Wie Bubenreuth zur Hochburg des Geigen- und Gitarrenbaus wurde
28:52 Minuten
Der kleine Ort Bubenreuth nördlich von Nürnberg ist ein Instrumentenbauer-Nest mit besonderer Geschichte: Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden hier viele Geigen- und Gitarrenbauer aus dem Sudetenland eine neue Heimat.
Angefangen hat alles 1949. Ab diesem Jahr bekam das 600-Seelen-Dorf Bubenreuth mehrere tausend neue Mitbürgerinnen und Mitbürger. Es waren Geigen- und Gitarrenbauer und ihre Familien. Sie wurden nach dem Zweiten Weltkrieg aus Schönbach vertrieben. Der Ort liegt im Sudetenland, der tschechisch-deutschen Grenzregion.
Schon im 19. Jahrhundert war Schönbach, das auf Tschechisch Luby heißt, bekannt für qualitativ gute Streich- und Zupfinstrumente. Dieser große Erfolg kam dadurch zustande, dass nicht nur Instrumentenbauer, sondern auch Zubehör-Hersteller und Holzhandlungen im Ort ansässig waren. Man kannte die Vorlieben des jeweils anderen gut und arbeitete Hand in Hand.
Mit der Vertreibung wurden diese gewachsenen Strukturen zerschlagen. Und wo genau sie wieder aufgebaut werden konnten, war anfangs noch nicht klar. Immerhin wussten die Schönbacher Instrumentenbauer schon, dass ihre Reise in den Teil Bayerns gehen würde, der direkt an Tschechien grenzt.
Gut aufgenommen fühlten sich die Sudetendeutschen bei ihrer Ankunft in Bayern selten. Erzwungene Wohnraum-Zuweisungen führten vielerorts sogar zu massiven Protesten der einheimischen bayerischen Bevölkerung. Die Ansiedlung der Schönbacher ist hierfür zunächst ein trauriges Beispiel. Eine Vertriebenen-Siedlung für die Schönbacher war zunächst in Erlangen geplant.
Nachdem die Landesregierung in München diese Pläne allerdings abgewiesen hatte, wurden viele Schönbacher in die Eisenbahn mit dem Ziel Mittenwald gesetzt. Schließlich gab es hier schon Geigenbauer, doch diese wollten die Neuankömmlinge nicht aufnehmen.
Eine Siedlung für Geigenbauer
Dass am Ende Bubenreuth die Instrumentenbauer-Siedlung bekam, ist dem damaligen Landrat Willi Hönekopp zu verdanken. Er stieß auf das Verständnis des jungen Bürgermeisters Hans Paulus. Dank Fertigbauweise konnte die Siedlung schnell und kostengünstig realisiert werden.
"Ich denke, ohne Beispiel in der deutschen Geschichte steht dieser einstimmige Beschluss des Rates eines 500-Seelen-Dorfes, heimatlosen Menschen Platz in ihrem Gemeinwesen einzuräumen. Und zwar fremden Menschen, die in Kürze dann ein Vierfaches der eigenen Bevölkerung ausmachen sollten. Nur 17 Tage später erfolgte am 20. Oktober 1949 die feierliche Grundsteinlegung für die Geigenbauersiedlung."
Unter den ersten Bewohnern war auch der Geigen- und Gitarrenbauer Karl Höfner. Sein Betrieb in Schönbach hatte bereits über 300 Mitarbeiter gehabt. Aber die größte Erfolgsgeschichte begann erst in Bubenreuth. Als ab den 1950er Jahren Rockabilly- und Beatmusik entstanden, widmete sich Höfner intensiv den E-Gitarren und E-Bässen.
Mit dem Beatle-Bass zum Erfolg
Paul McCartney sollte der Firma später zu weltweitem Ruhm verhelfen. Denn er spielte schon zu Beatles-Zeiten einen Bass mit gambenähnlichem Korpus. Der Beatle-Bass ist bis heute beliebt bei Musikern und Sammlern. Jährlich verlassen mehrere hundert Exemplare die Firma, die mittlerweile ihren Stammsitz in Bubenreuths Nachbarort Baiersdorf hat.
In den 1950er Jahren hatte Bubenreuth bereits einen guten Ruf als Stadt der Saiteninstrumente. 1951 wurde sogar eigens eine Fachschule für Instrumentenbau eingerichtet. Große Unternehmen wie Höfner exportierten damals schon viele ihrer Instrumente ins Ausland.
Handel über Kontinente hinweg
Gerade die Kontakte nach Großbritannien waren für die Unternehmen wichtig. Gitarren aus Bubenreuth gelangten in den 1950er Jahren auch in die USA. Denn Elvis Presley bediente sich, als er als Soldat in Deutschland stationiert war, an Gitarren der Firma Klira.
Neben Klira, Hoyer, Roth und Höfner war die "Fränkische Musikinstrumentenerzeugung", kurz "Framus" ein weiterer großer Instrumentenhersteller in Bubenreuth. Gegründet wurde das Unternehmen von dem ebenfalls aus Schönbach stammenden Fred Wilfer. Die Werkshallen standen mitten im Ort – bis Anfang der 1980er Jahre der Betrieb eingestellt wurde. Übrig geblieben ist von Framus nur das Bürogebäude.
Dem Bürgermeister der Gemeinde, Norbert Stumpf, ist es währenddessen wichtig, die Bevölkerungsgeschichte Bubenreuths lebendig zu halten. 2016 war er Mitbegründer der Städtepartnerschaft mit Schönbach in Tschechien. In beiden Städten steht an zentraler Stelle jeweils ein Geigenbauerdenkmal. Sie erinnern an die Instrumentenbau-Geschichte in Bubenreuth und Schönbach.
"Im letzten Jahr hatten wir den Frauenchor aus Schönbach bei uns zu Gast. Dieses Jahr ist die Geigenbauerkapelle zum Grenzfest nach Schönbach gefahren. Jetzt im November fährt die Geigenbauerkapelle ins Vogtland nach Markneukirchen, das ist ja direkt an der Grenze zu Schönbach. Da sind ständig Austausche."