Inszenierte Authentizität

Von Susanne Burg |
Ein Ost-Berliner Skater, den es nie gab, vermeintlich authentische Super8-Aufnahmen, die nachgedreht wurden: Der Dokumentarfilm "This Ain't California" über die Skaterszene der DDR arbeitet stark mit fiktionalen Mitteln, ohne sie zu kennzeichnen. Echte Doku-Fans fühlen sich verschaukelt.
"This Ain’t California" war so etwas wie der heiße Tipp auf der diesjährigen Berlinale. Immer wieder hauten mich Leute an und sagten: Den musst du unbedingt gucken. Ein ganz toller Dokumentarfilm, berührend. Ich ging also ins Kino. Und war berührt.

Filmausschnitt
"Dieser Film ist Panik gewidmet."

Panik – oder auch Dennis Paracek – war so etwas wie die Galionsfigur der Skaterszene Ost-Berlins, ein Draufgänger. Gemeinsam mit seinen Freunden erobert Dennis in den 80er Jahren die Stadt. Sie skaten auf dem Alexanderplatz auf und ab, neugierig beäugt von Passanten und der Staatssicherheit.

Filmausschnitt
"Dennis war ein Leader, ein Spinner. Die Bilder sind mit der Kamera von Dirks Vater gedreht worden. Das ist jetzt 30 Jahre her. Kommt mir vor wie ein anderes Zeitalter."

Super-8-Aufnahmen erzählen von der Zeit, von jugendlichem Spaß und Rebellion in einem altersschwachen Regelstaat. Zu sehen sind neonfarbene, selber zusammengebastelte Bretter, coole Skater und im Hintergrund graue Passanten und Trabis.

Filmausschnitt
""Und jetzt ist er tot, würde mir wünschen, es gäbe einen besseren Grund, sich an die Zeit zu erinnern"."

Dennis Paracek, so erfahren wir, ist später zur Bundeswehr gegangen und 2011 in Afghanistan gestorben. Deswegen kommen die Skater von damals noch einmal zusammen und gedenken seiner. Mit einer Widmung endet der Film "Für Panik 1970-2011".

Einiges im Film wirkt inszeniert, nachgestellt, aber als ich den vermeintlichen Dennis aus dem 80er-Jahre-Archivmaterial in einem anderen Film sehe, bin ich doch einigermaßen überrascht. Dennis ist also eigentlich Schauspieler und heißt Kai Hillebrand. Das bedeutet auch, dass das Super-8-Filmmaterial nicht echt, sondern nachgedreht ist. Und diesen Dennis, der in Afghanistan gestorben ist, gibt es womöglich gar nicht.

Ich bin verwirrt. Was also ist authentisch, was erfunden? "This Ain’t California" gibt keinen einzigen Hinweis – anders als andere Dokumentationen, die durchaus offen legen, wo etwas inszeniert ist.
Auch ein Anruf bei den Produzenten hilft nicht wirklich weiter. Michael Schöbel lässt sich auf keine Diskussion ein. Man spreche nur von dokumentarischer Erzählung. Der Rest sei ihr Geheimnis. Ich würde ihm ja auch nicht Mutters Hausrezept verraten.

Ein letzter Blick auf die Webseite von "This Ain’t California". Dort steht:

"Die Geschichte ist authentisch bis in das Produzenten- und Kreativ-Team des Films, das sich aus Ost- und Westdeutschen Skatern und Filmern zusammensetzt."

Mag sein, dass ich zur alten Dokumentarfilmschule gehöre, aber ich fühle mich verschaukelt.