"Integrationspolitik nicht ohne Mehrheitsgesellschaft"
Bilkay Öney, in der Türkei geboren und mit drei Jahren nach Berlin gezogen, ist Integrationsministerin in Baden-Württemberg. Die SPD-Politikerin wünscht sich mehr "Bauchgefühl" in der Debatte und verteidigt ihre umstrittenen Äußerungen über Migranten.
Deutschlandradio Kultur: Wir sind heute zu Gast in Stuttgart, und zwar bei Bilkay Öney, der Ministerin für Integration des Landes Baden-Württemberg. Guten Tag, Frau Öney.
Bilkay Öney: Guten Tag.
Deutschlandradio Kultur: Frau Öney, Sie sind in der Türkei geboren. Sie leben seit Ihrem dritten Lebensjahr in Berlin. Und nun sind Sie dort, wo man alles kann außer Hochdeutsch, nämlich im Schwabenland. Wie lebt es sich mit diesem mehrfachen Migrationshintergrund?
Bilkay Öney: Ach, eigentlich ganz gut, weil, ich kann ja Hochdeutsch.
Deutschlandradio Kultur: Und die Menschen hier auch?
Bilkay Öney: Na ja, aber ich bin natürlich sehr dialogbereit und sehr offen gekommen. Insofern war das für mich nicht schwer. Und Sie wissen ja, dass es in Berlin auch eine große schwäbische Migrantengruppe gibt. Insofern war mir diese Volksgruppe ja nicht ganz fremd oder fern.
Deutschlandradio Kultur: Ich glaube auch, Berlin ist die zweitgrößte Schwabenstadt in Deutschland, gleich nach Stuttgart. Baden-Württemberg ist aber nicht Berlin-Kreuzberg. Hier im Südwesten ist die Arbeitslosigkeit unter Migranten relativ gering, soweit wir wissen. Und die Entstehung von Parallelgesellschaften ist hier auch nicht so das Thema. Befassen Sie sich eigentlich mit Luxus-Problemen?
Bilkay Öney: Also, ich denke schon, dass es auch hier Probleme gibt. Die fallen einem nicht sofort auf, aber wenn man dann unterwegs ist im Ländle, dann gibt es schon auch hier Handlungsbedarf.
Aber es stimmt, die Arbeitsmarktsituation ist hier sehr viel entspannter als in Berlin, die Arbeitslosigkeit sehr viel geringer. Aber auch hier gibt es Probleme. Wenn Sie sich die Zahlen im Einzelnen ansehen, dann fällt eben auf, dass hier die Arbeitslosenquote unter Migranten genauso wie in anderen Ländern auch doppelt so hoch ist, dass die Schulabbrecherquote dreimal so hoch ist, dass die Erwerbstätigenquote unter Migranten sehr viel niedriger ist, insbesondere unter den Frauen mit Migrationshintergrund. Und da gibt es auch sehr viel Handlungsbedarf noch.
Deutschlandradio Kultur: Wissen Sie eigentlich, was Sie mit Dirk Niebel von FDP gemeinsam haben?
Bilkay Öney: Was soll das sein? Die Liebe zum offenen Wort?
Deutschlandradio Kultur: Die Liebe zum offenen Wort und auch, dass beide zu Beginn den Sinn des Ministeriums, dem sie jetzt nun vorstehen, nicht unbedingt eingesehen haben. Er war ja, bevor er Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit wurde, eigentlich dafür, dieses Ministerium abzuschaffen. Und Sie meinten ja auch, man hätte das vielleicht auch genauso gut im Staatsministerium als Querschnittsaufgabe ansiedeln können, das Integrationsministerium.
Bilkay Öney: Also haben wir nichts gemein. Es ging um die Frage, ob man das Thema Integration, das ja eine Querschnittsaufgabe ist, nicht hätte woanders ansiedeln können. Und ehrlich, wie ich bin, hab ich gesagt: Ja, man hätte es auch möglicherweise beim Staatsministerium ansiedeln können. Das war eine ehrliche Antwort auf eine Frage. Aber diese Frage hat sich mir ja nicht mehr gestellt, weil, ich hab das mit Nils Schmidt diskutiert, ich hab ihn gefragt, wie diese Entscheidung zustande gekommen ist. Und als er es mir erklärt hat, hab ich's eingesehen und hab gesagt, gut, der Vorteil ist natürlich, dass es dieses Ministerium in der Form nicht gegeben hat und ich hier völlige Planungs- und Entscheidungsfreiheit hatte. Das macht den Reiz aus.
Deutschlandradio Kultur: Nils Schmidt, muss man sagen, der SPD-Chef hier in Baden-Württemberg, der Sie nach Stuttgart geholt hat.
Bilkay Öney: Genau der.
Deutschlandradio Kultur: Was wollen Sie als Integrationsministerin erreichen? Welche Impulse wollen Sie setzen?
Bilkay Öney: Integration ist ein weites Feld. Wenn man drei Überschriften herausdefinieren muss, dann sind es auf jeden Fall rechtliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Verbesserungen für die Migranten, damit die eben auch sich als Teil des Landes begreifen und damit die mehr Verantwortung für die Zukunft dieses Landes übernehmen. Sie wissen, es leben ja Migranten in der dritten, ja sogar vierten Generation. Und ein Teil dieser Migranten identifiziert sich gar nicht mit Deutschland. Das müssen wir ändern.
Deutschlandradio Kultur: Es ist ja so, dass Sie hier im Land einiges tun können, aber viele Gesetze, die Migranten betreffen, sind Bundesgesetze. Was halten Sie denn von der Bundesgesetzgebung in Sachen Integration? Ist das für Sie eher ein Hemmschuh oder meinen Sie, das ist etwas, worauf Sie aufbauen können?
Bilkay Öney: Das ist eine große Herausforderung. Die Bundesgesetzgebung unterlag ja verschiedenen Einflüssen und die Parteien haben da natürlich immer eine große Rolle gespielt. Ich glaube, wir haben schon viel Gutes getan unter Rot-Grün, als wir im Jahr 2000 das Staatsangehörigkeitsrecht reformierten. Nachdem dieses Staatsangehörigkeitsrecht reformiert worden ist, ist es so gewesen, dass jedes Kind, das hier in Deutschland auf die Welt kommt, automatisch den deutschen Pass erwirbt, wenn mindestens ein Elternteil seit acht Jahren dauerhaft in Deutschland lebt. Ich glaube, das war schon mal ein wichtiger Punkt.
Der andere Punkt ist, dass wir im Jahr 2005 das Zuwanderungsgesetz eingeführt haben, das die so genannten Integrationskurse verpflichtend eingeführt hat. Insofern ist Rot-Grün eben nicht nur Multi-Kulti-Romantik, sondern das war die Geburtsstunde Null der deutschen Integrationspolitik. Vorher war es so, dass die Menschen, die nach Deutschland kamen, sich selbst und dem Schicksal überlassen waren und Integration mehr oder weniger auch dem Zufall überlassen war. Wenn die Leute sich integrieren wollten, haben sie es gemacht. Und wenn sie es nicht wollten, haben sie es nicht gemacht. Wir hatten keinen Zugriff auf sie.
Aber jetzt ist es so, dass alle, die zu uns kommen, verpflichtet werden, an so genannten Integrations- und Sprachkursen teilzunehmen. Und das war ein großer und wichtiger Schritt in der Integrationspolitik. Ich würde sogar sagen, es war die Geburtsstunde Null der deutschen Integrationspolitik.
Deutschlandradio Kultur: Seit, ich glaube, 2006 hat es eine Reihe von Integrationsgipfeln gegeben auf Bundesebene, zunächst in der Großen Koalition, jetzt wird es unter Schwarz-Gelb fortgesetzt. Es gibt auch die Deutsche Islamkonferenz. Sind das für Sie Foren, die die Diskussion nach vorne bringen oder sehen Sie das anders? Würden Sie da etwas anders machen, etwas verbessern wollen oder es gleich abschaffen?
Bilkay Öney: Nee, abschaffen würde ich es nicht. Solche Foren sollte man schon nutzen, um ins Gespräch zu kommen und um Probleme zu benennen und natürlich auch, um die Probleme anzugehen. Die Frage ist, wie zielgerichtet sind diese Foren. Da habe ich keinen Einblick, weil ich weder Teil der Integrationskonferenz, noch Teil der Deutschen Islamkonferenz war. Ich weiß aber nur, dass die Ergebnisse der Deutschen Islamkonferenz auch zu wünschen übrig ließen.
Deutschlandradio Kultur: Sicherheitskonferenz?
Bilkay Öney: Ja, auch schwierig gewesen, weil das zuständige Haus personellen Veränderungen unterworfen war. Diese Islamkonferenz begann unter Wolfgang Schäuble. Dann folgte Herr de Maiziere, der ganz andere Ziele verfolgte. Nun haben wir Herrn Friedrich, Bundesinnenminister Friedrich, der eben ganz andere Ziele verfolgt. Insofern gab es da schon unterschiedliche Ansätze.
Wir haben in Baden-Württemberg jetzt auch einen Runden Tisch Islam ins Leben gerufen und möchten eben mit diesem Gremium auch ganz gezielt uns Fragestellungen widmen, die uns immer wieder beschäftigen. Wir begreifen uns aber als Facharbeitsgremium und nicht als Dialogrunde, wo wir mal zusammenkommen, nett miteinander sprechen und wieder ergebnislos auseinandergehen. So soll es nicht sein.
Deutschlandradio Kultur: Es soll da also um konkrete Dinge gehen? Hab ich Sie richtig verstanden? Was wäre das zum Beispiel? Fragen wie das Schächten oder Fragen des Schulunterrichts, geht es darum?
Bilkay Öney: Genau, ganz konkrete Fragen. Sie wissen, dass sich der 11. September vor ein paar Tagen, Wochen zum 10. Mal gejährt hat. Und ich war auch auf verschiedenen Diskussionsveranstaltungen. Und es ging mir auch um die Frage: Was hat der 11. September mit uns gemacht, mit uns als Individuen, aber auch mit uns als Gesellschaft? Und der 11. September hat vieles verändert. Vielen ist das nicht bewusst, aber wir haben im Jahr 2002 das Antiterrorgesetz eingeführt, im Jahr 2005 folgte das Luftsicherheitsgesetz und im Jahr 2006 gab es in Baden-Württemberg diesen Gesprächsleitfaden zur Einbürgerung, der eben auch so genannte Islamisten enttarnen und dingfest machen sollte. Die sollten nicht eingebürgert werden.
Also, hat es rechtlich viel bewirkt. Es hat aber auch in den Köpfen der Menschen viel bewirkt. Und Sie wissen, dass wir viel zu tun haben mit Vorurteilen. Gerade Muslime sehen sich auch stärker Vorurteilen ausgesetzt seit Nine Eleven. Es gibt viel Konfliktpotenzial. Es ist ein sehr spannungsreiches Feld, in dem wir uns bewegen. Es ist auch sehr emotional. Da werden Dinge sehr emotional diskutiert. Dazu gehört das Schächten genauso wie der Schulunterricht, Sexualkundeunterricht oder der Sportunterricht, Schwimmunterricht, wo manchmal Mädchen nicht teilnehmen. Dazu gehören muslimische Begräbnisse. Dazu gehört das Kopftuch, eines der roten Tücher auch in dieser Debatte. Insofern haben wir da, glaub ich, sehr, sehr viele spannende Themen, die wir diskutieren müssen und wo wir zu einem Ergebnis kommen müssen.
Deutschlandradio Kultur: Und Ihre Rolle dabei – Moderatorin?
Bilkay Öney: Wir leiten diese Diskussionen und sind sehr zielgerichtet, möchten zu einem Ergebnis kommen, mit dem wir leben können und mit dem auch die Muslime hoffentlich leben können. Im Leben muss man immer Kompromisse eingehen. Und eine Seite hat immer etwas daran auszusetzen, aber das haben Sie ja immer. In der Integrationsdebatte ist das sowieso immer so, dass eine Seite nicht einverstanden ist mit dem, was vorliegt oder was am Ende dabei rauskommt. Das ist natürlich auch das, was diese Spannung ausmacht, was aber auch das Themenfeld Integration so spannend macht.
Deutschlandradio Kultur: Frau Öney, können Sie was anfangen mit dem Begriff "Leitkultur"?
Bilkay Öney: Was soll das sein?
Deutschlandradio Kultur: Die deutsche Leitkultur.
Bilkay Öney: Okay. Ja gut, wenn sich auch alle Deutsche einig wären, welche Leitkultur es denn sein soll. Sie wissen, dass wir in Baden-Württemberg auch diesen Konflikt haben zwischen den Badenern und den Schwaben. Also, insofern ist das ja immer eine Frage, welche Kultur soll denn Leitkultur werden? Ich glaube auch, dass die Bayern etwas dagegen hätten, wenn wir jetzt sagten, die schwäbische Leitkultur soll es sein.
Andere Länder, andere Sitten, andere Bundesländer, andere Sitten. Und es ist ja auch gut, dass wir Vielfalt haben. Das wäre ja ein bisschen langweilig, wenn alle gleich wären.
Deutschlandradio Kultur: Frau Öney, Sie haben dieser Tage gemeinsam mit Ihren Kollegen aus den Stadtstaaten, also Berlin, Hamburg, Bremen, eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, die es Menschen ermöglichen soll, ihre doppelte Staatsbürgerschaft auch als Erwachsene beizubehalten. Warum?
Bilkay Öney: Weil es da sehr viel Ungerechtigkeit gibt. Wir haben im Jahr 2000 dieses Staatsangehörigkeitsrecht reformiert. Allerdings gab es zeitgleich eben auch eine Unterschriftenkampagne vom damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch, der eben gegen diese doppelte Staatsbürgerschaft gekämpft hat. Wir nehmen Mehrstaatlichkeit mehrfach hin. Wir nehmen Mehrstaatlichkeit hin bei so genannten EU-Ausländern. Wir nehmen Mehrstaatlichkeit hin bei Kindern, die in binationalen Ehen aufwachsen, oder auch bei Leuten, wo die Ursprungsländer keine Ausbürgerungen vornehmen. Beim Iran ist das der Fall.
Und die anderen haben Pech gehabt und müssen damit leben, dass sie einen Pass abgeben. Staatsrechtlich ist das aus meiner Sicht sehr umstritten, weil wir damit Bürger auf Zeit schaffen. Also, ein Kind kommt auf die Welt. Nehmen wir an, ein libanesisches Kind kommt auf die Welt, erhält neben dem libanesischen Pass auch noch den deutschen Pass, hat 18 oder 23 Jahre lang zwei Pässe und muss sich dann irgendwann entscheiden. Nehmen wir mal an, das Kind entscheidet sich für den libanesischen Pass.
Das kann verschiedene Gründe haben, kann mit dem libanesischen Erbrecht zu tun haben. Wenn das Kind noch Großeltern hat und die Großeltern diesem Kind gerne ein Haus vererben wollen oder irgendwas, und sich das Kind aus solchen Gründen, ganz rationalen Überlegungen, gar nicht mal aus emotionalen, aber aus rationalen Gründen dafür entscheidet, libanesisch zu bleiben, nehmen wir ihm den deutschen Pass weg. Staatswürdig halte ich das für sehr denkwürdig.
Deutschlandradio Kultur: Wie ist das eigentlich bei Ihnen, Frau Öney? Sie sind, ich glaube, mit drei Jahren nach Deutschland gekommen mit Ihren Eltern, nach Berlin. Wie viele Pässe haben Sie?
Bilkay Öney: Ich habe nur einen Pass. Deswegen sage ich ja, ich finde es ungerecht, dass der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister – Klammer auf, CDU, Klammer zu – zwei Pässe haben darf und keiner Loyalitätsfrage unterworfen ist. Ich habe nur einen Pass, was auch nicht schlimm ist, aber ich verstehe nicht, warum bestimmte Gruppen sich immer wieder erklären müssen und andere nicht. Das verstehe ich nicht.
Deutschlandradio Kultur: Nun könnte ein Doppelpass ja vielleicht gerade bei Deutsch-Türken dann doch ein gewisses Loyalitätsproblem aufwerfen, wenn man bedenkt, dass zum Beispiel Herr Erdogan manchmal nach Deutschland kommt und dort regelrechte Wahlreden an seine hiesigen Landsleute hält. Gibt es da nicht eine Tendenz, dass von außen her Deutschland da sozusagen ein Schauplatz türkischer Innenpolitik wird, wenn es hier viele Menschen gibt, die tatsächlich auch in beiden Ländern wahlberechtigt sind?
Bilkay Öney: Na ja, das türkische Wahlrecht ist sehr kompliziert. Man muss da gemeldet sein. Und man muss sich zwei Wochen vor der Wahl noch mal registrieren lassen und da irgendwelche Wahlbögen abholen. Und da die meisten Migranten türkischer Herkunft dauerhaft und sesshaft hier in Deutschland leben und eigentlich gar nicht in der Türkei gemeldet sind, also, die allerallerwenigsten wirklich, haben die gar keine Möglichkeit, an diesen Wahlen teilzunehmen. Das ist also eine Scheindebatte. Das ist nicht so, wie man denkt.
Außerdem ist das ja, selbst wenn es so wäre, wäre es nicht schlimm. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Es gibt viele Deutsche, die in Amerika leben und arbeiten. Und warum sollen wir unseren deutschen Bürgern in Amerika verbieten, an deutschen Wahlen teilzunehmen? Das ist doch Quatsch.
Deutschlandradio Kultur: Frau Öney, ich glaube, seit 2004 gibt’s in Baden-Württemberg, Baden-Württemberg hat damals den Anfang gemacht, ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst. Das heißt, muslimische Lehrerinnen dürfen in der Schule kein Kopftuch tragen. Halten Sie dieses Verbot für richtig?
Bilkay Öney: Um es vorweg zu stellen, ich bin nicht diejenige Ministerin, die das entscheiden muss, weil, dafür ist die Kultusministerin zuständig...
Deutschlandradio Kultur: Aber eine Meinung haben Sie?
Bilkay Öney: Ja, ich habe eine Meinung. Die sage ich auch gleich. - ... und er Innenminister, weil er nämlich die Verwaltungsvorschrift mit der damit verbundenen Kleiderordnung usw. erstellt.
Was meine persönliche Meinung angeht, bin ich für die Neutralität des Staates. Und ich glaube auch, dass kleine Kinder und Schüler durch religiöse Symbole nicht beeinflusst werden sollten, weil die Lehrerinnen eben ja auch Vorbild sind für diese Kinder oder für die Mädchen. Insofern befürworte ich persönlich das Kopftuch an den Schulen nicht.
Deutschlandradio Kultur: Der grün-rote Koalitionsvertrag der Landesregierung spricht sich für ein Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Bürger aus. Es heißt, es war zu lesen, die Imigrationsministerin sieht das anders. Ist dem so? Und wenn ja, warum?
Bilkay Öney: Es ist nicht so, aber ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mir diese Frage stellen. Es gab leider einen ganz bösen Artikel, der nicht ganz richtig war. Ich habe gesagt, dass ich nicht meine Energie auf diesen Punkt verwende, weil wir für die Einführung des kommunalen Wahlrechts für Nicht-EU-Bürger eine Grundgesetzänderung bräuchten. Es gab diesen Fall. Es gab auch Klagen. Und das Bundesverfassungsgericht hat damals entschieden, dass mit "Wahlvolk" das deutsche Volk gemeint ist. Und wenn wir diesen Punkt ändern wollen im Grundgesetz, müssten wir das Grundgesetz ändern mit einer Zweidrittelmehrheit, die wir im Moment nicht haben.
Deshalb habe ich gesagt, es ist nicht etwas, was ich in nächster Zeit erreichen werde. Es ist eine traditionelle Forderung von Rot und Grün oder Grün und Rot. Deswegen steht’s auch in der Koalitionsvereinbarung. Aber ehrlicherweise sage ich, dass ich diese Sache nicht umsetzen kann zum jetzigen Zeitpunkt. Wenn wir irgendwann eine Zweidrittelmehrheit haben, und dafür kämpfe ich auch, dann können wir es gerne angehen. Aber es war nicht meine erste Priorität.
Meine erste Priorität ist zu sagen, dass die Menschen sich einbürgern lassen sollen, damit sie volle Rechte und Pflichten haben und damit sie auch das aktive und das passive Wahlrecht haben.
Deutschlandradio Kultur: Wir haben jetzt sehr viel über Gesetze gesprochen, aber Integration ist ja nicht nur eine Sache der Juristen, sondern auch eine Sache des Baugefühls. Und dieses Bauchgefühlt hat Ihr Parteifreund Thilo Sarrazin besonders nachhaltig in letzter Zeit bedient. Finden Sie es gut, dass er noch in der SPD ist?
Bilkay Öney: Thilo Sarrazin ist möglicherweise für viele Genossen ein Dorn im Auge. Aber er hat Dinge gesagt, für die er eine hohe Zustimmung in der Bevölkerung bekommen hat. Und eigentlich muss uns das Sorge bereiten, nicht das, was er gesagt hat, sondern dass er so viel Zustimmung bekommen hat. Das wirft auch ein schlechtes Licht auf uns Politiker, weil wir uns offenbar mit solchen Dingen gar nicht beschäftigt haben oder weil wir es ausgeblendet haben.
Deshalb hab ich damals gesagt: Lasst den Typen in der Partei. Er hat zwar ein SPD-Parteibuch, für mich ist er aber kein Sozialdemokrat, weil, er stellt soziale Aufstiege infrage. Und was er noch macht und was in der SPD eben überhaupt nicht geht, er diskutiert ja nicht nur Deutsche gegen Ausländer, sondern er diskutiert die da oben gegen die da unten. Und in einer SPD geht das gar nicht.
Deutschlandradio Kultur: Krankt diese ganze Integrationsdebatte vielleicht ein bisschen auch an zu viel political correctness? Will man es immer auf beiden Seiten besonders richtig machen und verkrampft am Ende?
Bilkay Öney: Absolut. Also, ja, das ist auch mein Eindruck. Die Integrationsdebatte ist eine reine Elitendebatte. Sie wird geführt von Politikern und sie wird geführt in den Medien auf politisch korrekte Art und Weise – nicht immer, also, aber schon mit dem Anspruch, politisch korrekt zu sein. Und dieses Bauchgefühl kommt dann eben weniger zum Tragen. Und das hat Sarrazin in seinem Buch, glaub ich, versucht irgendwie zu ventilieren und hat eben auch sehr viel Zustimmung in der Bevölkerung bekommen.
Ich habe deshalb, als ich nach Baden-Württemberg kam, sofort gesagt, wir müssen stärker auch auf die Bedürfnisse und Wünsche in der Mehrheitsbevölkerung reagieren. Wir müssen das aufnehmen. Ich kann keine Politik an der Mehrheitsbevölkerung vorbei machen, das geht einfach nicht. Und deswegen werden wir hier eine Umfrage machen, um eben abzufragen, welche Erwartungen die Bürger in Baden-Württemberg an dieses Ministerium haben und wo sie dringenden Handlungsbedarf sehen.
Deutschlandradio Kultur: "Integrationspolitik ist ein Tretminenfeld." Das ist ein Zitat von Ihnen, was ja wohl heißen soll, dass das auf beiden Seiten – sowohl bei der Mehrheitsgesellschaft als auch bei den Migranten – eine Reihe von Empfindlichkeiten gibt. Um mal im Bild zu bleiben: Warum haben Sie, obwohl Ihnen das bewusst ist, wie schwierig das ist, selber so viele Minen mit der einen oder anderen Äußerung losgetreten? War das Absicht?
Bilkay Öney: Nein, es war keine Absicht. Es war...
Deutschlandradio Kultur: Helfen wir unseren Hörern noch mal: "Türken gucken furchtbar viel Glotze. Migranten leiden unter Selbstüberschätzung. Je mehr Türken, desto mehr Unruhe...."
Bilkay Öney: Nein, nein nein...
Deutschlandradio Kultur: Sie sind nicht die "Beschützerin der armen kleinen Migranten."
Bilkay Öney: Oh je.
Deutschlandradio Kultur: Alles falsch? Falsch zitiert?
Bilkay Öney: Mensch, bin ich schlimm. Nein, ich bin gar nicht so schlimm. Nein, Folgendes:
Das war in einem Hintergrundgespräch. Ich bedauere sehr, was am Ende dabei rausgekommen ist, weil, es steht in keinem Verhältnis zu dem, was ich denke und was ich normalerweise praktiziere und wofür ich stehe. Ich habe das sehr bedauert, aber ich bedauere auch, dass es eben Journalisten gibt, die keinen seriösen Journalismus betreiben. – Das ganz klar und vorneweg.
Es gab Dinge, die ich gesagt habe – Selbstüberschätzung, das Wort fiel im Zusammenhang mit Parteiämtern. Es ging um die Frage, ob Migranten, ob es eine Quote geben soll. Und da gab's auch einen Artikel schon vorher in demselben Blatt, das diesen schrecklichen Artikel verfasst hat, da habe ich auch schon vorher gesagt, und man hätte das auch googlen können oder auch finden können im Archiv dieses Mediums, es ging um die Frage nach Quoten. Und es ging darum, dass ich gesagt habe, dass mir aufgefallen ist, dass Migranten zu Parteien kommen und schnell wieder gehen, wenn sie merken, dass sie nicht schnell Karriere machen können, aber dass Parteiämter eben auch rar sind und dass auch Deutsche eben einer so genannten Ochsentour unterworfen sind. Also, man kriegt in den Parteien nichts geschenkt. Darum ging es.
Deutschlandradio Kultur: Sie sind Ministerin mit Migrationshintergrund. Ist das für Ihr Amt, mal abgesehen von der Karriere, ist das für Ihr Amt ein Vorteil? Oder eher ein Nachteil?
Bilkay Öney: Kommt drauf an, aus welcher Perspektive man das betrachtet. Also, es gibt wahrscheinlich Leute, die denken, ach, das ist doch ganz gut. Die ist authentisch und weiß, worüber sie spricht. Aber es gibt auch Leute, die wahrscheinlich denken: Wozu braucht man Minister mit Migrationshintergrund? Also, ich kann diese Frage nicht beantworten. Es kommt auf den Blickwinkel an.
Deutschlandradio Kultur: Ich fand das eben spannend, als Sie sagten, erklärten, Selbstüberschätzung und dass manche Migranten da drunter leiden, und dann sagten, es geht auch um Parteiämter und dass man keinen Bock hat auf die Ochsentour und dass es eben so nicht geht.
Genau dieses wird Ihnen ja witzigerweise zumindest in Teilen der Berliner Grünen vorgeworfen, die Sie ja verlassen haben und zur SPD gegangen sind. Den Schuh, unterstelle ich mal, ziehen Sie sich nicht an. Warum sind Sie denn gewechselt?
Bilkay Öney: Das war auch eine lange eklige Geschichte, die ich nie erzählt habe und die ich auch heute nicht erzählen werde. Aber es hatte natürlich seinen Grund. Es hatte seinen Grund und wir standen kurz vor der Bundestagswahl. Und es ging darum, dass wir in Berlin knappe Mehrheitsverhältnisse hatten und ich mir immer Rot-Grün gewünscht habe, ich das auch immer so kommuniziert habe.
Deutschlandradio Kultur: Sie saßen für die Grünen im Abgeordnetenhaus?
Bilkay Öney: Ich saß für die Grünen im Abgeordnetenhaus. Die Grünen wollten gerne ein Mehrheitsverhältnis herbeiführen, das der SPD massiv geschadet hätte. Und ich habe gesagt: Wenn ihr eurem potenziellen Partner so schadet, dann werden die keine Koalition mit euch machen und ich trage das auch nicht mit. Und ich habe das gemacht, wohl wissend, dass man es als Parteiwechsler nicht einfach haben würde. Und ich hab auch nichts versprochen bekommen und wollte mich eigentlich verabschieden aus der Politik. Weil, wer mag schon Parteiwechsler? Insofern war das für mich jetzt keine Sache, um Karriere zu machen, ganz im Gegenteil.
Sie wissen oder vielleicht können Sie sich daran erinnern, dass ich ja auch in der SPD dann hinten gesessen habe, ganz demonstrativ, und mich überhaupt nicht irgendwie, keine Ambitionen gezeigt habe, irgendwelche Parteiämter zu bekommen, sondern ich saß hinten, letzte Reihe, war Hinterbänklerin, habe meine Arbeit gemacht in den Ausschüssen und habe weiter nicht viel gemacht.
Deutschlandradio Kultur: Eine wirklich heikle Frage noch zum Schluss an die aus Berlin stammende, baden-württembergische Integrationsministerin mit türkischen Wurzeln: Gibt es in Stuttgart so guten Döner wie in Berlin?
Bilkay Öney: Ob ich das jetzt auch ehrlich beantworten darf?
Deutschlandradio Kultur: Wir bitten darum.
Bilkay Öney: Also, ich habe einen Döner entdeckt, der… an Berliner Verhältnisse heranreicht.
Deutschlandradio Kultur: Immerhin. Sehr diplomatische Antwort. Vielen Dank Frau Öney.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Links bei dradio.de
"Mord aus einem falschen Ehrbegriff heraus" - Integrationsministerin über den Fall Hatun Sürücü
Politik bei Familiennachzug-Sprachtest "nicht in Zugzwang"
Bilkay Öney: Problem minderjähriger Drogendealer schwer zu lösen (DKultur) *
Bilkay Öney: Guten Tag.
Deutschlandradio Kultur: Frau Öney, Sie sind in der Türkei geboren. Sie leben seit Ihrem dritten Lebensjahr in Berlin. Und nun sind Sie dort, wo man alles kann außer Hochdeutsch, nämlich im Schwabenland. Wie lebt es sich mit diesem mehrfachen Migrationshintergrund?
Bilkay Öney: Ach, eigentlich ganz gut, weil, ich kann ja Hochdeutsch.
Deutschlandradio Kultur: Und die Menschen hier auch?
Bilkay Öney: Na ja, aber ich bin natürlich sehr dialogbereit und sehr offen gekommen. Insofern war das für mich nicht schwer. Und Sie wissen ja, dass es in Berlin auch eine große schwäbische Migrantengruppe gibt. Insofern war mir diese Volksgruppe ja nicht ganz fremd oder fern.
Deutschlandradio Kultur: Ich glaube auch, Berlin ist die zweitgrößte Schwabenstadt in Deutschland, gleich nach Stuttgart. Baden-Württemberg ist aber nicht Berlin-Kreuzberg. Hier im Südwesten ist die Arbeitslosigkeit unter Migranten relativ gering, soweit wir wissen. Und die Entstehung von Parallelgesellschaften ist hier auch nicht so das Thema. Befassen Sie sich eigentlich mit Luxus-Problemen?
Bilkay Öney: Also, ich denke schon, dass es auch hier Probleme gibt. Die fallen einem nicht sofort auf, aber wenn man dann unterwegs ist im Ländle, dann gibt es schon auch hier Handlungsbedarf.
Aber es stimmt, die Arbeitsmarktsituation ist hier sehr viel entspannter als in Berlin, die Arbeitslosigkeit sehr viel geringer. Aber auch hier gibt es Probleme. Wenn Sie sich die Zahlen im Einzelnen ansehen, dann fällt eben auf, dass hier die Arbeitslosenquote unter Migranten genauso wie in anderen Ländern auch doppelt so hoch ist, dass die Schulabbrecherquote dreimal so hoch ist, dass die Erwerbstätigenquote unter Migranten sehr viel niedriger ist, insbesondere unter den Frauen mit Migrationshintergrund. Und da gibt es auch sehr viel Handlungsbedarf noch.
Deutschlandradio Kultur: Wissen Sie eigentlich, was Sie mit Dirk Niebel von FDP gemeinsam haben?
Bilkay Öney: Was soll das sein? Die Liebe zum offenen Wort?
Deutschlandradio Kultur: Die Liebe zum offenen Wort und auch, dass beide zu Beginn den Sinn des Ministeriums, dem sie jetzt nun vorstehen, nicht unbedingt eingesehen haben. Er war ja, bevor er Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit wurde, eigentlich dafür, dieses Ministerium abzuschaffen. Und Sie meinten ja auch, man hätte das vielleicht auch genauso gut im Staatsministerium als Querschnittsaufgabe ansiedeln können, das Integrationsministerium.
Bilkay Öney: Also haben wir nichts gemein. Es ging um die Frage, ob man das Thema Integration, das ja eine Querschnittsaufgabe ist, nicht hätte woanders ansiedeln können. Und ehrlich, wie ich bin, hab ich gesagt: Ja, man hätte es auch möglicherweise beim Staatsministerium ansiedeln können. Das war eine ehrliche Antwort auf eine Frage. Aber diese Frage hat sich mir ja nicht mehr gestellt, weil, ich hab das mit Nils Schmidt diskutiert, ich hab ihn gefragt, wie diese Entscheidung zustande gekommen ist. Und als er es mir erklärt hat, hab ich's eingesehen und hab gesagt, gut, der Vorteil ist natürlich, dass es dieses Ministerium in der Form nicht gegeben hat und ich hier völlige Planungs- und Entscheidungsfreiheit hatte. Das macht den Reiz aus.
Deutschlandradio Kultur: Nils Schmidt, muss man sagen, der SPD-Chef hier in Baden-Württemberg, der Sie nach Stuttgart geholt hat.
Bilkay Öney: Genau der.
Deutschlandradio Kultur: Was wollen Sie als Integrationsministerin erreichen? Welche Impulse wollen Sie setzen?
Bilkay Öney: Integration ist ein weites Feld. Wenn man drei Überschriften herausdefinieren muss, dann sind es auf jeden Fall rechtliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Verbesserungen für die Migranten, damit die eben auch sich als Teil des Landes begreifen und damit die mehr Verantwortung für die Zukunft dieses Landes übernehmen. Sie wissen, es leben ja Migranten in der dritten, ja sogar vierten Generation. Und ein Teil dieser Migranten identifiziert sich gar nicht mit Deutschland. Das müssen wir ändern.
Deutschlandradio Kultur: Es ist ja so, dass Sie hier im Land einiges tun können, aber viele Gesetze, die Migranten betreffen, sind Bundesgesetze. Was halten Sie denn von der Bundesgesetzgebung in Sachen Integration? Ist das für Sie eher ein Hemmschuh oder meinen Sie, das ist etwas, worauf Sie aufbauen können?
Bilkay Öney: Das ist eine große Herausforderung. Die Bundesgesetzgebung unterlag ja verschiedenen Einflüssen und die Parteien haben da natürlich immer eine große Rolle gespielt. Ich glaube, wir haben schon viel Gutes getan unter Rot-Grün, als wir im Jahr 2000 das Staatsangehörigkeitsrecht reformierten. Nachdem dieses Staatsangehörigkeitsrecht reformiert worden ist, ist es so gewesen, dass jedes Kind, das hier in Deutschland auf die Welt kommt, automatisch den deutschen Pass erwirbt, wenn mindestens ein Elternteil seit acht Jahren dauerhaft in Deutschland lebt. Ich glaube, das war schon mal ein wichtiger Punkt.
Der andere Punkt ist, dass wir im Jahr 2005 das Zuwanderungsgesetz eingeführt haben, das die so genannten Integrationskurse verpflichtend eingeführt hat. Insofern ist Rot-Grün eben nicht nur Multi-Kulti-Romantik, sondern das war die Geburtsstunde Null der deutschen Integrationspolitik. Vorher war es so, dass die Menschen, die nach Deutschland kamen, sich selbst und dem Schicksal überlassen waren und Integration mehr oder weniger auch dem Zufall überlassen war. Wenn die Leute sich integrieren wollten, haben sie es gemacht. Und wenn sie es nicht wollten, haben sie es nicht gemacht. Wir hatten keinen Zugriff auf sie.
Aber jetzt ist es so, dass alle, die zu uns kommen, verpflichtet werden, an so genannten Integrations- und Sprachkursen teilzunehmen. Und das war ein großer und wichtiger Schritt in der Integrationspolitik. Ich würde sogar sagen, es war die Geburtsstunde Null der deutschen Integrationspolitik.
Deutschlandradio Kultur: Seit, ich glaube, 2006 hat es eine Reihe von Integrationsgipfeln gegeben auf Bundesebene, zunächst in der Großen Koalition, jetzt wird es unter Schwarz-Gelb fortgesetzt. Es gibt auch die Deutsche Islamkonferenz. Sind das für Sie Foren, die die Diskussion nach vorne bringen oder sehen Sie das anders? Würden Sie da etwas anders machen, etwas verbessern wollen oder es gleich abschaffen?
Bilkay Öney: Nee, abschaffen würde ich es nicht. Solche Foren sollte man schon nutzen, um ins Gespräch zu kommen und um Probleme zu benennen und natürlich auch, um die Probleme anzugehen. Die Frage ist, wie zielgerichtet sind diese Foren. Da habe ich keinen Einblick, weil ich weder Teil der Integrationskonferenz, noch Teil der Deutschen Islamkonferenz war. Ich weiß aber nur, dass die Ergebnisse der Deutschen Islamkonferenz auch zu wünschen übrig ließen.
Deutschlandradio Kultur: Sicherheitskonferenz?
Bilkay Öney: Ja, auch schwierig gewesen, weil das zuständige Haus personellen Veränderungen unterworfen war. Diese Islamkonferenz begann unter Wolfgang Schäuble. Dann folgte Herr de Maiziere, der ganz andere Ziele verfolgte. Nun haben wir Herrn Friedrich, Bundesinnenminister Friedrich, der eben ganz andere Ziele verfolgt. Insofern gab es da schon unterschiedliche Ansätze.
Wir haben in Baden-Württemberg jetzt auch einen Runden Tisch Islam ins Leben gerufen und möchten eben mit diesem Gremium auch ganz gezielt uns Fragestellungen widmen, die uns immer wieder beschäftigen. Wir begreifen uns aber als Facharbeitsgremium und nicht als Dialogrunde, wo wir mal zusammenkommen, nett miteinander sprechen und wieder ergebnislos auseinandergehen. So soll es nicht sein.
Deutschlandradio Kultur: Es soll da also um konkrete Dinge gehen? Hab ich Sie richtig verstanden? Was wäre das zum Beispiel? Fragen wie das Schächten oder Fragen des Schulunterrichts, geht es darum?
Bilkay Öney: Genau, ganz konkrete Fragen. Sie wissen, dass sich der 11. September vor ein paar Tagen, Wochen zum 10. Mal gejährt hat. Und ich war auch auf verschiedenen Diskussionsveranstaltungen. Und es ging mir auch um die Frage: Was hat der 11. September mit uns gemacht, mit uns als Individuen, aber auch mit uns als Gesellschaft? Und der 11. September hat vieles verändert. Vielen ist das nicht bewusst, aber wir haben im Jahr 2002 das Antiterrorgesetz eingeführt, im Jahr 2005 folgte das Luftsicherheitsgesetz und im Jahr 2006 gab es in Baden-Württemberg diesen Gesprächsleitfaden zur Einbürgerung, der eben auch so genannte Islamisten enttarnen und dingfest machen sollte. Die sollten nicht eingebürgert werden.
Also, hat es rechtlich viel bewirkt. Es hat aber auch in den Köpfen der Menschen viel bewirkt. Und Sie wissen, dass wir viel zu tun haben mit Vorurteilen. Gerade Muslime sehen sich auch stärker Vorurteilen ausgesetzt seit Nine Eleven. Es gibt viel Konfliktpotenzial. Es ist ein sehr spannungsreiches Feld, in dem wir uns bewegen. Es ist auch sehr emotional. Da werden Dinge sehr emotional diskutiert. Dazu gehört das Schächten genauso wie der Schulunterricht, Sexualkundeunterricht oder der Sportunterricht, Schwimmunterricht, wo manchmal Mädchen nicht teilnehmen. Dazu gehören muslimische Begräbnisse. Dazu gehört das Kopftuch, eines der roten Tücher auch in dieser Debatte. Insofern haben wir da, glaub ich, sehr, sehr viele spannende Themen, die wir diskutieren müssen und wo wir zu einem Ergebnis kommen müssen.
Deutschlandradio Kultur: Und Ihre Rolle dabei – Moderatorin?
Bilkay Öney: Wir leiten diese Diskussionen und sind sehr zielgerichtet, möchten zu einem Ergebnis kommen, mit dem wir leben können und mit dem auch die Muslime hoffentlich leben können. Im Leben muss man immer Kompromisse eingehen. Und eine Seite hat immer etwas daran auszusetzen, aber das haben Sie ja immer. In der Integrationsdebatte ist das sowieso immer so, dass eine Seite nicht einverstanden ist mit dem, was vorliegt oder was am Ende dabei rauskommt. Das ist natürlich auch das, was diese Spannung ausmacht, was aber auch das Themenfeld Integration so spannend macht.
Deutschlandradio Kultur: Frau Öney, können Sie was anfangen mit dem Begriff "Leitkultur"?
Bilkay Öney: Was soll das sein?
Deutschlandradio Kultur: Die deutsche Leitkultur.
Bilkay Öney: Okay. Ja gut, wenn sich auch alle Deutsche einig wären, welche Leitkultur es denn sein soll. Sie wissen, dass wir in Baden-Württemberg auch diesen Konflikt haben zwischen den Badenern und den Schwaben. Also, insofern ist das ja immer eine Frage, welche Kultur soll denn Leitkultur werden? Ich glaube auch, dass die Bayern etwas dagegen hätten, wenn wir jetzt sagten, die schwäbische Leitkultur soll es sein.
Andere Länder, andere Sitten, andere Bundesländer, andere Sitten. Und es ist ja auch gut, dass wir Vielfalt haben. Das wäre ja ein bisschen langweilig, wenn alle gleich wären.
Deutschlandradio Kultur: Frau Öney, Sie haben dieser Tage gemeinsam mit Ihren Kollegen aus den Stadtstaaten, also Berlin, Hamburg, Bremen, eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, die es Menschen ermöglichen soll, ihre doppelte Staatsbürgerschaft auch als Erwachsene beizubehalten. Warum?
Bilkay Öney: Weil es da sehr viel Ungerechtigkeit gibt. Wir haben im Jahr 2000 dieses Staatsangehörigkeitsrecht reformiert. Allerdings gab es zeitgleich eben auch eine Unterschriftenkampagne vom damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch, der eben gegen diese doppelte Staatsbürgerschaft gekämpft hat. Wir nehmen Mehrstaatlichkeit mehrfach hin. Wir nehmen Mehrstaatlichkeit hin bei so genannten EU-Ausländern. Wir nehmen Mehrstaatlichkeit hin bei Kindern, die in binationalen Ehen aufwachsen, oder auch bei Leuten, wo die Ursprungsländer keine Ausbürgerungen vornehmen. Beim Iran ist das der Fall.
Und die anderen haben Pech gehabt und müssen damit leben, dass sie einen Pass abgeben. Staatsrechtlich ist das aus meiner Sicht sehr umstritten, weil wir damit Bürger auf Zeit schaffen. Also, ein Kind kommt auf die Welt. Nehmen wir an, ein libanesisches Kind kommt auf die Welt, erhält neben dem libanesischen Pass auch noch den deutschen Pass, hat 18 oder 23 Jahre lang zwei Pässe und muss sich dann irgendwann entscheiden. Nehmen wir mal an, das Kind entscheidet sich für den libanesischen Pass.
Das kann verschiedene Gründe haben, kann mit dem libanesischen Erbrecht zu tun haben. Wenn das Kind noch Großeltern hat und die Großeltern diesem Kind gerne ein Haus vererben wollen oder irgendwas, und sich das Kind aus solchen Gründen, ganz rationalen Überlegungen, gar nicht mal aus emotionalen, aber aus rationalen Gründen dafür entscheidet, libanesisch zu bleiben, nehmen wir ihm den deutschen Pass weg. Staatswürdig halte ich das für sehr denkwürdig.
Deutschlandradio Kultur: Wie ist das eigentlich bei Ihnen, Frau Öney? Sie sind, ich glaube, mit drei Jahren nach Deutschland gekommen mit Ihren Eltern, nach Berlin. Wie viele Pässe haben Sie?
Bilkay Öney: Ich habe nur einen Pass. Deswegen sage ich ja, ich finde es ungerecht, dass der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister – Klammer auf, CDU, Klammer zu – zwei Pässe haben darf und keiner Loyalitätsfrage unterworfen ist. Ich habe nur einen Pass, was auch nicht schlimm ist, aber ich verstehe nicht, warum bestimmte Gruppen sich immer wieder erklären müssen und andere nicht. Das verstehe ich nicht.
Deutschlandradio Kultur: Nun könnte ein Doppelpass ja vielleicht gerade bei Deutsch-Türken dann doch ein gewisses Loyalitätsproblem aufwerfen, wenn man bedenkt, dass zum Beispiel Herr Erdogan manchmal nach Deutschland kommt und dort regelrechte Wahlreden an seine hiesigen Landsleute hält. Gibt es da nicht eine Tendenz, dass von außen her Deutschland da sozusagen ein Schauplatz türkischer Innenpolitik wird, wenn es hier viele Menschen gibt, die tatsächlich auch in beiden Ländern wahlberechtigt sind?
Bilkay Öney: Na ja, das türkische Wahlrecht ist sehr kompliziert. Man muss da gemeldet sein. Und man muss sich zwei Wochen vor der Wahl noch mal registrieren lassen und da irgendwelche Wahlbögen abholen. Und da die meisten Migranten türkischer Herkunft dauerhaft und sesshaft hier in Deutschland leben und eigentlich gar nicht in der Türkei gemeldet sind, also, die allerallerwenigsten wirklich, haben die gar keine Möglichkeit, an diesen Wahlen teilzunehmen. Das ist also eine Scheindebatte. Das ist nicht so, wie man denkt.
Außerdem ist das ja, selbst wenn es so wäre, wäre es nicht schlimm. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Es gibt viele Deutsche, die in Amerika leben und arbeiten. Und warum sollen wir unseren deutschen Bürgern in Amerika verbieten, an deutschen Wahlen teilzunehmen? Das ist doch Quatsch.
Deutschlandradio Kultur: Frau Öney, ich glaube, seit 2004 gibt’s in Baden-Württemberg, Baden-Württemberg hat damals den Anfang gemacht, ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst. Das heißt, muslimische Lehrerinnen dürfen in der Schule kein Kopftuch tragen. Halten Sie dieses Verbot für richtig?
Bilkay Öney: Um es vorweg zu stellen, ich bin nicht diejenige Ministerin, die das entscheiden muss, weil, dafür ist die Kultusministerin zuständig...
Deutschlandradio Kultur: Aber eine Meinung haben Sie?
Bilkay Öney: Ja, ich habe eine Meinung. Die sage ich auch gleich. - ... und er Innenminister, weil er nämlich die Verwaltungsvorschrift mit der damit verbundenen Kleiderordnung usw. erstellt.
Was meine persönliche Meinung angeht, bin ich für die Neutralität des Staates. Und ich glaube auch, dass kleine Kinder und Schüler durch religiöse Symbole nicht beeinflusst werden sollten, weil die Lehrerinnen eben ja auch Vorbild sind für diese Kinder oder für die Mädchen. Insofern befürworte ich persönlich das Kopftuch an den Schulen nicht.
Deutschlandradio Kultur: Der grün-rote Koalitionsvertrag der Landesregierung spricht sich für ein Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Bürger aus. Es heißt, es war zu lesen, die Imigrationsministerin sieht das anders. Ist dem so? Und wenn ja, warum?
Bilkay Öney: Es ist nicht so, aber ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mir diese Frage stellen. Es gab leider einen ganz bösen Artikel, der nicht ganz richtig war. Ich habe gesagt, dass ich nicht meine Energie auf diesen Punkt verwende, weil wir für die Einführung des kommunalen Wahlrechts für Nicht-EU-Bürger eine Grundgesetzänderung bräuchten. Es gab diesen Fall. Es gab auch Klagen. Und das Bundesverfassungsgericht hat damals entschieden, dass mit "Wahlvolk" das deutsche Volk gemeint ist. Und wenn wir diesen Punkt ändern wollen im Grundgesetz, müssten wir das Grundgesetz ändern mit einer Zweidrittelmehrheit, die wir im Moment nicht haben.
Deshalb habe ich gesagt, es ist nicht etwas, was ich in nächster Zeit erreichen werde. Es ist eine traditionelle Forderung von Rot und Grün oder Grün und Rot. Deswegen steht’s auch in der Koalitionsvereinbarung. Aber ehrlicherweise sage ich, dass ich diese Sache nicht umsetzen kann zum jetzigen Zeitpunkt. Wenn wir irgendwann eine Zweidrittelmehrheit haben, und dafür kämpfe ich auch, dann können wir es gerne angehen. Aber es war nicht meine erste Priorität.
Meine erste Priorität ist zu sagen, dass die Menschen sich einbürgern lassen sollen, damit sie volle Rechte und Pflichten haben und damit sie auch das aktive und das passive Wahlrecht haben.
Deutschlandradio Kultur: Wir haben jetzt sehr viel über Gesetze gesprochen, aber Integration ist ja nicht nur eine Sache der Juristen, sondern auch eine Sache des Baugefühls. Und dieses Bauchgefühlt hat Ihr Parteifreund Thilo Sarrazin besonders nachhaltig in letzter Zeit bedient. Finden Sie es gut, dass er noch in der SPD ist?
Bilkay Öney: Thilo Sarrazin ist möglicherweise für viele Genossen ein Dorn im Auge. Aber er hat Dinge gesagt, für die er eine hohe Zustimmung in der Bevölkerung bekommen hat. Und eigentlich muss uns das Sorge bereiten, nicht das, was er gesagt hat, sondern dass er so viel Zustimmung bekommen hat. Das wirft auch ein schlechtes Licht auf uns Politiker, weil wir uns offenbar mit solchen Dingen gar nicht beschäftigt haben oder weil wir es ausgeblendet haben.
Deshalb hab ich damals gesagt: Lasst den Typen in der Partei. Er hat zwar ein SPD-Parteibuch, für mich ist er aber kein Sozialdemokrat, weil, er stellt soziale Aufstiege infrage. Und was er noch macht und was in der SPD eben überhaupt nicht geht, er diskutiert ja nicht nur Deutsche gegen Ausländer, sondern er diskutiert die da oben gegen die da unten. Und in einer SPD geht das gar nicht.
Deutschlandradio Kultur: Krankt diese ganze Integrationsdebatte vielleicht ein bisschen auch an zu viel political correctness? Will man es immer auf beiden Seiten besonders richtig machen und verkrampft am Ende?
Bilkay Öney: Absolut. Also, ja, das ist auch mein Eindruck. Die Integrationsdebatte ist eine reine Elitendebatte. Sie wird geführt von Politikern und sie wird geführt in den Medien auf politisch korrekte Art und Weise – nicht immer, also, aber schon mit dem Anspruch, politisch korrekt zu sein. Und dieses Bauchgefühl kommt dann eben weniger zum Tragen. Und das hat Sarrazin in seinem Buch, glaub ich, versucht irgendwie zu ventilieren und hat eben auch sehr viel Zustimmung in der Bevölkerung bekommen.
Ich habe deshalb, als ich nach Baden-Württemberg kam, sofort gesagt, wir müssen stärker auch auf die Bedürfnisse und Wünsche in der Mehrheitsbevölkerung reagieren. Wir müssen das aufnehmen. Ich kann keine Politik an der Mehrheitsbevölkerung vorbei machen, das geht einfach nicht. Und deswegen werden wir hier eine Umfrage machen, um eben abzufragen, welche Erwartungen die Bürger in Baden-Württemberg an dieses Ministerium haben und wo sie dringenden Handlungsbedarf sehen.
Deutschlandradio Kultur: "Integrationspolitik ist ein Tretminenfeld." Das ist ein Zitat von Ihnen, was ja wohl heißen soll, dass das auf beiden Seiten – sowohl bei der Mehrheitsgesellschaft als auch bei den Migranten – eine Reihe von Empfindlichkeiten gibt. Um mal im Bild zu bleiben: Warum haben Sie, obwohl Ihnen das bewusst ist, wie schwierig das ist, selber so viele Minen mit der einen oder anderen Äußerung losgetreten? War das Absicht?
Bilkay Öney: Nein, es war keine Absicht. Es war...
Deutschlandradio Kultur: Helfen wir unseren Hörern noch mal: "Türken gucken furchtbar viel Glotze. Migranten leiden unter Selbstüberschätzung. Je mehr Türken, desto mehr Unruhe...."
Bilkay Öney: Nein, nein nein...
Deutschlandradio Kultur: Sie sind nicht die "Beschützerin der armen kleinen Migranten."
Bilkay Öney: Oh je.
Deutschlandradio Kultur: Alles falsch? Falsch zitiert?
Bilkay Öney: Mensch, bin ich schlimm. Nein, ich bin gar nicht so schlimm. Nein, Folgendes:
Das war in einem Hintergrundgespräch. Ich bedauere sehr, was am Ende dabei rausgekommen ist, weil, es steht in keinem Verhältnis zu dem, was ich denke und was ich normalerweise praktiziere und wofür ich stehe. Ich habe das sehr bedauert, aber ich bedauere auch, dass es eben Journalisten gibt, die keinen seriösen Journalismus betreiben. – Das ganz klar und vorneweg.
Es gab Dinge, die ich gesagt habe – Selbstüberschätzung, das Wort fiel im Zusammenhang mit Parteiämtern. Es ging um die Frage, ob Migranten, ob es eine Quote geben soll. Und da gab's auch einen Artikel schon vorher in demselben Blatt, das diesen schrecklichen Artikel verfasst hat, da habe ich auch schon vorher gesagt, und man hätte das auch googlen können oder auch finden können im Archiv dieses Mediums, es ging um die Frage nach Quoten. Und es ging darum, dass ich gesagt habe, dass mir aufgefallen ist, dass Migranten zu Parteien kommen und schnell wieder gehen, wenn sie merken, dass sie nicht schnell Karriere machen können, aber dass Parteiämter eben auch rar sind und dass auch Deutsche eben einer so genannten Ochsentour unterworfen sind. Also, man kriegt in den Parteien nichts geschenkt. Darum ging es.
Deutschlandradio Kultur: Sie sind Ministerin mit Migrationshintergrund. Ist das für Ihr Amt, mal abgesehen von der Karriere, ist das für Ihr Amt ein Vorteil? Oder eher ein Nachteil?
Bilkay Öney: Kommt drauf an, aus welcher Perspektive man das betrachtet. Also, es gibt wahrscheinlich Leute, die denken, ach, das ist doch ganz gut. Die ist authentisch und weiß, worüber sie spricht. Aber es gibt auch Leute, die wahrscheinlich denken: Wozu braucht man Minister mit Migrationshintergrund? Also, ich kann diese Frage nicht beantworten. Es kommt auf den Blickwinkel an.
Deutschlandradio Kultur: Ich fand das eben spannend, als Sie sagten, erklärten, Selbstüberschätzung und dass manche Migranten da drunter leiden, und dann sagten, es geht auch um Parteiämter und dass man keinen Bock hat auf die Ochsentour und dass es eben so nicht geht.
Genau dieses wird Ihnen ja witzigerweise zumindest in Teilen der Berliner Grünen vorgeworfen, die Sie ja verlassen haben und zur SPD gegangen sind. Den Schuh, unterstelle ich mal, ziehen Sie sich nicht an. Warum sind Sie denn gewechselt?
Bilkay Öney: Das war auch eine lange eklige Geschichte, die ich nie erzählt habe und die ich auch heute nicht erzählen werde. Aber es hatte natürlich seinen Grund. Es hatte seinen Grund und wir standen kurz vor der Bundestagswahl. Und es ging darum, dass wir in Berlin knappe Mehrheitsverhältnisse hatten und ich mir immer Rot-Grün gewünscht habe, ich das auch immer so kommuniziert habe.
Deutschlandradio Kultur: Sie saßen für die Grünen im Abgeordnetenhaus?
Bilkay Öney: Ich saß für die Grünen im Abgeordnetenhaus. Die Grünen wollten gerne ein Mehrheitsverhältnis herbeiführen, das der SPD massiv geschadet hätte. Und ich habe gesagt: Wenn ihr eurem potenziellen Partner so schadet, dann werden die keine Koalition mit euch machen und ich trage das auch nicht mit. Und ich habe das gemacht, wohl wissend, dass man es als Parteiwechsler nicht einfach haben würde. Und ich hab auch nichts versprochen bekommen und wollte mich eigentlich verabschieden aus der Politik. Weil, wer mag schon Parteiwechsler? Insofern war das für mich jetzt keine Sache, um Karriere zu machen, ganz im Gegenteil.
Sie wissen oder vielleicht können Sie sich daran erinnern, dass ich ja auch in der SPD dann hinten gesessen habe, ganz demonstrativ, und mich überhaupt nicht irgendwie, keine Ambitionen gezeigt habe, irgendwelche Parteiämter zu bekommen, sondern ich saß hinten, letzte Reihe, war Hinterbänklerin, habe meine Arbeit gemacht in den Ausschüssen und habe weiter nicht viel gemacht.
Deutschlandradio Kultur: Eine wirklich heikle Frage noch zum Schluss an die aus Berlin stammende, baden-württembergische Integrationsministerin mit türkischen Wurzeln: Gibt es in Stuttgart so guten Döner wie in Berlin?
Bilkay Öney: Ob ich das jetzt auch ehrlich beantworten darf?
Deutschlandradio Kultur: Wir bitten darum.
Bilkay Öney: Also, ich habe einen Döner entdeckt, der… an Berliner Verhältnisse heranreicht.
Deutschlandradio Kultur: Immerhin. Sehr diplomatische Antwort. Vielen Dank Frau Öney.
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