Ungarns Opposition verjüngt sich
56:09 Minuten
Ágnes Heller, György Konrád, László Rajk: Drei einflussreiche linke Intellektuelle und Orbán-Kritiker haben in Ungarn lange den Diskurs mitbestimmt. Nun sind sie innerhalb kurzer Zeit verstorben. Wer sind die neuen Stimmen aus der Kultur?
In dieser Stunde 1 kramen wir in den Archiven unseres Kulturpodcasts Lakonisch Elegant. Vor einigen Wochen waren Christine Watty und Johannes Nichelmann in Budapest. Sie hören in dieser Stunde die langen Versionen von zwei Gesprächen, die sie dort und zuvor in Berlin aufgenommen haben.
"Blinde Hoffnung auf Jugend"
Zunächst geht es im Gespräch mit Wilhelm Droste um die Bedeutung von Ágnes Heller, György Konrád und László Rajk. Vor wenigen Monaten traf der seit 30 Jahren in Budapest lebende Deutsche Autor und Literaturwissenschaftler Droste die Philosophin Heller († 19. Juli 2019, 90 Jahre) und den Schriftsteller Konrád († 13. September 2019, 86 Jahre) auf einer Party. Geladen hatte der Architekt und Bürgerrechtler László Rajk († 11. September 2019, 70 Jahre).
Geredet haben sie damals womöglich einmal mehr über die Regierung Viktor Orbáns und über deren Auswirkungen auf die Gesellschaft. "So richtig eine zündende Idee, wie sich die Sache von innen auflösen könnte, hat niemand. Alle haben so eine blinde Hoffnung auf Jugend. Dass diese Jugend alle Fehler der älteren Generation ablegt", sagt Droste. Er erzählt im Gespräch, wie sich die Drei im heutigen Ungarn positionierten und wie ihr Blick auf die Zukunft des Landes war.
Opposition durch neue Perspektiven
Noémi Kiss ist Schriftstellerin, deren Bücher auch teilweise aus dem Ungarischen ins Deutsche übersetzt wurden. Immer wieder beschäftigt sie sich mit dem Osten Europas. Der Tod von Heller, Rajk und Konrád ist für sie traurig, zugleich hofft sie auf neue Stimmen in den Debatten.
Sie selbst publiziert auch in deutschen Medien und versucht eine neue Perspektive durch die Themen, die sie dabei setzt: "Meine Opposition zu dieser älteren Intellektuellengeneration habe ich auch damit ausgedrückt, dass ich ganz andere Themen angreife. Mein Thema ist nicht, dass Orbán ein Diktator ist, ich möchte eine viel breitere Perspektive über die ungarische Gesellschaft aufarbeiten und auch zeigen."