"Eingewanderte werden zum Problem gemacht"
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Der 13. Integrationsgipfel hat einen Nationalen Aktionsplan für Integration verabschiedet. In den Augen der Kulturanthropologin Sabine Hess ist schon der Ansatz falsch. Statt um Integration müsse es eigentlich um Partizipation gehen.
Wie lassen sich Menschen, die neu nach Deutschland kommen, gut integrieren? Diese Frage war erneut Thema beim mittlerweile 13. Integrationsgipfel, bei dem auch ein "Nationaler Aktionsplan" verabschiedet wurde. Dieser umfasst mehr als hundert Maßnahmen.
Sie verfolge die Integrationsgipfel inzwischen ohne Begeisterung, erklärt die Kulturanthropologin Sabine Hess, Direktorin des Zentrums für globale Migrationsstudien an der Universität Göttingen, ernüchtert. Dass es dort immer noch um "Integration" statt um "Partizipation" oder "Gleichstellung" gehe, zeuge von einem "antiquierten Verständnis", was gesellschaftliche Prozesse angehe.
Migration als "Problem"
"Bei dem Integrationsgipfel werden immer wieder Migration an sich und Eingewanderte in der x-ten Generation zum Problem gemacht, ihnen wird sozusagen die Integrationsaufforderung serviert", kritisiert Hess.
Es handele sich aber um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der es um den Abbau von Hürden gehe, betont die Kulturanthropologin: Deutschland sei mittlerweile sogar Schlusslicht im weltweiten Vergleich, den gesellschaftlichen Gruppen mit Einwanderungsgeschichte Rechtssicherheit zu geben und ihnen politische Partizipation zu ermöglichen.
Hürden im Gesundheitssystem
Auch in anderen Bereichen weist Hess auf Hürden für Menschen mit Einwanderungsgeschichte hin. Die Covid-19-Pandemie habe beispielsweise "erschreckend" gezeigt, welche Defizite es im Gesundheitssektor gebe: So sei es nicht immer gewährleistet, dass Informationen in verschiedenen Sprachen zur Verfügung stünden. Und in der medizinischen Ausbildung werde nicht vermittelt, dass es einen kulturell unterschiedlichen Umgang mit Schmerz und Heilung gebe.
Es sei ein großes Problem, wenn bei solchen Gipfeln mit dem Finger auf die Migranten gezeigt werde, sagt Hess. Eigentlich müsse der Finger auf die gesellschaftlichen Strukturen zeigen.
(jfr)