengemeinden. Da es in den USA keine Kirchensteuer gibt, sondern sich die Gemeinden aus Spenden finanzieren, gibt es große Unterschiede in der finanziellen Ausstattung. Viele Gemeinden seien sehr arm und könnten sich professionelle Musiker nicht leisten, so Rathey.
"Und dann gibt es aber sehr große, reiche Gemeinden, bei denen es dann sehr gut bezahlte Kirchenmusiker gibt. Wo es auch eine ganze Reihe von bezahlten Chören gibt, wo Gemeinden dann entweder den gesamten Chor bezahlen für den sonntäglichen Einsatz oder wo sogenannte 'section leaders', also jeweils ein oder zwei Sänger in jeder Stimme, bezahlt werden. Das ist eine Sache, die ich aus Deutschland so nicht kannte."

Spirituelle Klänge vieler Religionen

Die praktische Ausbildung von Kirchenmusikern ist ein wesentliches Merkmal des Institutes, das 1973 zunächst zu diesem Zweck gegründet wurde – mit dem Geld der Irwin-Sweeny-Miller Foundation, einer privaten Familienstiftung. Mittlerweile besteht das Institut aus 100 Mitarbeitern, Professoren und Studierenden. Thematisiert wird weit mehr als traditionell westliche Kirchenmusik, wie Markus Rathey erläutert.
"Im akademischen Bereich, also sowohl in den Kursen zu Musik und Theologie, Musik und Religion, aber auch im Bereich Religion und bildende Kunst, Religion und Literatur, da haben wir ein deutlich weiteres Verständnis von dem, was 'geistlich' anbetrifft, gerade in den letzten Jahren. Ich würde sagen, die letzten zehn Jahre haben wir vermehrt auch jüdische Forscher hier, die als Gäste forschen und lehren. Wir haben in den letzten Jahren ein verbreitetes Interesse an Musik und Religion im Islam, im Buddhismus, Hinduismus. Wir verstehen 'sacred music' in einem sehr, sehr weiten Spektrum."
Blick auf den Campus des Instituts für geistliche Musik der Universität Yale, im Hintergrund die Kapelle mit goldener Kuppel und einem Kreuz auf dem Turm.
Offen für viele verschiedene Klänge: der Campus des Instituts mit Blick auf die Marquand-Kapelle© Deutschlandradio / Klaus Martin Höfer
Eigentlich müsste es nicht "Institut für geistliche Musik", sondern "Institut für geistliche Kunst" heißen, meint eine Studentin. Denn es geht nicht nur um Musik, auch andere Kunstformen und ihr Bezug zu religiösen Traditionen sind Thema. Und dies nicht nur in akademischen Lehrveranstaltungen - sie werden auch bei praktischen Übungen und bei Auftritten mit einbezogen.

Forschung zu Entstehung und Wandel von Genres

Christian zum Beispiel schreibt Gedichte. Am Institut hat er einen Jazzmusiker kennengelernt, mit dem er nun gemeinsam auftritt.
"Meine Partnerin Adrianne ist eine Sängerin an der Musikschule, und wir arbeiten an einem Projekt über jüdischen A capella-Gesang im amerikanischen Kontext", erzählt seine Kommilitonin Hannah. "Wie dieses Genre entstand, wie es sich in die Geschichte jüdischer Musik einfügt, welche Kontinuitäten es dabei gab. Dies sagt auch etwas aus über zeitgenössische jüdische Identität in Amerika und warum diese Musik bei so vielen so gut ankommt."
Professor Martin Jean, im Büro, mit kariertem Sakko in offenem weißem Hemd, lächelt freundlich in die Kamera.
Verstehen, wie Musik verschiedene Kulturen prägt: Professor Martin Jean, der Leiter des Instituts.© Deutschlandradio / Klaus Martin Höfer
Martin Jean ist Professor für Orgel und Leiter des Instituts. Er sieht die Zukunft der Einrichtung in einer noch breiteren Aufstellung. So sei gerade eine Professur für Musikethnologie ausgeschrieben worden.
"Die Erforschung von Musik im kulturellen Zusammenhang ist weltweit ein wachsendes Feld. Es gibt eine Menge Musik in der Welt, die in einem religiösen Kontext entstanden ist. Und es gibt zahlreiche andere Fachrichtungen, die uns interessieren: islamische Kunstgeschichte, Studien zu Ureinwohnern, Religionsanthropologie. Solche Fachrichtungen werden zunehmend in den akademischen Kanon der Yale Universität einbezogen."

Kooperation mit Schulen in der Nachbarschaft

Bereits jetzt, davon ist Dekan Martin Jean überzeugt, sei das Institute of Sacred Music mit der Kombination seiner Fachgebiete und seinem Angebot einzigartig. Was er noch zusätzlich plant: In den Schulen der Umgebung sei der Kunst- und Musikunterricht in den vergangenen Jahren oft ersatzlos gestrichen worden. Professoren und Studierende könnten an Nachmittagen einspringen und dafür an diesen Tagen leerstehende Kirchen nutzen – zum Beispiel, um Orgelmusik zu vermitteln.
Mehr zum Thema