Wie gut sind die Deutschkurse?
07:32 Minuten
Die Sprache ist ein Schlüssel für die Integration. Aber nicht alle haben denselben Bildungshintergrund, ein Teil der Geflüchteten ist überfordert von den Kursen. Was kann getan werden, um das Angebot zu verbessern?
Zwei Frauen in bunten Gewändern und mit Kopftuch sitzen nebeneinander in einem schlichten Unterrichtsraum am Hauptbahnhof Darmstadt. Hier nehmen Geflüchtete im Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft an Sprach- und Integrationskursen teil: "Ich bin Sara. Sara Mahamud. Ich komme aus Somalia und bleibe in Deutschland. Bin nun zwei Jahre und sieben Monate hier".
Dass Sara Mahamud auch nach zwei Jahren und sieben Monaten in Deutschland noch ein sehr gebrochenes Deutsch spricht, liegt auch daran, dass sie lange auf den Kurs warten musste. Ebenso wie die 30 Jahre alte Khadro Hassan, die neben ihr sitzt.
Jetzt jedoch verbringen beide Frauen ihre Vormittage mit Freude im Sprachunterricht: "Ich bin Khadro, ich komme aus Somalia, ich lebe in Deutschland."
Beide Somalierinnen sind hörbar noch Anfängerinnen im Umgang mit der deutschen Sprache. Doch Joachim Schmitt schreckt das nicht. Er ist ein sehr erfahrener pädagogischer Mitarbeiter des Bildungswerks der Hessischen Wirtschaft.
Sehr unterschiedlicher Bildungshintergrund
Mit Geduld und genügend Unterrichtsstunden sind im Sprachkurs meist gute Erfolge zu erzielen, so Joachim Schmitt: "Die Sara hat vier Jahre Schule und die Khadro hat null Jahre Schule. Die beiden sind aus Somalia und wir haben verschiedene Länder. Wir haben Leute aus Eritrea, wir haben Leute aus Afghanistan. Das heißt, wir haben eine sehr heterogene Gruppe. Und diese heterogenen Gruppen haben ja alle einen anderen Bildungshintergrund, das sind ja alles andere Lerner-Typen. Wenn sie das eben gesehen haben: Die Sara spricht schon besser. Die Khadro schreibt aber besser."
Gerade in einem Alphabetisierungskurs – auch Alpha-Kurs abgekürzt - sei es wichtig, die Unterrichtsgruppen klein zu halten, um die Geflüchteten auf ein akzeptables Sprachniveau zu bringen, unterstreicht Joachim Schmitt:
"Wenn sie sehen – 1200 Stunden – die Teilnehmer sind bei uns über ein Jahr. Das ist ein sehr, sehr langer Zeitraum. Aber wir haben 300 Stunden, um zu alphabetisieren. Und 300 Stunden für Alphabetisierung sind meiner Meinung nach manchmal nicht ausreichend. Weil Leute, die nie in der Schule waren, erstmal üben müssen: Wie mache ich die Stifthaltung, ja."
Ehrenamtliche Betreuer machen Fehler
Dazu kommt, dass viele Flüchtlinge zuvor durch Ehrenamtliche betreut worden sind, die bei der Sprachvermittlung auch Fehler gemacht haben, beobachtet der Pädagoge Joachim Schmitt.
"Und die Ehrenamtler, die dann mit den Teilnehmern gelernt haben, die haben immer buchstabiert", sagt er. "Und jetzt kommen die Leute zu uns in den Alpha-Kurs und hier müssen wir erstmal lautieren. Wir haben zwar 26 Buchstaben, aber wir haben weitaus mehr Laute. Jetzt sitzen die Teilnehmer da und sagen: 'A,B,C'. Dann sage ich: 'Nein. Ihr müsst sagen Ahh, Böö ... ' Und das war unsere Herausforderung. Das, was die bei Ehrenamtlern gelernt hatten, mussten wir wieder zurückschrauben, weil wir lautieren müssen."
Aheed Koto ist 24 Jahre alt. Der syrische Flüchtling ist nach vier Jahren in Deutschland inzwischen in einer anderen Phase der Integration angelangt, als die Somalierinnen Sara Mahamud und Khadro Hassan, die ihm gegenübersitzen.
In der Abendschule zum Schulabschluss
Er hat seinen Hauptschulabschluss nachgemacht: "Da habe ich ein Jahr in einer Abendschule der Volkshochschule in Darmstadt den Hauptschulabschluss nachgeholt. Mit dem konnte ich dann einen Ausbildungsplatz bekommen."
Seit einem halben Jahr absolviert Aheed Kato nun eine Ausbildung zum Fliesenleger. Von 10.000 Menschen, die 2019 in Hessen einen Ausbildungsvertrag im Handwerk abgeschlossen hatten, sind immerhin rund 1000 Geflüchtete. Das sagt Bernhard Mundschenk, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Handwerkskammern.
"Und natürlich ist Sprache der Schlüssel, das wissen wir alle", erklärt er. " Die Prüfungssprache ist letztendlich auch Deutsch, das müssen wir sagen und daran wird sich auch nichts ändern. Aber wir haben so viele positive Erfahrungen zumindest von betrieblicher Seite, die uns eigentlich schon optimistisch stimmen."
"Die Kurse könnten besser werden"
Doch es gibt auch Kritik an den maßgeblich vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge konzipierten Sprach- und Integrationskursen. Viele Geflüchtete seien überfordert, schlössen die Kurse nicht ab, die Sprachkenntnisse ließen zu wünschen übrig, kritisierte im vergangenen Jahr das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache – kurz IDS – in Mannheim.
Nach einer Befragung von rund 600 Geflüchteten gemeinsam mit dem Goethe-Institut schlugen die Sprachforscher vor, die Konzeption und Zusammensetzung der Kurse zu überdenken.
Die Lern-Gruppen seien zu heterogen, so Professor Henning Lobin, der Direktor des IDS: "Unsere Aussage ist ja nicht die, diese Kurse sind schlecht. Es war ja das Goethe-Institut beteiligt und die machen ja selbst solche Kurse. Unsere Aussage ist die, dass diese Kurse besser werden könnten, wenn man stärker auf die Eigenschaften der Teilnehmer schauen würde, wenn man also ein bisschen mehr differenzieren würde. Denn es gibt zwei wesentliche Parameter, nach denen sich die Gruppen klar unterscheiden lassen, im Hinblick auf ihre Entwicklungspotentiale: Das eine ist das Alter und das andere ist der Bildungshintergrund."
Weiterbildung für die Lehrkräfte
Benjamin Beckmann nimmt diese Kritik durchaus ernst. Er leitet die Gruppe Integrationskurse im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – kurz BAMF.
"Wir schauen, dass wir die Lehrkräfte, so gut es geht qualifizieren, auch zusätzlich qualifizieren", sagt er. "Auch das ist ein Punkt, den die Studie noch mal zu Recht erwähnt".
Deshalb habe das Bundesamt die Autoren der Studie eingeladen, um mit ihnen über die Konzeption der Kurse zu diskutieren sagt Benjamin Beckmann vom BAMF.
Man müsse jetzt aber nicht alles komplett umkrempeln, sagt Joachim Schmitt vom Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft. Er hält aufgrund seiner Praxiserfahrung die BAMF-Kurse schon heute für sinnvoll gestaltet:
"In den allgemeinen Kursen ist doch das Ergebnis immer erfolgreich. Da gibt es doch wirklich gute Beispiele. Ich hatte noch ein Beispiel, der konnte heute nicht kommen, der war bei uns im Alpha-Kurs, hat dann noch mal selbst gelernt, weil sein Stundenkontingent war erfüllt: Der konnte nicht mehr machen. Er hat als Selbstlerner die Prüfung gemacht, hat dann eine Ausbildung gemacht, ist heute Busfahrer und fährt heute die Buslinie Groß-Zimmern 671."
Zusätzliche Lernangebote helfen
Das Beispiel zeigt aber auch: Die Kurse allein reichen oft noch nicht aus. Man muss auch in der Freizeit lernen. Der syrische Flüchtling Aheed Koto ist jetzt im ersten Lehrjahr in der Ausbildung zum Fliesenleger. Sein Ziel ist die Gesellenprüfung, die will er unbedingt schaffen.
Deshalb lernt er weiter Deutsch, auch nach der Arbeit: "Also neben der Arbeit kann man auch zu Hause Übungen machen. Da gibt es viele Möglichkeiten auf Internetseiten, wo man kostenlos Hilfe bekommen kann. Wie auf YouTube-Seiten und auch in der Stadt kann man auch nachfragen, wo man kostenlose Kurse bekommen kann."
Reporter: "Berufsbegleitend?"
Koto: "Berufsbegleitend, ja. Wie hier beim Bildungswerk. Da bekomme ich dort jetzt Nachhilfe."
Reporter: "Berufsbegleitend?"
Koto: "Berufsbegleitend, ja. Wie hier beim Bildungswerk. Da bekomme ich dort jetzt Nachhilfe."
Joachim Schmitt vom Bildungswerk der hessischen Wirtschaft nickt: "Deshalb sollte man ein bisschen mehr Optimismus zeigen und nicht sagen: Die Kurse bringen nichts. Wenn man denen Zeit gibt, dann wird das erfolgreich!"
*Wir haben die Überschrift und den Teaser verändert, um den Tenor dieses Beitrags treffender wiederzugeben.